Baustelle Transplantationsgesetz

Politik ringt um Organspende

Heftarchiv Gesellschaft
mg
Seit 1997 regelt das Transplantationsgesetz (TPG), unter welchen Umständen in Deutschland ein Organ entnommen und verpflanzt werden darf. Nachdem die Bundesregierung im Sommer einen ersten Entwurf zur Anpassung der nationalen Regelung an eine EU-Richtlinie beschlossen hat, ist ein politischer Diskurs darum entbrannt, wie künftig mehr Spender gewonnen werden können. Derweil gewinnt die Lebendorganspende kontinuierlich an Bedeutung – ein Verfahren, dessen Finanzierung bisher nicht einheitlich geregelt oder gesetzlich fixiert ist, sondern nur auf einem Gerichtsurteil aus dem Jahr 1972 beruht.

Das Missverhältnis zwischen Organspendern und Bedürftigen in Deutschland ist mittlerweile zum Politikum geworden. Bundesweit warteten 2010 laut Jahresbericht der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) etwa 12 000 schwerkranke Patienten auf ein Spenderorgan – und das im Schnitt fünf bis sechs Jahre lang. Der Grund ist die im europäischen Vergleich geringe Zahl erfasster Organspender, die nach deutschem Recht aktiv ihre Bereitschaft erklären müssen, indem sie einen Spenderausweis ausfüllen.

Bürger sollen sich erklären

An diesem Punkt setzen die politischen Vorstöße von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) sowie der Fraktionschefs von Union und SPD im Bundestag, Volker Kauder (CDU) und Frank-Walter Steinmeier, an, die auch der Bundesrat bestätigte. Sie wollen die bisherige „erweiterte Zustimmungslösung“ in eine „Erklärungslösung“ ändern, die sicherstellt, dass jeder Bundesbürger in seinem Leben mindestens einmal mit dem Thema konfrontiert wird – um dann die Entscheidung für oder gegen die Organspende abzugeben (siehe Kasten) Diese Information könnte anschließend an zentraler Stelle – gegebenenfalls sogar auf der elektronischen Gesundheitskarte – festgehalten werden.

An diesem Punkt setzen die politischen Vorstöße von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) sowie der Fraktionschefs von Union und SPD im Bundestag, Volker Kauder (CDU) und Frank-Walter Steinmeier, an, die auch der Bundesrat bestätigte. Sie wollen die bisherige „erweiterte Zustimmungslösung“ in eine „Erklärungslösung“ ändern, die sicherstellt, dass jeder Bundesbürger in seinem Leben mindestens einmal mit dem Thema konfrontiert wird – um dann die Entscheidung für oder gegen die Organspende abzugeben (siehe Kasten) Diese Information könnte anschließend an zentraler Stelle – gegebenenfalls sogar auf der elektronischen Gesundheitskarte – festgehalten werden.

Aufgrund der anhaltend geringen Zahl von gemeldeten Organspendern gewinnt diese Praxis nach Angaben der DSO seit 2006 kontinuierlich an Bedeutung: 2010 waren bereits 7,5 Prozent der transplantierten Lebern Teillebertransplantationen aus Lebendspenden, bei den verpflanzten Nieren stammten sogar 22,6 Prozent von Lebendspendern. „Das ist leider ein Trend“, sagt Prof. Dr. Uwe Heemann von der Stiftung Lebendspende, der in der Nephrologie des Klinikums rechts der Isar in München praktiziert. „Den gibt es aber nur, weil das Angebot an postmortalen Organspenden den Bedarf nicht abdeckt.“ Dabei sind es fast ausschließlich Verwandte ersten Grades, die sich entscheiden, einem schwer erkrankten Angehörigen ein (Teil-)Organ zu spenden.

Diese gehen nach dem Stand der aktuellen Rechtslage ein finanzielles Risiko ein. Denn bisher regelt lediglich ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG), dass die Krankenkasse des Organ-Empfängers die Kosten für die Entnahme-Operation und medizinische Nachsorge des Spenders bezahlt, gesetzlich fixiert ist diese Regelung bis jetzt aber noch nicht. Das soll sich im Zuge der Modifizierung des TPG nun ändern, verspricht man seitens des Bundesgesundheitsministeriums. Wie das Problem allerdings konkret gelöst werden soll, wisse man noch nicht, heißt es. Eine Sprecherin erklärte: „Es gibt aktuell Gespräche, diese Aspekte mithilfe eines Änderungsantrages einzubinden.“

An diesen Gesprächen ist auch der GKVSpitzenverband beteiligt, der auf Anfrage außerdem mitteilt, die Absicherung von Spendern bei einer Lebendspende sei „wichtig und seit langem Diskussionsthema“. Die Krankenkassen hätten bereits 2006/2007 sowie 2009 gefordert, „die Versorgung des Spenders finanziell und leistungsrechtlich nachzubessern“, heißt es. 2009 hatten auch zentrale Akteure der Transplantationsmedizin in einer von der Bundesregierung veröffentlichten Befragung des Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung GmbH (IGES) die „mangelnde finanzielle Absicherung der Spender in der Praxis“ kritisiert.

Zuletzt forderte der Bundesrat im September diesen Jahres in seiner Stellungnahme zum Gesetzesvorhaben die Bundesregierung auf, „die versicherungsrechtliche Absicherung des im Höchstmaße altruistisch handelnden Organlebendspenders zu verbessern“. Konkret wünscht man sich eine Änderung des Krankenversicherungsrechts (SGB V), die einen eigenen Behandlungsanspruch des Spenders gegen die Kasse des Empfängers sichert. Dazu soll auch insbesondere die „Erstattung der Nettoverdienstausfallkosten in tatsächlicher Höhe“ sowie aller Sozialversicherungsbeiträge gehören. Eine entsprechende einheitliche Praxis gebe es zur Zeit nicht, urteilt der Bundesrat. Zusätzlich wünsche man, dass im Unfallversicherungsrecht (SGB VII) festgeschrieben werde, das grundsätzlich alle Kosten von in Folge der Organspende auftretenden Komplikationen durch die gesetzliche Unfallversicherung (GUV) gedeckt werden.

Diese sträubt sich jedoch und verweist darauf, dass die Organentnahme als solche „ein geplanter und gewollter Eingriff“ sei, deren mögliche ungünstige gesundheitliche Folgen dem Organspender bekannt seien. „Er nimmt sie nach sorgfältiger Abwägung der Risiken in Kauf“, heißt es in einer Stellungnahme. Und: „Die Übernahme eines solchen Risikos in den Schutzbereich der GUV wäre systemfremd.“ Falls der Gesetzgeber die soziale Absicherung von Organspendern verbessern wolle, sollten „systemgerechte Lösungswege“ geprüft werden. Wie die aussehen könnten, sagt man nicht. Wohl aber, dass eine Absicherung über die Krankenhäuser, in denen die Organentnahme stattfindet, unpassend sei. „Es handelt sich nicht um ein Risiko, für das diese Krankenhäuser einzustehen haben.“

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