Pflegekräfte aus dem Ausland

Geholt um zu bleiben

Immer weniger Menschen entscheiden sich für einen pflegerischen Beruf. Die schlechte Bezahlung, lange Arbeitszeiten und ungünstige Jobbedingungen machen ihn zunehmend unattraktiv. Die Politik wollte mit Pflegekräften aus dem Ausland dem drohenden Mangel entgegenwirken. War sie erfolgreich?

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) sucht längst nicht mehr nur in Europa nach Pflegefachkräften für Klinken und Seniorenheime. Die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der BA geht auch in China und auf den Philippinen auf die Suche. „Auf Dauer reicht es nicht aus, nur in Europa nach Fachpersonal zu suchen“, sagte ZAV-Direktorin Monika Varnhagen der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Kaum Pfleger aus Europa

Nach Schätzungen des Arbeitgeberverbands Pflege fehlen aktuell rund 30 000 Fachkräfte. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung werden es 2030 bereits 500 000 sein. „Wir brauchen Zuwanderung, auch wenn das allein die Probleme in der Pflege nicht lösen wird“, sagte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) der „Welt“.

Seit 2011 sucht die ZAV gezielt in anderen EU-Ländern und speziell in den krisengeschüttelten südeuropäischen Staaten nach Fachpersonal. Eine Jugendarbeitslosigkeit von bis zu 50 Prozent und kaum offene Stellen veranlassen immer mehr gut ausgebildete Fachkräfte dazu, ihr Heimatland zu verlassen. Auch auf Osteuropa wird ein Schwerpunkt gesetzt. Dennoch ist der Erfolg der ZAV überschaubar: 2012 vermittelte sie nur 56 Pflegekräfte aus der EU, den Großteil aus Portugal.

„Trotz EU-Freizügigkeit sind nur wenige Pflegefachkräfte aus Ländern wie Polen, Tschechien, der Slowakei oder Ungarn gekommen“, berichtet der Sprecher des Arbeitgeberverbands Pflege, Steffen Ritter, gegenüber der dpa. Ein hoher bürokratischer Aufwand bei der Berufsanerkennung, unterschiedliche Regelungen in den Bundesländern sowie fehlende Deutschkenntnisse seien große Hindernisse. Auch die Bezahlung sei nicht so attraktiv, wenn die hohen Lebenshaltungskosten in Betracht gezogen würden. „Viele polnische Fachkräfte sind lieber nach Skandinavien oder Großbritannien gegangen und Personal aus Ungarn oder Tschechien hat Österreich oder die Schweiz bevorzugt“, weiß Ritter.

Der Blick geht nach Asien

Die ZAV hat ihre Suche deshalb über die EU hinaus ausgeweitet. Mit Kroatien und Serbien gibt es seit Januar ein Rekrutierungsabkommen für Pflegepersonal, mit Bosnien-Herzegowina seit April. Auch Asien wird für die Vermittlungsstelle immer interessanter: Mit den Philippinen wurde Mitte März ein Rekrutierungsabkommen geschlossen. In China sollen in einem Pilotprojekt mit dem Arbeitgeberverband Pflege 150 Fachkräfte angeworben werden.

Auch die Bundesländer haben ihre Bemühungen um ausländische Pflegekräfte verstärkt. In einem vor Kurzem gestarteten Modellversuch will Hessen 100 Arbeitsstellen in Marburg, Offenbach und Wiesbaden mit Pflegekräften aus Spanien besetzen. „Damit stellen wir eine wichtige Weiche, um dem Fachkräftemangel im Pflegebereich entgegenzuwirken und zu einer Entlastung der Pflegenden beizutragen“, sagte der hessische Sozialminister Stefan Grüttner (CDU). In Mecklenburg-Vorpommerns Hauptstadt Schwerin werden demnächst 20 junge Spanier über ein Förderprogramm in Pflegeberufen ausgebildet.

Kliniken suchen auch selbst

Manche Kliniken suchen ebenfalls selbst nach Fachkräften. „Es ist in bestimmten Bereichen, dazu gehören bei uns die Intensivstationen und Bereiche in der Pädiatrie und Inneren Medizin, schwer Fachkräfte auf dem deutschen Markt zu finden. Daher haben wir uns entschlossen, auch im Ausland zu suchen“, erklärte der Personalfachbereichsleiter des Klinikums Stuttgart, Joachim Waimer, gegenüber den zm. Im März hatten 30 Pflegekräfte aus Ungarn in dem Krankenhaus angefangen. Ab Oktober werden sechs italienische Krankenschwestern die Kinderintensivstation unterstützen. Um die Fachkräfte zu finden, habe man Dienstleister in Anspruch genommen, die in den jeweiligen Ländern Kontakte haben und die Pflegekräfte vorausgewählt und vorgestellt hätten und teilweise auch die Betreuung vor Ort, einschließlich Sprachschulung, übernähmen, sagte Waimer. Kurzfristig wolle man keine weiteren Pflegekräfte aus dem Ausland mehr einstellen. Man evaluiere und beurteile aber, ob dies ein Modell sei, den eigenen Bedarf zu decken.

Hürden sollen fallen

Um den Zuzug ausländischen Fachpersonals zu erleichtern, will der Bundesgesundheitsminister Hürden abbauen. „Die Vorrangprüfung für Pflegekräfte muss fallen“, sagte Bahr der „Welt“. Bei der Vorrangprüfung sucht die ZAV nach inländischen Arbeitskräften für eine Stelle. Wurde niemand gefunden, kann einem Bewerber aus dem Ausland die Zustimmung für den Antritt einer Arbeitsstelle erteilt werden.

Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbands privater sozialer Dienste, plädiert für unbürokratischere Anerkennungsverfahren in allen Bundesländern. Überzogene Sprachanforderungen und Anerkennungsverfahren, die sich über ein halbes Jahr und mehr hinziehen, seien kontraproduktiv. „Wir müssen endlich zügig die Restriktionen zur Aufnahme der Fachkräfte beseitigen, oder wir kommen erneut zu spät, weil sich diese schon für ein anderes Land entschieden haben“, so Meurer.

Probleme im Heimatland

Allerdings fehlen Pflegekräfte, die aus dem Ausland in die Bundesrepublik kommen, in ihrer Heimat. Laut Caritas international werden immer mehr Kinder und alte Menschen in Osteuropa allein gelassen, weil ihre Angehörigen in Westeuropa arbeiten. „Die Zahlen der Straßenkinder und der unterversorgten alten Menschen steigen deutlich an, weil osteuropäische Frauen bei uns die Lücke in der Pflege schließen müssen“, sagte der Präsident des Deutschen Caritasverbands, Peter Neher. Pflegemigration müsse geregelt ablaufen und auch die Hilfe für die nichtversorgten Alten und Kinder in Osteuropa müsse organisiert werden. Der Präsident des Deutschen Pflegerats, Andreas Westerfellhaus, bezeichnete das Abwerben von Pflegekräften als „zutiefst unethisch und unmoralisch“.

Nur mit ausländischen Pflegekräften lasse sich die Fachkräftelücke nicht schließen. Die Ausbildungszahlen müssten gesteigert und der Beruf müsse insgesamt attraktiver gemacht werden, fordern etwa die hessischen Grünen.

Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) plädiert für eine bessere Bezahlung bei den Pflegeberufen und für mehr Zeit für die Pflege. Um dies zu finanzieren, müsse mehr Geld ins System, sagte der AWO-Vorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern, Rudolf Borchert. Die jährliche Finanzierungslücke betrage bundesweit fünf bis sechs Milliarden Euro.

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