Bürgerversicherung

Aus Schwarz wird Rot

Zinsen, Pacht und Miete – der SPD zufolge bis dato Vermögenswerte, die auf die Krankenkassenbeiträge anzurechnen sind. Aber alles wird anders: Jetzt setzt die Partei plötzlich auf höhere Steuern. Damit halten die Sozialdemokraten zwar an ihrem Konzept einer Bürgerversicherung fest – bedienen sich aber alter Ideen aus der CDU.

Zu bürokratisch und weniger gerecht für alle sei das alte SPD-Modell einer Krankenversicherung an dieser Stelle gewesen, gestand SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. „Die reine Logik des Beitragssystems ist nicht so gerecht wie das Steuersystem mit seinem progressiven Tarif“, erklärte sie.

Wenn dies keine Kehrtwende ist! Denn obgleich die SPD ihrem Konzept der Bürgerversicherung treu bleibt, greift sie eigentlich eine uralte Idee der Union, respektive von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), auf. Die hatte als Plus für ihre Gesundheitsprämie nämlich stets ins Feld geführt, dass der geplante Sozialausgleich über die Steuern gerechter sei als das heutige GKV-System mit seinen prozentualen, an den Lohn gekoppelten Beiträgen. Umgekehrt hatte die SPD die Kopfpauschale immer als Untergang der Solidargemeinschaft verteufelt und stattdessen eine Ausdehnung der Kassenbeiträge über die Löhne hinaus auf Vermögen wie Zins-, Miet- und Pachteinnahmen präferiert.

Bekanntlich zahlen vermögende oder gut verdienende GKV-Mitglieder zurzeit bis zur Einkommensgrenze von 3 750 Euro monatlich Beiträge. Jeder Euro, der jenseits davon rollt, ist beitragsfrei. Im Gegensatz dazu sah das bisherige Steuersystem der SPD vor, dass grundsätzlich alle Einnahmen versteuert werden. „Wir selber sind mittlerweile der Auffassung, dass wir das, was wir damals vorgelegt haben, weiterentwickeln müssen“, kommentierte Nahles die Abkehr von den Altkonzepten. Weiterentwickeln, das bedeutet laut Nahles: Es gibt nur noch drei Einnahmequellen – Beiträge der Arbeitnehmer, Zahlungen der Arbeitgeber und Steuerzuschüsse – für das Gesundheitssystem. Fragt sich, was mit den pauschalen Zusatzbeiträge, die Schwarz-Gelb gerade erst als wichtigen Zapfhahn für die Krankenkassen ausgebaut hat, passiert. Die Antwort der SPD: Weg damit. Wie sich die Beiträge und der Steuerzuschuss von heute gut 14 Milliarden Euro im Jahr zu einander verhalten und entwickeln, ist freilich noch offen. Niedrigere Beiträge will die SPD jedenfalls nicht versprechen: Das sei unglaubhaft. Wichtiger sei die Abschaffung der „Zweiklassenmedizin“.

Abkehr von Grün

Im Frühjahr plant die SPD eine große Kampagne zur Bürgerkasse. Alle Details des neuen SPD-Modells sollen bis April nächsten Jahres stehen. Dass die Partei mit ihren Vorschlägen in wichtigen Punkten von den Reformvorschlägen ihrer Bündnispartner abweicht, ist jedoch jetzt schon klar. So halten Grüne wie DGB daran fest, die Krankenkassenbeiträge auch auf Mieten, Zinsen und Pachten auszuweiten und dafür die Beitragsbemessungsgrenze auf bis zu 5 500 Euro im Monat nach oben zu schrauben.

Auch in Sachen PKV spaltet sich die SPD von den Grünen und den Gewerkschaften ab. Neuer Plan ist, die PKV nicht komplett einzuschläfern oder sie in den Bereich der Zusatzversicherungen zu verbannen. Vielmehr sollen sich Versicherte künftig frei entscheiden können, ob sie zu einem gesetzlichen oder einem privaten Anbieter gehen. Wer privat versichert ist, darf es auch bleiben. Die milliardenschweren Altersrückstellungen der PKV sollen ebenfalls nicht touchiert werden. Was die Leistungen betrifft: Egal, ob PKVoder GKV-versichert – sie sollen ein für alle mal einheitlich sein. Und Mediziner für gesetzlich und privat Versicherte das gleiche Honorar erhalten. Um auch die Ärzte auf die Reform einzuschwören, soll das Vergütungsniveau daher über dem heutigen GKVNiveau liegen.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.