Leitartikel

Schäubles Leute 2.0

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht dem alljährlichen politischen Sommerloch geschuldet, dass mein jetziges Leitartikelthema nahtlos an mein vorhergehendes anschließt. Ganz im Gegenteil! Schäubles Leute mischen weiter mit. Und immer dann, wenn Experten aus dem Tal der Ahnungslosen meinen mitmischen zu müssen, kommt selten Gutes dabei heraus. Erinnern wir uns: Der Gesetzgeber hatte beschlossen, einen Teil der GKV-Ausgaben mit Steuergeldern zu alimentieren. Das war schon eine bemerkenswerte politische Richtungsänderung – und eine ebenso bemerkenswerte Kehrtwende. Bis dato wurden der GKV eher versicherungsfremde „Sozialleistungen“ verpflichtend aufgedrückt – nun erfolgte das Herauslösen der GKV aus der reinen Lohn- und Gehaltsfinanzierung. Für viele Politiker war das ein konsequenter und zukunftsorientierter Schritt, verbunden mit mehr Gerechtigkeit, mit einer breiteren und nachhaltigeren Finanzierung. Dazu gab es auch einen überparteilichen Konsens, allerdings immer mit dem jeweiligen politischen Blick auf die eigenen politischen Ziele: Nicht nur die Apologeten der Bürgerversicherung sehen in ihren Konzepten Zuschüsse des Steuerzahlers – und damit des Finanzministers – vor, auch die mittlerweile auf diesem Sektor fast schon taubstummen Anhänger einer Gesundheitsprämie schielten auf diese Mitfinanzierung.

Es ist völlig verständlich, dass der – eher unfreiwillig – Betroffene in einer solchen Konstellation nicht zum einflusslosen Payer degradiert werden will. Und so ist es auch nachvollziehbar, dass dieser Payer sich zum Player mausern möchte.

Das ist politischer Alltag in Berlin – seien es Subventionen für die Landwirtschaft, Investitionszulagen für die Industrie oder Fördermittel für Häuslebauer. Allen ist gemein, dass es aus den unterschiedlichsten Gründen Spezialprogramme (für einige) sind, die die Lebensqualität der großen Mehrheit zumindest nicht negativ tangieren. In der Gesundheitspolitik, hier der GKV- (Teil-)Finanzierung ist das aber grundlegend anders: Dieses überparteiliche gesellschaftspolitische Konsens-Modell GKV versammelt 90 Prozent der Bevölkerung unter seinem Versorgungsschirm. Und somit rührt das BMF schnell an den Grundfesten unseres Sozialstaats. Das ist den Strategen aus dem Bundesfinanzministerium womöglich gar nicht bewusst. Sie agieren nach Schema F und folglich im Gesundheitssektor ziemlich unsubstantiiert – so die Umschreibung unter Juristen für „ohne Hand und Fuß“.

Bekanntlich hatten Schäubles Leute dem Bundesgesundheitsminister Bahr bei seinem Versorgungsstrukturgesetz die Krallen gezeigt. Noch normal. Aber das machten sie auch noch öffentlich und brachten damit Daniel Bahr in Zugzwang. Nicht mehr normal. Neue Methodik?

Bahr brachte seinen Gesetzentwurf jetzt textlich unbeschädigt durchs Kabinett, aber eine Duftmarke konnten Schäubles Leute denn doch setzen: 2014 werden die Ausgabenkonsequenzen aus der ambulanten vertragsärztlichen und der vertragszahnärztlichen Versorgung evaluiert. Bei Mehrausgaben annonciert schon jetzt das BMF, seinen Verpflichtungen nicht nachzukommen.

Das könnte gerade uns Zahnärzte nicht aus der Ruhe bringen, weil außer den zugestandenen, überfälligen und für die Patientenversorgung notwendigen zu erwartenden Mehrausgaben keine weitere Mengenentwicklung erwartet wird.

Aber wehret den Anfängen: Wenn erst einmal Schäubles Leute ihre Rolle als Player ausleben, wenn sie meinen, mit Ausgabensteuerung Gesundheitspolitik machen zu sollen, dann erhalten wir den Staatlichen Gesundheitsdienst durch die Hintertür.

In England wird es gerade augenfällig demonstriert: Dort sollen (siehe auch Seite 11 dieser zm) in den nächsten Jahren über 22 Milliarden Euro eingespart werden. Der dortige nationale Gesundheitsdienst wird es spüren, die Patienten werden leiden. Das Bundesfinanzministerium als Player im Gesundheitssystem – hoffentlich wissen sie, was sie dort tun.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

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