Osteolyse im Tuberbereich

Residualzyste nach Weisheitszahnentfernung

Heftarchiv Zahnmedizin
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Daria Pakosch, Martin Kunkel

Eine 16 Jahre alte Patientin stellte sich mit einer Druckdolenz vestibulär der regio 27 bis 28 vor, nachdem vor fünf Jahren der Zahn 28 operativ entfernt worden war. Bei der intraoralen Untersuchung zeigte sich die betroffene Region klinisch unauffällig. Insbesondere waren keine Schwellung oder Entzündungszeichen erkennbar. Auch die Mundschleimhaut zeigte keine Auffälligkeiten. Die Zähne waren in einem sehr guten Pflegezustand, nicht perkussionsempfindlich und reagierten auf Kälteprovokation sensibel. Im Orthopantomogramm (Abbildung 1) zeigte sich eine nach anterior glatt begrenzte Verschattung im dorsalen Abschnitt der linken Kieferhöhle. In der erweiterten Bildgebung mittels digitaler Volumentomografie (Abbildung 2) stellte sich nun eine ausgedehnte zystische Struktur dar, die ausgehend von regio 28 weit in den Sinus maxillaris hineinreichte. Der angrenzende Zahn 27 zeigte keine Zeichen einer Resorption. Daher war von einer Residualzyste fünf Jahre nach Weisheitszahnentfernung auszugehen.

Therapeutisch erfolgte eine Zystektomie, wobei sich der Zystenbalg deutlich verdickt und fibrosiert zeigte (Abbildung 3). Histologisch ergab sich abschließend eine stark fibrosierte Zyste mit einer schweren chronisch-granulierenden und gering floriden Entzündungsreaktion in der Zystenwand.

Diskussion

Die Diskussion um die von retinierten Zähnen, insbesondere Weisheitszähnen, ausgehenden Pathologien beschäftigt die orale Medizin bereits seit Jahrzehnten. Die Häufigkeit und die Relevanz pathologischer Veränderungen sind dabei nicht allein von akademischem Interesse, sondern haben konkrete Bedeutung für die Indikationsstellung zur Weisheitszahnentfernung. Zudem hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass auch bei klinisch und radiologisch symptomlosen Weisheitszähnen zu einem überraschend hohen Anteil (20 bis 60 Prozent) pathologische Veränderungen im perikoronaren Gewebe gefunden werden [Baycul et al., 2005; Semsek-Kaya et al., 2011; Yildirim et al., 2008]. Aus diesen Gründen erscheint die klassische Trennung zwischen einer prophylaktischen (fehlende klinische beziehungsweise radiologische Symptomatik) und einer therapeutischen (manifeste Symptomatik) Weisheitszahnentfernung nicht mehr gerechtfertigt.

Neben dieser grundsätzlichen Diskussion ist auch die Abgrenzung zwischen dem „noch normalen“ Zahnfollikel und der follikulären Zyste ein nach wie vor ungelöstes Problem, so dass klinisch in der Regel nach persönlichen Erfahrungswerten (Ausdehnung, Wandstärke des Follikels oder Zystenbalgs) verfahren wird. Tatsächlich deuten Analysen der Expression Apoptose-assoziierter Faktoren aber darauf hin, dass es qualitative Unterschiede zwischen normalem Follikelgewebe und dem Ursprungsgewebe späterer Zysten zu geben scheint [Edamatsu et al., 2005].

Insgesamt sind Residualzysten, vor allem in der hier beschriebenen Ausdehnung, zwar eher selten, sie machen in großen Querschnittsstudien aber doch einen Anteil von in der Regel zwischen fünf und 13 Prozent aller odontogenen Zysten aus [Acikgöz et al., 2012]. Interessant ist, dass die Häufigkeit von Residualzysten gerade in der Weisheitszahnregion mit rund einem Prozent deutlich niedriger liegt als beispielsweise in der Unterkiefer-Front [Sharifian und Khalili, 2011]. Insofern muss davon ausgegangen werden, dass die bewusste Entfernung zystischer Veränderungen gerade bei der operativen Weisheitszahnentfernung nicht etwa zu häufig durchgeführt wird, sondern dass dadurch die häufigen Pathologien offensichtlich adäquat beseitigt werden.

Für die zahnärztliche Praxis soll dieser Fall auf die Problematik der Weisheitszahn-assoziierten Pathologien aufmerksam machen und auf die Bedeutung einer sorgfältigen Entfernung des perikoronaren Gewebes bei der operativen Zahnentfernung hinweisen.

Daria Pakosch

Prof. Dr. Dr. Martin Kunkel

Klinik für Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie

Ruhr-Universität Bochum

Knappschaftskrankenhaus Bochum-Langendreer

In der Schornau 23-25

44892 Bochum

daria.pakosch@rub.de

martin.kunkel@ruhr-uni-bochum.de

Fazit für die Praxis

• Residualzysten sind, verglichen mit radikulären oder follikulären Zysten, insgesamt selten, können aber noch viele Jahre nach einer Zahnentfernung klinisch auffällig werden.

• Die klinische Unterscheidung zwischen einem „noch normalen“ Zahnfollikel und einer follikulären Zyste ist nicht sicher möglich.

• Bei Unsicherheit sollten daher immer eine vollständige Entfernung und eine histologische Untersuchung erfolgen.

• Die vergleichsweise geringe Häufigkeit von Residualzysten nach Weisheitszahnentfernung deutet darauf hin, dass die sorgfältige operative Entfernung des perikoronaren Gewebes einer Zystenbildung vorbeugt.

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