Gesundheitspolitik

Trügerische Überschüsse

Spürbar Vor-Wahlkampfstimmung herrschte auf der 17. Handelsblatt-Jahrestagung „Health“ am 26./27. November in Berlin. Während das Regierungslager die eingeschlagenen Wege in der Gesundheitspolitik verteidigte, übten Oppositionsvertreter massiv Kritik . Einig war man sich aber darüber, dass die aktuellen Mehreinnahmen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht für kurzfristige Ausgaben taugen.

Die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Annette Widmann-Mauz (CDU) zog auf dem Symposium erwartungsgemäß eine positive Bilanz der Regierungsarbeit im Gesundheitsbereich. Während Ihre Vorgesetzte, Bundeskanzlerin Angelika Merkel, wenige Tage zuvor die christlich-liberale Koalition als „die beste Regierung der Nachkriegsgeschichte“ bezeichnet hatte, ließ auch Widmann-Mauz keinen Zweifel daran, dass es für sie CDU und FDP waren, die das deutsche Gesundheitssystem in den letzten Jahren stabilisiert hätten.

Die finanzielle Absicherung des Systems durch das GKV-Finanzierungsgesetz oder die Begrenzung der Ausgabendynamik durch das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) hätten wesentlich dazu beigetragen, dass das Gesundheitssystem finanziell gut dastehe. „Erstmals seit 20 Jahren haben wir wieder Rücklagen im System“, so Widmann-Mauz. Mit den Mehreinnahmen aber müsse man behutsam umgehen, da man sie später noch brauche. Daher lautete ihre Forderung: „Keine Beitragssenkungen, keine Ausweitung des GKV-Leistungskatalogs.“

Krankenhaussektor reformbedürftig

Als Baustellen, an denen (weiter)gearbeitet werden müsse, um den Gesundheitsbereich zukunftsfest zu machen, nannte sie unter anderem den Krankenhaussektor, die Sicherung der Fachkräfte im Gesundheitswesen, hier vor allem der Pflegeberufe, die Ausweitung der gesundheitlichen Vorsorge und die Transparenz über die Qualität medizinischer Leistungen. Die Patienten seien kritischer geworden und hinterfragten zunehmend die Art und auch die Qualität von Behandlungen. Das Patientenrechtegesetz, das die Regierung auf den Weg gebracht hat, trage diesem Umstand Rechnung.

Wenig verwunderlich, dass die Vertreter von SPD, Grünen und Linken dieser Darstellung in vielen Punkten widersprachen. Karl Lauterbach, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD, monierte, dass die durch das AMNOG eingeführte Kosten-Nutzen-Überprüfung von Medikamenten auf die Regierungsfahne geheftet werde. „Schon vor zehn Jahren hat sich die SPD dafür stark gemacht. Es ist schön, dass schwarz-gelb nun auch von der Idee überzeugt ist“, so Lauterbach.

Birgitt Bender (Grüne) warnte davor, ob der derzeitigen Rücklagen über die Maßen in Glückseligkeit zu verfallen. Allzu schnell gehörten diese der Vergangenheit an. Zumal Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bereits für die Jahre 2013 und 2014 den Zuschuss zum Gesundheitsfonds um insgesamt 4, 5 Milliarden Euro gekürzt habe.

Zusammen mit Karl Lauterbach und Kathrin Vogler (Die Linke) setzte sich Bender für die Abschaffung der Zusatzbeiträge ein. Diese seien unsozial und auf Dauer nicht tragfähig. Zudem müssten die Krankenkassen ihre Beitragssatzautonomie wiedererlangen, so Bender. Sie kündigte an, im Falle einer Regierungsbeteiligung die Einführung einer Bürgerversicherung voranzutreiben. Damit würden unter anderem die Einnahmen der GKV gestärkt und die Zweiteilung des Versicherungsmarkts in GKV und Private Krankenversicherung (PKV) überwunden werden.

Beim Thema Konvergenz zwischen PKV und GKV konnte auf der Tagung der Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Dr. Jürgen Fedderwitz, eine Lanze für den Berufsstand brechen. In der Zahnärzteschaft sei die Angleichung beider Versicherungssysteme schon weit vorangeschritten, sagte er.

Angleichung beider Versicherungssysteme

Wegen des Festzuschussmodells, bei dem die Versicherten zu einer zahnmedizinischen GKV-Regelversorgung private Zusatzleistungen hinzunehmen können, sei der Zahnarzt bestes Vorbild, wenn es um Veränderungen im System geht, betonte Fedderwitz.

Die Zahnmedizin sei im Unterschied zur Allgemeinmedizin dadurch gekennzeichnet, dass es für einen Befund unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten gebe. Und überall dort, wo es Therapiealternativen gebe, biete sich ein solches Festzuschussmodell auch für andere medizinische Bereiche an.

Fedderwitz sprach sich dafür aus, das duale Systemauch in Zukunft aufrechtzuerhalten, weil sich Patienten so die Teilhabe am medizinischen Fortschritt sichern können.

„Der auf die Grundversorgung ausgerichtete Leistungskatalog der GKV ist gut“, sagte er, „aber er reicht meistens nicht aus, um den Patientenwünschen nachkommen zu können.“sg

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