Knochendestruktion im Unterkiefer

Zentrales Riesenzellgranulom

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Heftarchiv Zahnmedizin

Ein 17-jähriger Patient wurde in der Retentionsphase seiner kieferorthopädischen Behandlung wegen einer ausgedehnten Osteolyse des vorderen Unterkiefers überwiesen. Bei der klinischen Untersuchung erschien das Vestibulum im Bereich der Unterkieferfrontzähne etwas vorgewölbt und induriert (Abbildungen 1a und 1b).

Die Unterkieferfrontzähne selbst waren trotz eines adhäsiv fixierten Retainers en-Block deutlich gelockert. Eine Sensibilitätsstörung im Bereich der Nervus mentales fand sich nicht. Das Serum Calcium war normwertig. In der digitalen Volumentomografie des Unterkiefers stellte sich ein ausgedehnter destruierender Prozess der anterioren Mandibula dar, mit deutlichen Resorptionen im Bereich der Unterkieferfrontzahnwurzeln. Die Osteolyse erstreckte sich von Regio 34 bis 45, hierbei war die vestibuläre Kompakta langstreckig aufgebraucht.

Abbildung 2 zeigt die erhebliche Ausdehnung der Läsion in der 3-D-Rekonstruktion. Die axialen und die sagittalen Ebenen verdeutlichen die wesentlichen radiologischen Charakteristika, nämlich die Destruktion der Kortikalis und die massiven Resorptionen der Frontzähne (Abbildungen 2a bis 2c).

Es erfolgte die Excochleation des Befunds unter Erhaltung der Dentition. Abbildung 3 vermittelt einen Eindruck von der intraoperativen Situation nach der Darstellung des Befunds. Erkennbar wird, dass an den Frontzähnen eine nur noch minimale marginale Knochenbrücke vorhanden ist. Auf der Oberfläche lassen sich die im DVT gerade noch erkennbaren, fragmentierten Reste der vestibulären Knochenlamelle erkennen. Der Anschnitt des Resektats (Abbildung 4) zeigt die makroskopisch inhomogene Textur mit wechselnden Hart- und Weichgewebsanteilen. Klinisch ist dieses Bild typisch für ein zentrales Riesenzellgranulom, was sich dann auch in der histologischen Bewertung bestätigte.

Diskussion

Obwohl das periphere Riesenzellgranulom bereits 1953 von Jaffé beschrieben wurde, ist das Krankheitsbild bis heute hinsichtlich der Ätiologie und der formalen Histogenese nicht geklärt. Obwohl es sich mit rund sieben Prozent aller Knochentumoren um eine recht häufige Erkrankung handelt [Suarez Roa et al., 2009], ist beispielsweise noch heute umstritten, ob sich die charakteristischen multinukleären Riesenzellen von Makrophagen beziehungsweise Histiozyten oder von Osteoklasten ableiten [Torabinia et al., 2011]. Über die Hälfte der Riesenzellgranulome manifestieren sich vor der dritten Lebensdekade mit einer Präferenz von rund 65 Prozent für das weibliche Geschlecht. Bezüglich der Lokalisation ist der Unterkiefer häufiger betroffen als der Oberkiefer. Seit längerer Zeit ist bekannt, dass es – vom klinischen Verlauf betrachtet – sehr unterschiedlich aggressive Wachstumstypen gibt, wobei die aggressiven Formen etwas häufiger im jüngeren Lebensalter beobachtet werden [De Lange et al., 2007]. Radiologisch gibt es keine pathognomonischen Bewertungskriterien. So findet man sowohl unscharf begrenzte Osteolysen mit destruierendem Charakter als auch glatt begrenzte, manchmal mehrkammerig erscheinende Osteolysen. Einen sklerosierten Randsaum wie bei einer Zyste sieht man typischerweise nicht. Die hohe Variabilität macht eine radiologische Abgrenzung zu anderen Krankheitsentitäten praktisch unmöglich.

Die bevorzugte Therapie der zentralen Riesenzellgranulome ist nach wie vor die chirurgische Entfernung, wobei im Allgemeinen zunächst die schonende Kürettage unter Erhaltung der Umgebungsstrukturen vorgenommen werden sollte. Obwohl damit Rezidivraten um 15 bis 30 Prozent zu erwarten sind, sollten resektive Therapiekonzepte den seltenen, hoch aggressiven Verlaufsformen vorbehalten bleiben. Neben den chirurgischen Verfahren wurden in den letzten 20 Jahren mehrere medikamentöse Therapieansätze propagiert. Hierbei handelte es sich beispielsweise um die intraläsionale Therapie mit Kortikosteroiden und Calcitonin sowie die Therapie mit Interferon 2 alpha, Osteoprotegerin und auch Ima tinib, einem Thyrosin-Kinase-Inhibitor. Trotz zahlreicher Fallmitteilungen ist die Datenlage für diese Therapieformen aber noch sehr dürftig, und ein recht aktueller Cochrane Review von 2009 [Suarez Roa et al., 2009] konnte bisher keinen Nachweis der Wirksamkeit nicht chirurgischer Verfahren be legen. Eine wichtige Differenzialdiagnose aller Riesenzell-Läsionen ist der sogenannte „braune Tumor“ bei den verschiedenen Formen des Hyperparathyreoidismus. Da weder klinisch noch histopathologisch eine Unterscheidung möglich ist, sollte grundsätzlich eine Bestimmung von Calcium und Phosphat und gegebenenfalls eine Parathormonbestimmung erfolgen.

Dr. Tarik MizzianiProf. Dr. Dr. Martin KunkelKlinik für Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie Ruhr-Universität BochumKnappschaftskrankenhaus Bochum- LangendreerIn der Schornau 23-2544892 Bochummartin.kunkel@ruhr-uni-bochum.de

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