Beiträge zur Inklusion

Defizite, die bereichern

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Im Hamburger „Dentologicum“, einem Zentrum für Zahn- Mund- und Kieferheilkunde, bietet eine Zahnärztin Termine für gehörlose und schwerhörige Patienten in Gebärdensprache an. Außerdem bildet das Haus gehörlose Azubis zu Zahnmedizinischen Fachangestellten aus. Einblicke in ein Pilotprojekt.

Aller Anfang ist schwer. Manchmal auch besonders schwer. Das kann auch Marianela von Schuler Alarcón für sich behaupten. Die angestellte Zahnärztin aus dem „Dentologicum“ in Hamburg kommt ursprünglich aus Venezuela. Anfänglich war es für sie aufgrund der Sprachbarriere sehr mühsam, sich in Deutschland gesellschaftlich zu integrieren. Aus privaten Gründen erlernte sie die Gebärdensprache. Aber auch, um anderen Menschen mit Kommunikationsschwierigkeiten zu helfen. Eine empathische Entscheidung also. Als sie dann als Assistenzzahnärztin im Dentologicum anfing, initiierte sie spontan eine „Gebärden-sprechstunde“.

Aus dieser Initiative ist ein unerwartet großes Projekt geworden. Nach Auskunft der Pressereferentin des Medizinischen Versorgunszentrums (MVZ) gibt es in ganz Norddeutschland sonst keinen gebärdensprechenden Zahnarzt. Berlin mal ausgenommen. Hier sei mindestens ein gebärdender Kollege bekannt.

Doch das Engagement in Hamburg ist nicht ganz freiwillig. Da das Dentologicum mit mehr als 60 Mitarbeitern in seiner Größenordnung zu den mittelständischen Unternehmen zählt, muss das MVZ den Inklusions-Auftrag der Bundesregierung umsetzen. Die Gesetzesvorlage existiert seit 2011.

Denn übergeordnet hat die Bundesregierung die Dachkampagne zur Umsetzung der  UN-Behindertenrechtskonvention gestartet. „Inklusion als zentraler Gedanke der UN-Behindertenrechtskonvention ist ein Thema, das die gesamte Gesellschaft angeht“, sagte die  Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Ursula von der Leyen. Mit dem Nationalen Aktionsplan stößt die Bundesregierung einen Prozess an, der in den kommenden zehn Jahren das Leben der rund 9,6 Millionen Menschen mit Behinderung in Deutschland maßgeblich beeinflussen wird. Mithilfe von Quoten soll ihnen der Zugang zum Ersten Arbeitsmarkt verschafft werden.

Die Mitarbeiter im Dentologicum betrachten diese Auflage als Chance, die staatlichen Anforderungen mit persönlichem Engagement zu verbinden. Das Ziel: Eine uneingeschränkte, barrierefreie Behandlung für gehörlose und schwerhörige Patienten. Zugleich soll die Versorgungslage dieser speziellen Patientengruppe stetig weiterentwickelt und verbessert werden. Auf der Seitewww.gehoerlosen-zahnarzt.debietet das MVZ beispielsweise ein Video in Gebärdensprache an. Dort wird erklärt, welche Formulare auszufüllen sind, wie der Anfahrtsweg aussieht und welche Fragen die Zahnärztin beim Erstbesuch stellt.

Inklusion ist machbar – auch in der Zahnmedizin

Bereits seit dem 1. August 2012 bildet das MVZ eine gehörlose und eine schwerhörige junge Frau zur Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) im Rahmen eines Pilotprojekts aus. Die Ausbildungszeit beträgt drei Jahre und besteht aus einer klassisch zweigeteilten Lehre aus Berufsschule und praktischen Einheiten im Dentologicum.

Das Team möchte zeigen, dass es möglich und sinnvoll ist, gehörlose Menschen in Ausbildungsberufe zu vermitteln, die ihnen bislang verwehrt waren. „Mit der Ausbildung zur ZFA gehen wir hier einen neuen Weg und ermöglichen ein weiteres Ausbildungsprofil für zukünftige gehörlose Schulabgänger“, heißt es dort.

Eine weitere Zahnarzthelferin wurde unter der Maßgabe in dem MVZ eingestellt, binnen einer Frist die Gebärdensprache zu erlernen. Das gelang ihr in sechs Monaten.

Mittelfristig möchte die Zahnärztin Marianela von Schuler Alarcón noch einmal einen neuen beruflichen Weg einschlagen. Für diesen Fall ist das Dentologicum auf der Suche nach interessierten Zahnmedizinern, die den Inklusionsgedanken verinnerlicht haben und Gebärdensprache können beziehungsweise bereit sind, diese zu erlernen.

Kontakt:

MVZ Dentologicum GbRJanine DunckelmannTel.: 040/380383-381info@dentologicum.dewww.gehoerlosen-zahnarzt.de

Info

Der Tag zur Inklusion

Am 5. Mai war der „Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung“, der in diesem Jahr unter dem Motto „Ich bin entscheidend“ stand. Seit 20 Jahren veranstalten Verbände und Organisationen der Behindertenhilfe und -selbsthilfe rund um den 5. Mai überall in Deutschland Podiumsdiskussionen, Informationsgespräche, Demonstrationen und andere Aktionen. Dabei geht es darum, die Kluft zwischen dem im Grundgesetz verankerten Anspruch der Gleichberechtigung für alle Menschen und der Lebenswirklichkeit Stück für Stück zu überwinden.

Info

Förderungen

Das MVZ wird von der ZÄK Hamburg unterstützt, die das Projekt begleitet und die Prüfungen zulässt und anerkennt. Hilfe kommt auch von der staatlichen Berufsschule, die einen Dolmetscher im Unterricht erlaubt. Zudem sind die Inklusionsbeauftragte der Stadt Hamburg und die Behörde für Soziales und Gesundheit informiert.

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