Vertragsärzte als Beauftragte

Warten auf das Urteil

Die höchstrichterliche Neubewertung strafbaren Verhaltens von Vertragsärzten rückt näher: Der Bundesgerichtshof muss die Frage klären, ob Ärzte juristisch als „Beauftragte im Geschäftsverkehr“ anzusehen sind. Damit wäre die Freiberuflichkeit von Medizinern erheblich eingeschränkt. Zudem hätte dies strafrechtlich relevante Konsequenzen: Ärzte wären bei wirtschaftlichem Fehlverhalten juristisch einfacher zu belangen.

Immer wieder berichten Medien über Strafverfahren gegen Ärzte, denen vorgeworfen wird, sie hätten sich unkorrekt verhalten, indem sie sich etwa haben bestechen lassen – „Herzklappen-Skandal“ oder alternierend „Globudent-Skandal“ lassen grüßen. Manche dieser Verfahren zogen sich über Jahre hin. So ist auch ein schwebendes Strafverfahren gegen zwei Vertragsärzte in Braunschweig noch immer nicht abgeschlossen, dessen höchstrichterliches Urteil mit Spannung erwartet wird. Der Vorwurf: Die Mediziner stehen unter Korruptionsverdacht, weil sie von einem Apotheker einen größeren Geldbetrag zur Finanzierung des Umbaus ihrer Praxis erhalten hatten. Als Gegenleistung sollen sie den Geldgeber bei der Abgabe hochpreisiger Medikamente an Patienten bevorzugt haben.

In der Sache geht es um die Frage, ob derart „subventionierte“ Vertragsärzte, denen Bestechlichkeit zum Vorwurf gemacht wird, strafrechtlich als „Beauftragte im geschäftlichen Verkehr“ (beispielsweise einer Krankenkasse) anzusehen sind. Hintergrund ist, dass Bestechung als Fehlverhalten durch § 299 StGB des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption (§ 299 StGB) vom 13.08.1997 als Straftatbestand eingeführt worden ist. Bei Verletzung der sich daraus ergebenden Pflichten droht Ärzten im Falle einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

Klärung zu Amtsträgern und Beauftragten

Zu klären ist ferner, ob ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsauftrag einer Krankenkasse, der auf die Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung der Versicherten gerichtet ist, als „geschäftliche“ Auftragstätigkeit interpretiert wird und ob die dafür notwendige Tätigkeit von frei praktizierenden Ärzten als eine von geschäftlich eingebundenen „Auftragnehmern“ angesehen wird.

Das Landgericht (LG) Braunschweig hat im oben genannten Verfahren den Vorwurf der Bestechlichkeit als nicht bewiesen angesehen, wogegen die Staatsanwaltschaft Beschwerde einlegte. Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig hob das vorinstanzliche Urteil zwar nicht auf. Allerdings erklärte es, ein wegen Korruptionsverdacht angeklagter Vertragsarzt könnte – im Gegensatz zur Meinung des LG – durchaus als „Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes“ angesehen und in dieser Eigenschaft wegen Bestechung beziehungsweise Bestechlichkeit nach § 299 StGB schuldig geworden sein.

Das OLG Braunschweig hätte die Ärzte in dem geschildertem Verfahren auch nach § 11 StGB als „Amtsträger“ ansehen und wegen Vorteilsannahme oder Bestechlichkeit bei der Erfüllung einer „Aufgabe der öffentlichen Verwaltung“ (§§ 331, 332 StGB) anklagen können. Das ist in diesem Falle zwar nicht geschehen, aber andere Gerichte haben in ähnlichen Verfahren, die „Amtsträgereigenschaft“ von Vertragsärzten bereits bejaht.

In nächster Zeit ist nun mit einer Klärung durch den Großen Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) zu rechnen, denn er ist im Mai 2011 vom 3. Strafsenat des BGH in einem Parallelverfahren, das dem Fall in Braunschweig ähnlich ist, angerufen worden. In seinem Abgabebeschluss hatte der 3. Strafsenat die Auffassung vertreten, Vertragsärzte seien in Fällen von Bestechung respektive Bestechlichkeit nach § 332 StGB als „Amtsträger“ anzusehen. Richtet man sich im Großen Senat danach, dann wäre die Konsequenz daraus, die ärztliche Tätigkeit als „Dienstausübung“ aufzufassen.

Freiberuflichkeit als Grundrecht

Demgegenüber steht, dass der Zugang zum (Zahn-)Arztberuf und zur vertrags-(zahn-)ärztlichen Tätigkeit durch das in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Grundrecht der Berufsfreiheit auch vor staatlichen Beschränkungen geschützt ist. Hier knüpfen auch die Heilberufsgesetze und die Berufsordnungen der (Zahn-)Ärztekammern an. Deshalb sind alle gesetzlichen Regelungen problematisch, die auf eine Begrenzung der ärztlichen Berufsfreiheit hinauslaufen und sich auch nicht im Rahmen der Verhältnismäßigkeit bewegen. Es ist zu fragen, wie man formal am Begriff des „freien Berufs“ festzuhalten versuchen, gleichzeitig aber rechtliche Bindungen schaffen kann, wie sie den öffentlichen Dienst kennzeichnen? Wird dadurch nicht die höchstpersönliche und selbstständige Tätigkeit des Arztes mit spezifisch eigenschöpferischer Gestaltungskraft beseitigt und dieser zum „Funktionär einer verteilenden Instanz “ eingestuft, wie der Jurist Prof. Dr. jur. Adolf Laufs formulierte?

Noch aber ist das letzte   Wort nicht gesprochen,   zumal die Landgerichte   Hamburg und Verden in  ähnlich gelagerten Fällen überzeugend begründet haben, dass bei keinem der dort Beklagten von einer „Amtsträgereigenschaft“ auszugehen ist. Dazu fehle es bereits formal an ihrer öffentlich-rechtlichen Bestellung als „Amtsperson“, wie das bei behördlich angestellten oder beamteten „Amtsärzten“ der Fall ist. Nicht nur das OLG Braunschweig, sondern auch Berufungsgerichte in Ulm, Mannheim, Hamburg und Verden warten auf die höchstrichterliche Entscheidung, denn auch sie haben in dieser Kernfrage unterschiedliche Ansichten vertreten.

Alfred Bossmann

ehemals Hauptgeschäftsführer KV Niedersachsen

30966 Hemmingen

Am Ricklinger Holze 54

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