Transfusionsmedizin

Streit um Blutkonserven

Transfusionsmediziner warnen vor einem Paradigmenwechsel im Blutspendewesen. Um Kosten zu sparen übten Krankenkassen zunehmend Druck auf Krankenhäuser aus, Thrombozytenkonzentrate zu verwenden, die von mehreren Spendern stammen und deshalb ein höheres Infektionsrisiko bergen würden, so die Ärzte. Aus Sicht der Kostenträger lässt sich dieser Vorwurf wissenschaftlich nicht bestätigen.

80 Prozent aller Deutschen erhalten mindestens einmal in ihrem Leben Blut, Blutplasma oder Medikamente, die aus Blutprodukten hergestellt sind. Täglich werden hierzulande etwa 15 000 Blutspenden benötigt. Die Vollblutspende ist die häufigste Form der Blutspende. Dabei lassen sich – quasi als Nebenprodukt – Thrombozyten, also Blutplättchen, gewinnen. Daneben gibt es die etwas aufwendigere Möglichkeit einer direkten Thrombozytenspende, indem dem Spender ein Teil seiner Blutplättchen mit etwas Blutplasma abgezogen wird.

In Deutschland erhalten Patienten überwiegend Blutplättchenpräparate, die von nur einem Spender stammen, so genannte Apherese-Thrombozyten-Konzentraten (ATK). Nur in rund 30 Prozent aller Fälle greifen die Ärzte auf gepoolte Produkte zurück, die aus vier bis fünf Vollblutspenden gewonnen werden.

Das hat, aus Sicht des Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Ärzte staatlich kommunaler Blutspendedienste (StKB), Professor Dr. med. Walter Hitzler, auch seine Berechtigung. Denn das Risiko, dass infektiöse Erreger wie das HI-Virus oder Hepatitis-Viren übertragen werden, sei bei Poolspenden vier bis fünfmal so hoch wie bei den Einzelspenden. Hitzler beruft sich dabei auf Studien aus den USA und ein aktuelles Gutachten im Auftrag des Bundesverbandes der Transfusionsmediziner. Die Grundsätze der Infektionsprophylaxe und -vermeidung verlangten zudem, die Spenderzahl für den Transfusionsempfänger so klein wie möglich zu halten.

Pool-Konzentrate kostengünstiger

Den Leiter der Transfusionszentrale am Mainzer Universitätsklinikum ärgert daher, dass einige Krankenkassen insbesondere kleinere Krankenhäuser immer häufiger dazu zwingen würden, die kostengünstigeren, aber unsichereren Pool-Konzentrate zu verwenden. Ein Pool-Präparat können die Kliniken mit rund 250 Euro abrechnen. Für ein ATK bekommen sie von den Kassen im Schnitt 480 Euro.

„Die Erfahrungen in den letzten fünf Jahrzehnten unter anderem mit transfusionsbedingten Hepatitis-B- und -C-Übertragungen in den 70er und 80er Jahren sowie mit der HIV-Epidemie in der 80er Jahren sind Beispiele für einen dramatischen und unerwarteten Einbruch von bis zum damaligen Zeitpunkt unbekannten Erregern in die menschliche Blutversorgung“, erinnert Hitzler. Wer diese Erfahrungen missachte, nehme vermeidbare Infektionsrisiken für transfusionsbedürftige Patienten billigend in Kauf, kritisiert der Arzt.

Zwar bestünde derzeit keine akute Gefahr, so Hitzler. Ihm gehe es aber darum, eine „stille Durchseuchung“ der Bevölkerung vor allem mit neuen oder unbekannten Erregern zu vermeiden, die mitunter jahrelang im Körper schlummern könnten, bevor es zum Ausbruch kommt. Die StKB, die ihre Einrichtungen fast ausschließlich mit Einzelspenderthrombozyten-Konzentraten versorgt, fordert daher, dass die Krankenkassen ATK als Standardpräparat erstatten sollen. Auch sollten Patienten vor einer Blutspende über die unterschiedlichen Infektionsrisiken der Präparate aufgeklärt werden. Bislang sei die nicht vorgeschrieben, so Hitzler.

Keine schwerwiegenden Infektionen

In den zurückliegenden Jahren hat es nach Aussage des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) durch Blutübertragungen keine schwerwiegenden Infektionen in nennenswerter Zahl gegeben. So gab es zwischen 1997 und 2009 189 Meldungen zu transfusionsbedingten bakteriellen Infektionen. Die Meldungen gelten dabei sowohl für Einzelspenden als auch für Pool-Konzentrate. Die Häufigkeit von viralen Infektionen mit Hepatitis-B- und -C sowie dem HI-Virus ist nach Angaben des PEI seit Einführung eines speziellen Screenings im Frühjahr 1999 stark rückläufig.

Deshalb kann man dort die ganze Aufregung auch nicht verstehen. „Aus unserer Sicht sind die Präparate absolut vergleichbar“, so die Sprecherin des PEI, Dr. rer. nat. Susanne Stöcker. Bei beiden Arten von Konzentraten sei ein gewisses Restrisiko grundsätzlich nicht auszuschließen. Gepoolte Blutspenden würden aufgrund der höheren Spenderzahl ein gewisses Infektionsrisiko bergen. Bei den Einzelspender-Konzentraten sei dagegen das diagnostische Fenster größer.

Die Krankenkassen sehen derzeit keine Veranlassung, Poolkonzentrate nicht mehr zu erstatten – im Gegenteil. „In der aktuellen Versorgung kann auf keines der beiden Produkte verzichtet werden“, macht Dr. med. Karl-Heinz Beck, Autor eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg deutlich. Die Präferenz für die Pool-Konzentrate begründen die Kostenträger zudem mit einem Urteil des Sozialgerichts Saarbrückens, wonach Krankenhäuser grundsätzlich die preiswerteren Pool-Konzentrate vorhalten müssen. ATK dürfen dem Urteil zufolge nur dann gegenüber den Krankenkassen abgerechnet werden, wenn deren Gabe medizinisch zwingend erforderlich ist.

Dies ist nach Aussage von Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, nur bei ganz wenigen Indikationen, wie dem Vorliegen einer HLA- beziehungsweise HPA-Sensibilisierung, die zur Bildung von Antikörpern im Blut führen, erforderlich. Das Einsetzen wirtschaftlicher Präparate soweit es die medizinische Indikation zulässt, sei ferner eine gesetzliche Verpflichtung, erklärt Lanz mit Verweis auf das Wirtschaftlichkeitsgebot.

Petra SpielbergAltmünsterstraße 165201 Wiesbaden

 

INFO

Blutspendedienste

Neben den staatlich-kommunalen Blutspendediensten, die in öffentlich-rechtliche Krankenhäuser integriert sind, gehören zum deutschen Blutspendewesen das Deutsche Rote Kreuz, private Blutspendedienste sowie der Blutspendedienst der Bundeswehr.

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