Lebensversicherungen

Der Kampf mit den niedrigen Zinsen

Sicherheit und eine gleich bleibend ordentliche Rendite – mit diesen Schlagworten gingen die Vertreter der Lebensversicherer jahrelang auf Kundenfang. Jetzt gehen ihnen die Argumente aus, denn die Zinsen bleiben niedrig und für die Branche wird die Einhaltung ihrer Versprechen zum beinahe unlösbaren Problem. Sparer sollten sich nach Alternativen umsehen.

Lars Heermann, Bereichsleiter Lebensversicherungen bei der Kölner Ratingagentur Assekurata, ist sich sicher: „In 2012 wird die laufende Verzinsung bei Kapitallebensversicherungen die Grenze von vier Prozent nach unten durchbrechen. Ich rechne mit einem Durchschnittszins von 3,9 Prozent.“ Gerade noch halten kann der Branchenprimus, die Allianz, die magischen vier Prozent. Allerdings gibt es noch einen Schnaps von 0,5 Prozent obendrauf. Der stammt aus dem Schlussüberschuss und dem Sockelbetrag für die Beteiligung an den Bewertungsreserven. Das macht 4,5 Prozent auf die Sparanteile. Bei einer Inflationsrate von derzeit 2,4 Prozent bleiben immerhin knapp zwei Prozent übrig.

Doch im Vergleich zu Tages- und Festgeld schneidet der Zins gut ab. Den meisten Sparern scheint das zu wenig für eine Geldanlage, die sie über Jahrzehnte aufbauen. Das belegt eine Studie, die die Allianz Ende Oktober 2011 veröffentlicht hat. Danach erwartet ein Viertel der Deutschen für eine Anlage über zehn Jahre mindestens fünf Prozent Rendite, ein Fünftel rechnet sogar mit sieben und mehr Prozent. Der Vorstandsvorsitzende der Allianz Leben, Maximilian Zimmerer,  dämpft die Hoffnungen für die Zukunft: „Wir müssen verstehen, dass solche Renditen der Vergangenheit angehören und sich nicht ohne Weiteres auf die Zukunft übertragen lassen.“

Dabei sehen die Zahlen der Allianz noch gut aus. Auf ihrer Homepage veröffentlicht die Assekurata nach und nach die Ergebnisse der Konkurrenten. Am unteren Ende rangiert zurzeit die Zürich Versicherung mit einem Zins von nur 3,35 Prozent für 2011. Die Württembergische liegt bei 3,5 Prozent, die Targo Leben glänzt mit 4,6 Prozent nach 4,8 Prozent in 2010. Die Tendenz ist bei allen sinkend.

Niedrige Zinsen – niedrige Rendite

Die Versicherer legen den Sparanteil der Beiträge (circa 70 Prozent) an den Kapitalmärkten an. Das meiste Geld fließt in Anleihen und Pfandbriefe, aber auch in Aktien und Immobilien. Der Gesetzgeber hat sie dazu verpflichtet, 90 Prozent der erwirtschafteten Kapitalüberschüsse ihren Versicherten gutzuschreiben. Doch da die Zinsen auf sehr niedrigem Niveau verharren und eine Änderung nicht in Sicht ist, können sie nur entsprechend niedrige Renditen erwirtschaften. So fiel das Zinsniveau zehnjähriger Bundesanleihen von Anfang 2011 bis November 2011 von 2,9 auf 1,8 Prozent. Die Eurokrise und die damit verbundenen schlechten Wirtschaftsaussichten werden die Erträge auf diesem Niveau halten.

Noch profitiert die Branche von den Altanlagen wie zum Beispiel sehr gut dotierte Unternehmensanleihen aus den Achtziger- und Neunzigerjahren. Zunehmend sehen sich die Gesellschaften aber auch gezwungen, mehr Kapital in risikoreichere Anlagen wie zum Beispiel Anleihen aus Schwellenländern zu investieren. Den Teil, der in Aktien investiert ist, halten die Versicherer mit durchschnittlich fünf Prozent ziemlich klein. 35 Prozent erlaubt der Gesetzgeber. Mit den Anleihen aus den PIIGS-Staaten Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien hat man bekanntermaßen zum Teil schlechte Erfahrungen gemacht. Wobei die Versicherer sowieso nur wenig Griechen-Papiere gehalten haben.

Probleme kann es geben, wenn Italiener und Spanier ihre Bonität nicht verbessern können. „Insgesamt“, so schätzt Heermann, „halten die Gesellschaften durchschnittlich rund acht bis neun Prozent Investment in PIIGS-Papieren. Der Anteil von Spanien und Italien dürfte bei drei bis vier Prozent liegen.“ Insgesamt dürften sich die Schwierigkeiten bei der Erwirtschaftung ordentlicher Renditen noch verschärfen. Dabei müssen die Versicherer einen durchschnittlichen Garantiezins von 3,3 Prozent bedienen. Denn es gibt noch viele Altverträge, die mit einem Garantiezins von vier Prozent ausgestattet sind. Wenn es nicht anders geht, wird es Zwei-Klassen-Versicherte geben. Dann bekommen die „Alten“ ihre vier Prozent und die „Jungen“ mit neuen Verträgen und den niedrigen Garantiezinsen eben das, was übrig bleibt. So weit will man es zwar nicht kommen lassen, doch unwahrscheinlich scheint das nicht. Wer erst jetzt einen Vertrag abschließen will, muss sich mit garantierten 1,75 Prozent zufriedengeben.

Versicherte stärken

Auch die Verbraucherschützer beobachten diese Entwicklung misstrauisch. Sie verlangen schon länger eine stärkere Beteiligung der Versicherten an den Fleischtöpfen der Assekuranz. Lars Gaschke, Versicherungsspezialist beim Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin, fordert: „Die zentrale Frage ist, ob die Lebensversicherer nicht ihre Kosten senken wollen. Außerdem fordern wir die 90-prozentige Beteiligung der Versicherten an allen Erträgen nicht nur an denen aus Kapital.“ Dazu gehören zum Beispiel die Erträge aus dem Risikoschutz. Die steigen, wenn zum Beispiel weniger Kunden vor Vertragsende sterben, sodass weniger Todesfallleistungen ausgezahlt werden müssen. Fallen auch die Verwaltungskosten niedriger aus als geplant, gibt es auch hierbei Überschüsse zu verteilen. Bisher bekommen die Versicherten neben den 90 Prozent aus Kapitalerträgen 75 Prozent aus dem Risikoschutz und 50 Prozent aus den sonstigen Erträgen. Die Verbraucherschützer wollen von allem 90 Prozent.

Natürlich ist sich auch Gaschke bewusst, dass diese Forderungen und die von der EU verlangte bessere Hinterlegung von Risiken mit Eigenkapital in Verbindung mit den niedrigen Zinsen nur schwer zu bewältigen sind. Die in der Diskussion befindliche EU-Richtlinie Solvency II soll die Höhe des Eigenkapitals bestimmen. Je riskanter die Geschäfte der Versicherer werden, desto mehr Eigenkapital müssen sie vorhalten. Die Richtlinie soll verhindern, dass Lebensversicherer pleitegehen können und die Kunden ihr Erspartes verlieren. Mit den hohen Garantieversprechen in der Vergangenheit haben die Versicherer den jetzigen Druck zum Teil selbst produziert. Sie sind gezwungen, höhere Risiken einzugehen und entsprechend hohes Eigenkapital zu beschaffen.

Die Absicherung mit Eigenkapital würde allerdings auch die gesetzliche Vorgabe von Ratingnoten für die Auswahl der Produkte überflüssig machen, und die Ratingagenturen würden an Einfluss verlieren. Auch wenn die Assekuranz-Branche zurzeit mit einigen Widrigkeiten zu kämpfen hat, können sich die Versicherten ziemlich sicher fühlen.

Dafür sorgt schon die Bafin. Auf Geheiß der staatlichen Aufsichtsbehörde unterziehen sich die Unternehmen regelmäßig Stresstests. So können sie nachweisen, dass sie auch in einer verschärften Krise oder bei anhaltend niedrigen Zinsen noch zahlungsfähig sind.

Mit den schlechten Bedingungen am Kapitalmarkt kämpfen auch die berufsständischen Versorgungswerke. Hinzu kommt – und das ist nicht neu – die steigende Lebenserwartung. Inzwischen zahlen alle Versorgungswerke die volle Rente bei Erreichen des 67. Lebensjahres. Wer will, kann früher aussteigen, allerdings mit Abschlägen.

Sichere Renten bei Versorgungswerken

Insgesamt stehen die Versorgungswerke gut da. Wolfgang Prange, Leiter der Abteilung Beitrags- und Leistungsabteilung beim Versorgungswerk Zahnärzte Nordrhein sagt: „Bei uns hat sich nichts geändert. Es bleibt vorerst bei einem Rechnungszins von vier Prozent. Wir freuen uns, dass wir das bisher stabil halten konnten.“ Sein Kollege Thomas Mertens, Leiter der Darlehens- und Wertpapierabteilung, erläutert die vorsichtige Anlagepolitik: „Das Kapital ist zum größten Teil in lang laufende Schuldschein- und Hypothekendarlehen sowie in Grundbesitz investiert. Unsere Aktienquote innerhalb unseres Masterfonds, in dem wir unsere Wertpapierbestände zusammenfassen, beträgt weniger als zwei Prozent unseres Gesamtvermögens. Deshalb erwarten wir, die vier Prozent Nettoverzinsung noch länger halten zu können. Ich sehe unser Haus gut bestellt, sofern das jetzige Finanzsystem bestehen bleibt.“

Wie im Bereich der Zahnärztekammer Nordrhein gelten die Versorgungswerke allgemein als sicher. Die Zahnärzte können sich auf den Bezug der Rente als verlässliche Basis für ihr Alterseinkommen verlassen. Viele von ihnen haben über Jahre eine Lebensversicherung als Ergänzung angespart. Wer noch über einen alten Vertrag mit hohem Garantiezins verfügt, sollte ihn auf jeden Fall behalten und weiter ansparen.

Eine Kündigung oder ein Verkauf erweisen sich meistens als Verlustgeschäft. Allerdings kann es sich lohnen, den Vertrag zu überprüfen und so überflüssige Kosten zu streichen. Einsparen lässt sich zum Beispiel der überflüssige Unfall-Todeszusatz. Er schmälert die Rendite und die Angehörigen benötigen nicht mehr Geld, wenn der Versicherte durch einen Unfall statt durch Krankheit stirbt. Auch die Umstellung von vierteljährlicher auf jährliche Beitragszahlung hilft sparen.

Angesichts der jetzigen Marktbedingungen macht es wenig Sinn, einen neuen Vertrag abzuschließen. Das Geld liegt über Jahrzehnte fest und die Renditen sinken. Da kann es sich eher lohnen, die Beiträge für das Versorgungswerk aufzustocken und so die Rente zu erhöhen. Das ist jedenfalls die Empfehlung von Michael Jung, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Berufsständischer Versorgungswerke in Berlin: „Das rechnet sich auch im Vergleich zur Rürup-Rente. Außerdem ziehen wir von den Beiträgen keine Ausgaben für die Werbung ab.“

Sparen ohne Abzüge versprechen zum Beispiel Anlagen in Banksparbriefe. Sie rentieren zurzeit mit bis zu 3,56 Euro bei der Vakif Bank bei einer Anlage von 10 000 Euro für zwei Jahre. Allerdings ist das Geld nur durch die europäische Einlagensicherung bis 100 000 Euro geschützt. Höher sollte die Anlagesumme nicht sein. Die ABC-Bank (deutsche Einlagensicherung) bietet zu den gleichen Bedingungen 3,25 Prozent. Eine langfristige Anlage ist derzeit nicht zu empfehlen. Die Zinsen könnten ja auch wieder steigen.

Marlene EndruweitWirtschafts-Fachjournalistinm.endruweit@netcologne.de

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