Repetitorium

Intersexualität

Nicht Mann, nicht Frau – es gibt Menschen, denen ist nicht eindeutig eines der beiden Geschlechter zuzuordnen. Der Deutsche Ethikrat empfiehlt deshalb offiziell die Einführung eines dritten Geschlechts und die Akzeptanz des Begriffs „intersexuell“ bei der Geschlechtszuordnung. Hier die medizinischen Fakten.

Das Aussehen eines Menschen erlaubt üblicherweise die Einteilung nach „Mann“ oder „Frau“. Im Zweifelsfall schafft die Anatomie des Betreffenden, also die Ausprägung und Anordnung der inneren und äußeren Geschlechtsmerkmale wie das Vorliegen von Eierstöcken, Gebärmutter und Scheide oder Hoden, Nebenhoden, Prostata und Penis, Klarheit.

Nicht immer aber ist die Unterscheidung zwischen Mann und Frau klar zu treffen, denn es gibt Varianten des Erscheinungsbildes mit gleichzeitig einerseits typisch weiblicher und andererseits typisch männlicher Ausprägung. Ist eine eindeutige Geschlechtszuordnung aufgrund anatomischer Varianten nicht möglich, besteht die sogenannte Intersexualität. Dies ist ebenso der Fall, wenn ein Mensch hinsichtlich seiner Chromosomenausstattung nicht zweifelsfrei als Mann oder Frau einzuordnen ist.

Abgrenzung zur Transsexualität

Deutlich abzugrenzen ist die Intersexualität von der Transsexualität. Bei der Transsexualität stellt der Betreffende im Laufe seines Lebens fest, dass sich sein körperliches Geschlecht von seinem psychischen Geschlecht unterscheidet. Er erkennt, dass er beispielsweise als Mann geboren wurde, sich jedoch selbst als Frau fühlt oder umgekehrt.

Somit besteht keine körperliche Zwischenstellung zwischen den beiden Geschlechtern, sondern vielmehr eine Polarisierung zwischen den anatomischen Gegebenheiten und dem Fühlen und Erleben. Dies führt häufig dazu, dass die Betreffenden versuchen, ihr angeborenes Geschlecht abzulegen und das aus ihrer Sicht „richtige“ Geschlecht anzunehmen, was üblicherweise operative und auch hormonelle Behandlungen zur Folge hat.

Begrifflichkeit

Anders ist dies bei der Intersexualität. Der Begriff wurde im Jahr 1915 durch den Genetiker Richard Goldschmidt geprägt. Im Jahr 2005 wurde im Rahmen einer internationalen Konsensuskonferenz für die Mischform von Mann und Frau der Begriff der Sexualdifferenzierungsstörung, oft in wissenschaftlichen Publikationen abgekürzt als DSD (Disorders of Sex Differentiation) festgelegt. Dieser Begriff wird von den Betroffenen jedoch abgelehnt, weil er das Wort „Störung“ beinhaltet und damit suggeriert, dass es sich um eine Erkrankung handelt.

Zwar kann die Intersexualität tatsächlich mit Symptomen einhergehen, dies muss aber nicht der Fall sein, denn die Koexistenz von männlichen und weiblichen Organen ist ebenso völlig symptomfrei möglich. Sie ist keineswegs ein per se krankhafter Zustand, sondern als Normvariante anzusehen und zu akzeptieren. Eine Diskriminierung darf sich aus der Intersexualität nicht ergeben, so hat es kürzlich der Deutsche Ethikrat in einer Stellungnahme festgestellt. Er hat zugleich empfohlen, eine entsprechende Angabe im Personenstandsregister als „intersexuell“ zuzulassen und sogar explizit vorzusehen.

Eine besondere Form der Intersexualität liegt vor, wenn bei einem Menschen beide Keimdrüsen, also Hoden und Eierstöcke, vorhanden sind. Dann besteht Zwittrigkeit respektive Zwittertum, auch Hermaphroditismus genannt. Der Begriff leitet sich ab von den griechischen Göttern Hermes und Aphrodite und der griechischen Figur Hermaphroditos, einem Sohn von Aphrodite und Hermes, der durch die Umarmung der Nymphe Salmakis zu einem zweigeschlechtlichen Wesen wurde.

Die vollständige Doppelgeschlechtlichkeit ist sehr selten, meist besteht bei der Intersexualität Getrenntgeschlechtlichkeit, wobei das chromosomale Geschlecht und das gonadale Geschlecht nicht mit dem genitalen Geschlecht übereinstimmen. Dann liegt ein sogenannter Pseudohermaphroditismus vor, auch als Androgynität bezeichnet. Bekannt sind zwei Formen, der maskuline Typ, bei dem die Keimdrüsen männlich sind, das äußere Erscheinungsbild aber weiblich ist, und der feminine Typ, bei dem das gonadale Geschlecht weiblich ist, das äußere Erscheinungsbild aber männlich.

Das biologische Geschlecht

Der Mensch pflanzt sich bekanntlich geschlechtlich fort, was – anders als beim Zwittertum – eine Differenzierung von Geschlechtern voraussetzt. Ob ein Mensch als Junge oder Mädchen respektive als späterer Mann oder spätere Frau zur Welt kommt, hängt davon ab, wie die Geschlechtschromosomen beim Zeugungsvorgang verteilt werden.

Üblicherweise liegen in den Körperzellen des Menschen 46 Chromosomen vor. Sie bilden den sogenannten Karyotyp. Wir besitzen einen doppelten Chromosomensatz, jedes Chromosom ist in doppelter Ausprägung vorhanden. Die Zelle enthält somit 23 Chromosomenpaare, wovon 22 als Autosomen bezeichnet werden und für die Geschlechtsdifferenzierung nicht entscheidend sind. Anders ist das beim 23. Chromosomenpaar, den Geschlechtschromosomen, die die Geschlechtsdifferenzierung vorgeben. Bei zwei X-Chromosomen, ist das Geschlecht weiblich, im Falle eines X- und eines Y-Chromosoms ist es männlich.

Festgelegt werden die Verteilung der Geschlechtschromosomen und damit das Geschlecht des Kindes bei der Reifung der Keimzellen und dem späteren Zusammentreffen und der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle. Denn bei der Reifung der Keimzellen wird aus dem diploiden, also doppelten Chromosomensatz, ein haploider, also einfacher Chromosomensatz. Jede Eizelle enthält dabei jeweils ein X-Chromosom, bei der Spermienreifung resultieren aus dem ursprünglichen XY-Chromosomenpaar zwei Spermien, eines, das ein X-Chromosom, und eines, das ein Y-Chromosom trägt. Damit sind bei der Zeugung verschiedene „Konstellationen“ möglich, bei der Verschmelzung von Eizelle und Spermium können zwei X-Chromosomen aufeinandertreffen oder ein X- und ein Y-Chromosom, was dann das Geschlecht festlegt.

Soweit die Theorie. Denn es kommen auch Abweichungen vor. Diese können durch die chromosomale Zuordnung bei der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle bedingt sein oder durch inkorrekte Teilungsvorgänge im frühen Embryo.

Entwicklung der Keimdrüsen

Die Geschlechterzuordnung erfolgt prima vista über die Keimdrüsen, die sogenannten Gonaden. Paarig angelegte Hoden sind dabei kennzeichnend für das männliche, paarig angelegte Eierstöcke für das weibliche Geschlecht. Liegen beide Organe in einem Organismus vor, was nur äußerst selten der Fall ist, besteht ein echter Hermaphroditismus.

Bei Beginn der Embryonalentwicklung lassen sich die Gonaden nicht unterscheiden, sie bilden sich mit Heranwachsen des Embryos aus zunächst neutralem Gewebe. Erst ab Ende der sechsten Woche wird erkennbar, ob sich männliche oder weibliche Geschlechtsorgane ausbilden. Denn erst in diesem Entwicklungsstadium wird das sogenannte SRY-Gen auf dem Y-Chromosom abgelesen, das für die Bildung des hodendeterminierenden Faktors verantwortlich ist.Fehlt dieser Faktor – beispielsweise als Folge einer Mutation – unterbleibt die Ausbildung der Hoden und es kommt – unabhängig vom chromosomalen Geschlecht – zur Anlage weiblicher Keimdrüsen.

Die Ausbildung der äußeren Geschlechtsorgane folgt im weiteren Entwicklungsverlauf der Anlage der inneren Geschlechtsorgane, deren Differenzierung maßgeblich auch durch Sexualhormone gesteuert wird. Ebenso wie die inneren Gonaden bilden sich auch die äußeren Geschlechtsorgane aus zunächst undifferenziertem Gewebe, was erklärt, wieso ein Organismus sowohl männliche als auch weibliche Organe tragen kann.

Neben dem biologischen Geschlecht, das sich aus den vorhandenen Gonaden ergibt, kennt man auch das sogenannte „psychische Geschlecht“, ein Begriff, der das Erleben der sexuellen Identität sowie das „soziale Geschlecht“, die sexuelle Identität in der Gesellschaft, darstellt.

Formen der Intersexualität

Kommt es zu Mutationen oder Störungen der Embryonalentwicklung, kann daraus ein atypischer Chromosomensatz resultieren. Bekannt sind beispielsweise das Turner-Syndrom, das durch das Fehlen des zweiten Geschlechtssyndroms – also durch den Karyotyp 45,X0 – gekennzeichnet ist, sowie das Klinefelter-Syndrom mit doppeltem X-Chromosom – also durch den Karyotyp 47,XXY.

Daneben sind weitere Anomalien möglich wie etwa gonadale Variationen. Beschrieben ist zum Beispiel der seltene Fall eines regulären XX-Chromosomensatzes, bei dem es aus ungeklärter Ursache nicht zur Ausbildung funktionstüchtiger Eierstöcke kommt. Auch der umgekehrte Fall ist möglich, also das Fehlen funktionsfähiger Hoden trotz regulärem XY-Chromosomensatz. Es kommt in solchen Fällen zur Ausbildung sogenannter Stranggonaden. Die Betreffenden haben ein eher weibliches Aussehen und werden nach der Geburt üblicherweise als Mädchen angesehen.

Deutlich häufiger ist eine gemischte Gonadendysgenesie, wie im wissenschaftlichen Teil der Stellungnahme des Deutschen Ethikrats dargelegt wird. Bei den betreffenden Personen liegen sowohl eierstockähnliche als auch hodenähnliche Organe mit meist zugleich rudimentären Stranggonaden vor.Die anatomischen Besonderheiten haben gesundheitliche Konsequenzen, da zumeist ein deutlich erhöhtes Krebsrisiko besteht. Es gibt zwei Varianten, die gemischte Gonadendysgenesie mit regulärem Chromosomensatz oder auch mit einem sogenannten Chromosomenmosaik, ein Phänomen, bei dem der Chromosomensatz nicht in allen Körperzellen einheitlich ist.

Liegt ein Chromosomenmosaik vor, sind unterschiedliche Konstellationen möglich. Beispielsweise kann die Verteilung X0/XY vorliegen oder zum Beispiel X0/XXY oder auch XX/XY. Die konkrete Chromosomen-verteilung bestimmt dabei darüber, ob das äußere Erscheinungsbild weiblich oder männlich ist. Das bedeutet also, ob es bei der zwischengeschlechtlichen genetischen Basis eher zu einem weiblichen Phänotyp mit der Tendenz zur Vermännlichung kommt, oder zu einer männlichen Ausprägung mit der Tendenz zur Verweiblichung – etwa hinsichtlich Körperbau, Haarwuchs und Stimmlage.

Davon abgesehen gibt es Sonderformen wie das ovotestikuläre DSD, bei dem im gleichen Körper Hoden- wie auch Eierstockgewebe nachzuweisen ist. Dies kann bei einem normalen weiblichen wie auch bei einem normalen männlichen Karyotyp auftreten, ebenso ist möglich, dass es beim Chromosomenmosaik aufzufinden ist.

Anormale Androgenfunktion

Ursache der Intersexualität kann auch eine Androgenunterfunktion sein, beispielsweise als Folge einer blockierten Androgensynthese im Zwischenhirn. Dann wird das vom Zwischenhirn ausgehende Signal zur Differenzierung der Hoden und zur Produktion von Androgenen nicht adäquat umgesetzt. Auch kann ein Mangel des Enzyms Steroid-5-alpha-Reduktase, also genau des Enzyms, das die Umwandlung von Testosteron in das aktive Dihydrotestosteron katalysiert, den Androgenmangel bedingen. Dieser hat zur Folge, dass sich die Genitalien beim Mann nicht entsprechend dem männlichen Phänotyp entwickeln. Es resultiert ein weiblicher Phänotyp der Genitalien, so dass die Betreffenden üblicherweise als Mädchen angesehen und erzogen werden. Auch eine Androgeninsensitivität als Folge einer Mutation im Androgenrezeptor kann die adäquate Genitalentwicklung verhindern.

Ebenso kann die Intersexualität durch eine Androgenüberfunktion – beispielsweise bei einer angeborenen Hyperplasie der Nebennierenrinden – bedingt sein. In einem solchen Fall eines androgenitalen Syndroms (AGS) werden überproportional viele männliche Sexualhormone gebildet, was sich schon bei der Entwicklung der äußeren Geschlechtsmerkmale zeigt.

So kann eine Vergrößerung der Klitoris bis hin zu einer penisähnlichen Form resultieren oder eine hodensackähnliche Ausbildung der Schamlippen. Erfolgt keine Hormonbehandlung, kann die Situation auftreten, dass das gonadale Geschlecht nicht mit dem chromosomalen Geschlecht übereinstimmt.

Diagnostik

Festgestellt wird die Intersexualität entweder bei der Geburt des Kindes, wenn eine klare Geschlechtszuordnung als männlich oder weiblich aufgrund der Anatomie nicht möglich ist, oder aber wenn es im Verlauf der späteren Entwicklung des Kindes zu Auffälligkeiten kommt.

Fallen bei der Geburt keine Besonderheiten auf, wird nicht selten eine ärztliche Diagnostik eingefordert, wenn es bei der körperlichen Entwicklung des vermeintlichen Mädchens zum Beispiel zu starkem Bartwuchs oder zum Stimmbruch kommt oder beim vermeintlichen Jungen zu weiblichen Körperformen.

Die Feststellung des Geschlechts kann komplex sein und umfasst die Analyse des chromosomalen, des gonadalen sowie des hormonellen Status. Die Untersuchungen können zur eindeutigen Geschlechtszuordnung männlich oder weiblich führen oder bei entsprechenden Befunden zur Angabe „Intersexualität“, so heißt es in der Stellungnahme des Deutschen Ethikrats.

Das Untersuchungsergebnis ist dabei meist nicht nur von rein medizinischer Relevanz, sondern hat auch psychische und psycho-soziale Auswirkungen. Es hat möglicherweise weitreichende Implikationen, beispielsweise wenn es bei Leistungssportlern um die Geschlechtsüberprüfung geht. Die Teilnehmer von Leichtathletik-Europameisterschaften, Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen müssen sich inzwischen einer Untersuchung zur Geschlechtsfeststellung unterziehen, die zunächst als Ganzkörperuntersuchung geplant war, seit 1967 aber durch einen als weniger diskriminierend erachteten Chromosomentest möglich ist. Die potenziellen Konsequenzen zeigt der Fall der indischen Mittelstreckenläuferin Santhi Soundarajan, der ihre bei den Asienspielen in Katar im Jahr 2006 gewonnene Silbermedaille im Nachhinein aberkannt wurde, weil bei ihr ein männlicher Chromosomensatz nachgewiesen wurde.

Medizinische Behandlung

Ob eine medizinische Behandlung indiziert ist, hängt wesentlich davon ab, ob es infolge der Intersexualität zu Funktionsstörungen kommt, die ein therapeutisches Eingreifen erfordern oder in Erwägung ziehen lassen. Bereits bei der Indikationsstellung ist entsprechend der Stellungnahme des Deutschen Ethikrats zu bedenken, dass mit der Behandlung in „einen Kernbereich der Identität“ des Betreffenden eingegriffen wird. Die Indikationsstellung muss deshalb mit höchster Sorgfalt erfolgen und ist an eine entsprechende Aufklärung und Beratung der Betroffenen und gegebenenfalls deren Eltern und an die explizite, schriftliche Einwilligung zum Eingriff gebunden. Zu bedenken ist auch, dass die Eingriffe unter Umständen irreversibel sind und sich für die Betreffenden nicht selten erst nach Jahren voll auswirken. Da die DSD-Syndrome selten sind, gibt es zudem kein „Standardverfahren“ der Behandlung.

Etwas anders ist die Indikationsstellung zu bewerten, wenn Dringlichkeit für eine Behandlung gegeben ist, beispielsweise wenn durch eine hormonelle Behandlung eine schwere und unter Umständen lebensbedrohliche Störung abgewendet werden kann oder wenn zum Beispiel durch Fehlbildungen des Urogenitalsystems vitale Funktionen beeinträchtigt sind.

Eine Indikation zur Entfernung dysfunktionaler oder funktionsloser Gonaden kann entsprechend der vorliegenden Stellungnahme unter Umständen auch aufgrund eines erhöhten „Entartungsrisikos“ gegeben sein. Zu bedenken ist hierbei jedoch, dass das Krebsrisiko aufgrund der Seltenheit der Syndrome kaum valide abzuschätzen ist.

Möglicherweise wird ferner eine Indikationsstellung für das Entfernen von ganz oder teilweise funktionsfähigen Keimdrüsen des gegengeschlechtlichen Typus erwogen, um dem Betreffenden das Leben im Körper des zugeordneten Geschlechts zu erleichtern.

Diskutiert werden auch chirurgische Eingriffe, um das äußere genitale Erscheinungsbild an das chromosomale und an das gonadale Geschlecht anzupassen, ohne dass eine medizinische Notwendigkeit besteht. Die Stellungnahme des Ethikrats weist explizit darauf hin, dass derzeit keine Einigkeit darin besteht, wann der optimale Zeitpunkt für einen solchen Eingriff gegeben ist.

Da alle Maßnahmen mit einschneidenden Wirkungen auf die personale Identität und die körperliche Unversehrtheit verbunden sind, wird allgemein zur Zurückhaltung geraten, wobei stets auch zu prüfen ist, ob die Eltern im Fall des Falles in einen Eingriff mit derart weitreichenden Konsequenzen für das spätere Leben des Kindes überhaupt einwilligen dürfen. In den Empfehlungen zur medizinischen Behandlung heißt es, dass diese nur in einem speziell dafür qualifizierten, interdisziplinär zusammengesetzten Kompetenzzentrum erfolgen darf.

Gegebenenfalls muss die Entscheidung einesFamiliengerichts eingeholt werden. Das kann notwendig sein, wenn die Wünsche und Erklärungen des Kindes und der Eltern bei geplanten Maßnahmen, die die Fortpflanzungsfähigkeit und/oder sexuelle Empfindungsfähigkeit irreversibel beeinträchtigen, sich widersprechen.

Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Kölninfo@christine-vetter.de

Aus Sicht der Zahnmedizin

Intersexualität

Bereits die allgemein im Rahmen der Anmeldung als harmlos empfundene Frage nach dem Geschlecht des Patienten kann bei intersexuellen Personen oder deren Eltern zuIrritationen führen. Die typische Zuordnung zu weiblich oder männlich kann unter Umständen nicht vorgenommen werden. Im Unterschied zur Transsexualität sind bei der Intersexualität von der Entstehung des Menschen an beide Geschlechter genetisch und/oder physisch in einem Körper repräsentiert. Dabei sind verschiedene Ausprägungen, aber auch Variationen von genetischer Ausstattung und körperlichen Merkmalen möglich. Als medizinischer Oberbegriff für alle Besonderheiten der geschlechtlichen Entwicklung sollte die Diagnose „differences of sex development“ (DSD) verwendet werden. Eine frühe willkürliche Festlegung auf ein Geschlecht durch operative Maßnahmen ist in der Regel nicht indiziert und sollte den Kindern erspart bleiben. Der deutsche Ethikrat hat hierzu eindeutig Stellung bezogen und stellt die besonderen Bedürfnisse und Probleme der betroffenen Menschen in den Vordergrund, die eine differenzierte ethische und rechtliche Bewertung erfordern. Aus medizinischer Sicht ist dies nur durch multiprofessionelle, interdisziplinäre Teams und über einen langen Behandlungszeitraum zu gewährleisten.

Bei chromosomalen syndromalen Erkrankungen wie dem Ullrich-Turner-Syndrom (nur ein X-Chromosom, 45 XO, Häufigkeit 1:12 500) und dem Klinefelter-Syndrom (dreifach gepaartes Geschlechtschromosom vom Typ 47,XXY, Häufigkeit 1:590) kann es zu speziellen Fragestellungen im Kiefer-Gesichts-Bereich kommen. Beim Ullrich-Turner-Syndrom (UTS) können Missbildungen im Bereich der Ohren bestehen, ebenso wie multiple Naevi der Haut und eine Osteoporose. Dies sind Befunde, die durchaus im zahnärztlichen Setting relevant sein können.

Ist die Uneindeutigkeit des Körpergeschlechts mit einer hormonellen Störung verbunden, so können diese oder deren Behandlung ebenfalls von Bedeutung sein. Auch im Rahmen der zahnärztlichen Betreuung muss daher bei diesen Patienten aufgrund der komplexen Problematik die interdisziplinäre Absprache mit den anderen beteiligten Fachgebieten erfolgen.

Univ.-Prof. Dr. Dr. Monika DaubländerLeitende Oberärztin der Poliklinik für Zahnärztliche ChirurgieUniversitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität MainzPoliklinik für Zahnärztliche ChirurgieAugustusplatz 255131 MainzDr. Dr. Peer W. KämmererKlinik für Mund-, Kiefer- und GesichtschirurgieAugustusplatz 255131 Mainz

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