Tübinger Universitätsklinikum

Erstes deutsches Zentrum für Kopf-Hals-Tumoren zertifiziert

Heftarchiv Zahnmedizin
sp
Anfang Dezember letzten Jahres erhielt das Tübinger Zentrum für Kopf-Hals-Tumoren (ZKHT) als erstes Zentrum in Deutschland die Zertifizierungsurkunde. Zuvor konnte das Erstaudit durch OnkoZert – ein unabhängiges Institut, das im Auftrag der Deutschen Krebsgesellschaft das Zertifizierungssystem zur Überprüfung von Organkrebs- und Onkologischen Zentren gemäß den entsprechenden fachlichen Anforderungen betreut – erfolgreich abgeschlossen werden. Die Zertifizierung wurde ohne Auflagen ausgesprochen. Hier Näheres zu Struktur und Zielen des Projekts.

Siegmar Reinert, Constanze Keutel, Sebastian Hoefert

Bereits im September 2008 war unter dem Dach des Südwestdeutschen Tumorzentrums (Comprehensive Cancer Center, CCC Tübingen) des Universitätsklinikums das Zentrum für Kopf-Hals-Tumoren gegründet worden. Tragende Abteilungen sind neben der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie die Hals-Nasen-Ohrenklinik, die Klinik für Radioonkologie, das Institut für Pathologie, die Klinik für Hämatoonkologie und die Abteilungen für diagnostische und interventionelle Radiologie, für Neuroradiologie und für Nuklearmedizin.

Im Rahmen einer solchen Zertifizierung wird in der Regel die Erfüllung bestimmter Anforderungen an die Struktur des Netzwerks, die interdisziplinäre Zusammenarbeit, die Kooperation mit den Einweisern und die Nachsorge, die Psychoonkologie, die Sozialarbeit und Rehabilitation, die Patientenbeteiligung, das Studienmanagement, die Pflege und allgemeine Versorgungsbereiche (Apotheke, Ernährungsberatung, Logopädie und mehr) geprüft.

Interdisziplinäre Aufgaben

Das Zentrum für Kopf-Hals-Tumoren ist für die Umsetzung einheitlicher Qualitätsstandards in der Diagnostik und Therapie von Kopf-Hals-Tumoren verantwortlich. In diesem Zusammenhang sind die prätherapeutische und postinterventionelle Vorstellung aller Patienten im wöchentlich stattfindenden interdisziplinären Kopf-  Hals-Tumorboard und die   transparente, zeitnahe Dokumentation wichtige Elemente. Alle Tumorentitäten des Kopf-Hals-Bereichs können als Erstdiagnosen, Tumorrezidive oder Fernmetastasen im Tumorboard vorgestellt werden. Ferner können auf diesem Wege Zweitmeinungen eingeholt werden.

Seltenere Tumoren mit anderer pathohistologischer Differenzierung, wie solide mesenchymale Tumoren oder Lymphome, die eine erweiterte Behandlung mit anderen Fachdisziplinen – zum Beispiel der Hämatoonkologie – erfordern, werden vom ZKHT den Tumorboards am CCC Tübingen gemeldet.

In allen Tumorboards des CCC muss die radiologische Bildgebung in elektronischer Form zur Tumorkonferenz vorliegen. Die im Universitätsklinikum Tübingen erstellten bildgebenden Untersuchungen können dabei über das klinikinterne EDV-System abgerufen werden, Fremdbilder müssen vorab eingelesen werden.

Kooperationen mit Selbsthilfegruppen

Für die Gesamtbehandlung ist darüber hinaus die schmerztherapeutische, psychoonkologische, pflegerische und soziale Betreuung der Patienten von großer Bedeutung, was durch eine enge Zusammenarbeit mit Psychoonkologie, Physiotherapie, Logopädie, Sozialdienst, Pflegediensten, kirchlichen Diensten, Stomadiensten, Hospizen und Selbsthilfegruppen unterstützt wird. So konnte Anfang dieses Jahres unter dem Dach des CCC Tübingen eine palliative onkologische Station eröffnet werden, die die umfassende Versorgung onkologischer Patienten weiter verbessern wird (Abbildung). Ebenso wurden Kooperationen mit den Selbsthilfegruppen, unter anderem dem Kehlkopflosen-Verband und dem Bundesselbsthilfeverein für Hals,- Kopf- und Gesichtsversehrte (TULPE), verwirklicht.

Basis für weitere wissenschaftliche Studien

Auf wissenschaftlicher Ebene soll durch das ZKHT die Initiierung und Durchführung klinischer Studien gefördert werden.

Im Jahr 2011 wurden im Zentrum für Kopf-Hals-Tumoren bereits mehr als 350 Primärfälle behandelt. Insgesamt fanden 100 Tumorboards statt, bei denen etwa 1 000 Patienten beraten wurden.

Jedes Jahr erkranken weltweit etwa 500 000 Menschen an bösartigen epithelialen Tumoren im Kopf-Hals-Bereich. In den Niederlanden wurden 1989 bis 1995 zehn Prozent aller Tumoren im Kopf-Hals-Gebiet beobachtet. Die geschätzte altersstandardisierte Inzidenz von Malignomen im Kopf-Hals- Bereich lag in Deutschland bei 24,5 auf 100  000 Männer und somit bei 6,3 Prozent aller jährlichen Krebsneuerkrankungen. Dies entsprach einer jährlichen Krebs-Mortalität von fünf Prozent. Die Neuerkrankungsrate bei Frauen beträgt 2,1 Prozent bei einer Krebs-Mortalität von 1,3 Prozent. In der amtlichen Mortalität von 1998 lag der prozentuale Anteil von Zungenneoplasien bei Frauen bei 19,3 Prozent, bei Männern bei 12,9 Prozent. Mundhöhlenneoplasien wurden bei Männern in 14,3 Prozent und bei Frauen in 15,7 Prozent der Fälle genannt.

Das mittlere Erkrankungsalter für Neoplasien von Mund und Rachen beträgt bei Männern 58 Jahre, bei Frauen 63 Jahre. Zusammengefasst erkranken in Deutschland im Jahr etwa 9 500 Männer und 3 500 Frauen an bösartigen Tumoren der Mundhöhle und des Rachens.

Prognose und Lebensqualität

Das wichtigste Standbein der Therapie von Kopf-Hals-Tumoren ist immer noch die chirurgische Intervention, ergänzt durch eine Radio- und Chemotherapie. In die Entscheidungsfindung gehen jedoch nicht nur die Erfolgsaussichten bezüglich des Überlebens, sondern zunehmend auch die Erfahrungen bezüglich der Lebensqualität mit ein. In den Fallbesprechungen des interdisziplinären Tumorboards können diese Fragen in idealer Weise durch die Vertreter aller therapeutischen Disziplinen erörtert werden. Die postinterventionelle Vorstellung der Patienten dieser interdisziplinären Besprechungstermine ermöglicht eine zeitnahe Rückkopplung und eine gemeinsame Entscheidung über adjuvante Therapieverfahren. Mehrfachvorstellungen der Patienten sind hierbei erwünscht.

Die bislang bereits straff strukturierte Nachsorge der Tumorpatienten wurde im Zuge der Etablierung des Kopf-Hals-Tumorzentrums noch stringenter organisiert, so dass mehr Patienten vom gleichen ärztlichen Team gesehen werden können.

Die Zertifizierung des Tübinger Zentrums für Kopf-Hals-Tumoren dokumentiert die Erfüllung der geforderten Auflagen der Deutschen Krebsgesellschaft, ist jedoch zugleich Verpflichtung für das im Jahr 2012 vorgesehene Reaudit im Sinne einer stetigen Verbesserung der Behandlungsqualität der dem Klinikum anvertrauten Patienten.

Prof. Dr. Dr. Siegmar Reinert

Dr. Dr. Constanze Keutel

Dr. Sebastian Hoefert

Klinik und Poliklinik für MKG-Chirurgie Universitätsklinikum Tübingen

Osianderstr. 2-8

72076 Tübingen

constanze.keutel@med.uni-tuebingen.de

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.