Der besondere Fall mit CME

Metastatische Absiedlung eines Lungenkarzinoms

Christian Walter, Roman Rahimi-Nedjat, Keyvan Sagheb

Ein 73-jähriger Patient wurde mit einer nicht schmerzhaften Raumforderung supraclaviculär links vorstellig. Allgemeinanamnestisch gab der Patient an zwölf Jahre zuvor ein kleinzelliges T2 N0 Bronchialkarzinom gehabt zu haben, mit Lobektomie des rechten Unterlappens und anschließender Radiochemotherapie. Zusätzlich waren eine Hypertonie, kardial bedingte Synkopen und eine Refluxösophagitis bekannt. Ein vor zwölf Jahren implantierter Herzschrittmacher sollte Ende 2013 ausgetauscht werden. Beim letzten onkologischen Recalltermin fünf Monate zuvor ergab sich kein Anhalt für ein Rezidiv oder für eine Metastase des Bronchialkarzinoms. Der neuronenspezifische Enolase, ein Tumormarker für das kleinzellige Bronchialkarzinom, war ebenfalls normwertig.

Akut beklagte der Patient neben der bestehenden symptomlosen Raumforderung starke Bauch- und Rückenschmerzen, eine B-Symptomatik bestand nicht. Bei der klinischen Untersuchung zeigten sich multiple derbe Raumforderungen supraclaviculär links, die gegenüber der Umgebung verschieblich erschienen und nicht druckdolent waren. Ansonsten gab es extra-oral in der Kopf-Hals-Region und enoral bei Zahnlosigkeit keine Auffälligkeiten.

In einem zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegenden Röntgen-Thorax in zwei Ebenen wurde bei Zustand nach Unterlappenresektion rechts ein im Vergleich zu den Voraufnahmen konstanter Zwerchfellhochstand rechts mit additiver Verschiebung des Mediastinums nach rechts beschrieben. Daneben war der Schrittmacher rechts pektoral mit Projektion der Sondenspitze auf dem rechten Ventrikel zu erkennen. Einen Hinweis auf pulmonale Raumforderungen gab es nicht (Abbildung 1).

Im daraufhin durchgeführten Ultraschall des Halses waren mehrere größenveränderte und sonografisch hochgradig malignitätsverdächtige Lymphknoten erkennbar (Abbildung 2). Auf Basis dessen wurde bei Verdacht des Vorliegens eines Virchow-Lymphknotens und bei bekannter Bronchialkarzinomanamnese eine Computertomografie von Kopf-Hals, Thorax und Abdomen veranlasst. Bei erhöhten Nierenretentionswerten konnte diese nicht mit Kontrastmittel gefahren werden und war somit nur eingeschränkt beurteilbar. Zu sehen waren eine Struma nodosa (Abbildung 3), eine 2 cm x 3 cm große polilobulierte weichteildichte Gewebevermehrung infrahilär zentral rechts mit Pleuraverdickung (Abbildung 4), eine Raumforderung im Bereich des Pankreaskopfes und multiple, suspekt vergrößerte Lymphknoten retro- und infraclaviculär, cervicothorakal, retrocrural, im Bereich des Truncus coeliacus, mesenterial, paraaortal bis an die Bifurkation heranreichend. Supraclaviculär links kam deutlich die Raumforderung zur Darstellung (Abbildung 5).

In Intubationsnarkose erfolgte die Ausräumung der Lymphknoten caudocervical links. Die histopathologische Aufbereitung des entnommenen Gewebes ergab das Vorliegen von 20 Metastasen eines nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms und somit nicht eines Rezidivs des vorbekannten kleinzelligen Lungenkarzinoms.

Zur Abklärung der ebenfalls beklagten Bauchbeschwerden wurde der Patient zusätzlich gastroskopiert. Die entnommenen Knipsbiopsien wiesen eine Helicobacter-pylori-Gastritis nach, so dass diesbezüglich eine Eradikation eingeleitet wurde. Ein zusätzliches Ultraschall des Abdomens ergab, dass der Patient eine Zyste im Pankreaskopf aufwies und dass hinter dem Pankreaskopf eine vom Pankreas abgrenzbare Raumforderung sichtbar wurde, so dass auch hier der Verdacht auf eine metastatische Absiedlung des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoes gestellt wurde.

Bei der bereits weit fortgeschrittenen Erkrankung wurde ein palliatives Konzept erarbeitet, so dass der Patient sich zurzeit in hämatoonkologischer Therapie befindet.

Diskussion

Raumforderungen der Kopf-Hals-Region beim Erwachsenen lassen sich meist auf drei Ursachen zurückführen: auf kongenitale, entzündliche oder neoplastische Ursachen (Tabelle). Alter des Patienten, Anamnese und klinische Untersuchung mit Eruierung der genauen Lage des Befunds sind hier bereits hinweisgebend.

Leicht palpable Leitstrukturen sind der Unterkieferrand, der Musculus sternocleidomastoideus, der Musculus trapezius, das Os hyoideum, die knorpeligen Strukturen des Kehlkopfs und auch die pulsierende Arteria carotis.

Akute Symptome wie Fieber, Halsschmerzen und Husten weisen eher auf ein infektiöses Geschehen im oberen Respirationstrakt hin [Schwetschenau et al., 2002]. Weitere anamnestisch eruierbare Ursachen für ein infektiöses Geschehen sind kürzlich stattgefundene Reisen gegebenenfalls mit Insektenstichen und auch der Kontakt mit Tieren.

Die besten Prädiktoren für das Vorliegen eines neoplastischen Geschehens sind hierbei das Patientenalter und die Dauer des Vorliegens der Raumforderung. Ein erhöhtes Patientenalter und neu aufgetretene Schwellungen ohne Anzeichen einer Regression sind hochgradig malignitätsverdächtig [Bhattacharyya, 1999]. Eine Raucheranamnese, Alkoholabusus und vorbekannte Malignome können hinweisgebend sein für das Vorliegen einer Metastase oder eines Rezidivs.

Bei der klinischen Untersuchung sollte die Haut auf Veränderungen inspiziert werden. Bei oraler Untersuchung können weitere auslösende Ursachen abgeklärt werden, wie dentale und tonsilläre Ursachen und auch rhinogene Foci, wie zum Beispiel Eiterstraßen an der Rachenhinterwand.

An bildgebenden Verfahren sind neben dem Ultraschall die Computertomografie und die Magnetresonanztomografie zu nennen. Die definitive Diagnose kann aber erst durch die histopathologische Aufbereitung gestellt werden.

Unter den Metastasen in der Kopf-Hals-Region sind vornehmlich lokale Metastasen von Primarien oberhalb der Schlüsselbeinebene zu nennen, wie zum Beispiel das Plattenepithelkarzinom der Mundhöhle oder das Schilddrüsenkarzinom. Daneben können auch Tumore unterhalb des Schlüsselbeins in die Kopf-Hals-Region metastasieren, wie zum Beispiel das Mamma-, das Lungen-, das Nierenzell-, das Kolon- und das Prostatakarzinom oder auch das Melanom. In aller Regel ist eine solche Metastasierung mit einer schlechten Prognose vergesellschaftet [Sagheb et al., 2011].

In manchen Fällen gelingt es trotz kompletten Stagings nicht, den Primarius ausfindig zu machen. In diesen Fällen spricht man von einem sogenannten CUP-Syndrom für Cancer of unknown primary.

Im vorliegenden Fall war die Anamnese hinweisgebend auf ein Malignom, so dass initial auf eine Metastasierung des vorbekannten kleinzelligen Lungenkarzinoms getippt wurde. Bei fehlendem Anhalt für ein lokales Rezidiv im Röntgen-Thorax wurde eine entsprechende computertomografische Diagnostik eingeleitet. Hier wurde zusätzlich eine Raumforderung im Bereich des Pankreas gesehen, so dass auch hier potenziell eine supraclaviculäre Absiedlung infrage gekommen wäre. Ist links supra-claviculär ein Virchow-Lymphknoten – auch Virchow-Drüse nach dem deutschen Pathologen Rudolf Virchow benannt – tastbar, so liegt der Verdacht einer Metastase eines abdominellen Tumors, typischerweise eines Magenkarzinoms nahe.

Die pathohistologische Aufbereitung ergab schließlich eine Metastase eines nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms, so dass es sich bei dem in der Computertomografie dargestellten Befund in der Lunge nicht um ein Rezidiv, sondern um einen unabhängigen Zweittumor handelte, der bereits multiple Metastasen verursacht hatte.

PD Dr. Dr. Christian WalterDr. Roman Rahimi-NedjatDr. Dr. Keyvan SaghebKlinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – Plastische OperationenUniversitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität MainzAugustusplatz 255131 Mainzwalter@mkg.klinik.uni-mainz.de

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