Neurologie

Erhöhte Sterblichkeit bei Epileptikern

Menschen mit Epilepsie haben eine erhöhte Sterblichkeit. Besonders hoch ist das Risiko, vorzeitig zu versterben, wenn gleichzeitig eine psychiatrische Erkrankung vorliegt. Außerdem besteht eine erhöhte Gefahr für einen plötzlichen Todesfall, ein Phänomen, dem die Mediziner den Namen SUDEP gegeben haben. Die Abkürzung steht für „Sudden unexpected death in epilepsy patients“.

Die allgemeine Lebenserwartung bei Patienten mit Epilepsie ist im statistischen Mittel um fünf bis zehn Jahre vermindert. Ein wesentlicher Grund hierfür sind plötzlich auftretende Todesfälle (SUDEP), die Wahrscheinlichkeit für ein plötzliches Versterben ist bei der Epilepsie gegenüber Gesunden etwa um das Zwei- bis Dreifache erhöht. „Rund jeder dritte Epilepsiepatient, der vorzeitig zu Tode kommt, verstirbt durch einen solchen plötzlichen Tod“, berichtet Prof. Dr. Hajo Hamer, Leiter des Epilepsiezentrums am Universitätsklinikum Erlangen.

Häufigste Todesursache bei jungen Patienten: SUDEP

Die Zahl der SUDEP-Fälle in Deutschland beziffert er auf etwa 600 bis 1 000 pro Jahr. „SUDEP ist die häufigste Todesursache bei Epilepsiepatienten im jungen und mittleren Lebensalter“, bestätigt Prof. Dr. Andreas Schulze-Bonhage, Leiter des Epilepsiezentrums am Universitätsklinikum Freiburg.

Warum so viele Epilepsiepatienten plötzlich versterben, ist nach seinen Worten noch unklar. Eine reduzierte Ventilation, die letztlich zum Ersticken führt, Herzrhythmusstörungen und auch direkt vom Gehirn ausgehende Signale und fehlende Schutzreflexe werden als Ursache diskutiert. Scheinbar werden Effekte der epileptischen Aktivität auf das autonome Nervensystem ausgelöst, was einen Herz- oder Atemstillstand zur Folge haben kann. Bei Kindern ist das Phänomen eher selten, bei Patienten im frühen Erwachsenenalter ist es ein gut dokumentiertes Krankheitsrisiko.

Ein erhöhtes SUDEP-Risiko besteht vor allem bei fokalen Epilepsien, wenn zusätzlich neurologische Defizite oder eine Behinderung vorliegen, oder wenn die Epilepsie bereits in jungen Jahren aufgetreten ist. Ferner auch bei einer medikamentösen Polytherapie, nach einem häufigen Wechsel der Medikation und auch bei unzureichender Compliance bezüglich der Medikamenteneinnahme. Besonders hoch ist das Risiko nach Schulze-Bonhage bei fokalen Epilepsien, bei denen die Ursprungszone assoziiert ist mit dem vegetativen Nervensystem. Gefährdet sind somit vor allem Patienten bei Anfällen aus dem Schläfenlappen, die jedoch zu den häufigsten Formen der Epilepsien zählen. Geringer ist das Risiko dagegen bei generalisierten Epilepsien.

Epileptische Anfälle als Hauptrisikofaktor

Fast immer ereignet sich der SUDEP in direkter Abhängigkeit zu einem epileptischen Anfall. Daher gilt die Faustregel: Kommt es zu zehn bis 50 großen Anfällen pro Jahr, ist von einem zehnfach erhöhten Sterberisiko auszugehen. Bei 50 und mehr großen Anfällen pro Jahr steigt das Risiko auf das 15-Fache.

„Fortbestehende epileptische Anfälle sind der größte Risikofaktor für den SUDEP. Unser Therapieziel muss folglich die absolute Anfallsfreiheit sein“, betont Hamer.

Inwieweit sich aus den Beobachtungen die Notwendigkeit einer Überwachung von Patienten mit Epilepsie ergibt, wird kontrovers diskutiert. Denn ein engmaschiges Monitoring mittels spezieller Alarm- und Überwachungssysteme, die den drohenden Anfall erkennen oder bei einem prolongierten Anfall entsprechend warnen, kann möglicherweise diesen plötzlichen Tod verhindern. Es beeinträchtigt die Patienten andererseits erheblich in ihrer Lebensqualität und Lebensführung und kann laut Schulze-Bonhage zusätzlich übertriebene Ängste schüren.

Über das Risiko eines SUDEP müssen, so Schulze-Bonhage, dennoch alle Patienten aufgeklärt werden, bei denen eine erhöhte Gefährdung besteht. Die Indikation zu einer entsprechenden Aufklärung wird nach seinen Angaben allerdings international recht unterschiedlich gesehen: „In Großbritannien werden die Patienten sehr früh über das SUDEP-Risiko informiert, hierzulande klären wir die Patienten üblicherweise erst dann eingehend darüber auf, wenn sie zur Hochrisikogruppe gehören.“ Vorsicht ist nach Hamer insbesondere bei der Aufklärung von Eltern epilepsiekranker Kinder geboten. Diese dürfen keinesfalls dazu verleitet werden, das Kind quasi rund um die Uhr zu überwachen und damit auch zwangsläufig in seiner normalen Entwicklung zu hemmen.

Kleines hartes statt eines großen weichen Kissens

Zum anderen müssen die Patienten laut Hamer um die erhöhte Gefährdung wissen und das nicht nur wegen der Bedeutung einer guten Therapietreue. Vielmehr sollte man den Betroffenen auch praktische Tipps mit auf den Weg geben. Etwa den Rat, mit einem kleinen harten Kissen und nicht mit einem weichen großen Kissen zu schlafen: „Denn wir erfahren immer wieder, dass Patienten bei nächtlichen Anfällen in der Bauchlage quasi durch das Ersticken im Kissen zu Tode kommen.“

Mit Patienten, bei denen es bereits einmal zu einem Herzstillstand im Verlauf eines epileptischen Anfalls gekommen ist, ist laut Schulze-Bonhage zum Beispiel auch die Option der Implantation eines Herzschrittmachers zu besprechen. Kommt es trotz entsprechender Therapieoptimierung und guter Compliance weiterhin zu epileptischen Anfällen, so ist aus seiner Sicht stets auch ein epilepsiechirurgischer Eingriff mit dem Patienten zu diskutieren, da ein solcher Eingriff das Sterberisiko erheblich senkt.

Erhöhte Sterblichkeit bei psychischer Komorbidität

Die Epilepsie ist allerdings auch unabhängig von SUDEP mit einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko behaftet. Besonders hoch ist die Gefährdung bei Menschen mit psychiatrischer Begleiterkrankung, einem Phänomen, dem britische Wissenschaftler nachgehen. Sie haben anhand der Daten von fast 70 000 Patienten mit Epilepsie, die in einem schwedischen Register erfasst wurden, analysiert, inwieweit psychiatrische Erkrankungen die Sterblichkeit erhöhen.

Während des Follow-up-Zeitraums von 1954 bis 2009 verstarben 8,8 Prozent der Epilepsie-Patienten im Vergleich zu 0,7 Prozent einer altersentsprechenden Bevölkerungsstichprobe. Das Mortalitätsrisiko war damit um mehr als das Zehnfache erhöht. Bei mehr als 15 Prozent der Todesfälle spielten äußere Ursachen wie Unfälle (nicht Verkehrsunfälle) und Suizide eine Rolle. Bei zwei Dritteln der Patienten, die durch solche Ursachen zu Tode kamen, lag gleichzeitig eine psychiatrische Erkrankung vor, wobei die stärkste Assoziation zu einer Depression (23 Prozent) und zu einem Substanzmissbrauch (56 Prozent) bestand.

Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Kölninfo@christine-vetter.de

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