Gastkommentar

Forschen für die Versorgung

Was soll und kann Versorgungsforschung, wer soll wie Standards festlegen? Maike van Delden, gesundheitspolitische Fachjournalistin im LetV Verlag, Berlin, thematisiert noch offene Fragen.

Mehr Versorgungsforschung zu fordern, gehört heute zum guten Ton in der Gesundheitspolitik. Richtig ist, wir wissen viel zu wenig darüber, wie und mit welchen Ergebnissen in Deutschland behandelt wird. Wie soll man Versorgung rational steuern, wenn man nur wenig über die reale Versorgungsituation weiß?

Richtig ist aber auch, dass Versorgungs- forschung ein einträgliches Geschäft ist, Versorgungsforscher und Institute zur Versorgungsforschung schießen wie Pilze aus dem Boden.

Nun ist Versorgungsforschung nichts Neues. Krankenkassen beauftragen Wissenschaftler unterschiedlicher Provenienz seit Jahren, mit ihren Daten die Versorgung in Bezug auf bestimmte Fragen hin zu untersuchen. Auch Leistungserbringer, wie zum Beispiel Helios, überprüfen seit etlichen Jahren anhand von Routinedaten gemeinsam mit der AOK die Qualität ihrer Krankenhäuser nach bestimmten Indikatoren, um die Qualität der eigenen Häuser zu steigern. Der Konzern zieht aus den Ergebnissen bei anhaltend schlechter Qualität handfeste Konsequenzen. Die unterschiedlichen Ansätze und Projekte führen zu einem bunten Flickenteppich von Ergebnissen der Versorgungsforschung. Diese sind nur schwer zusammenzuführen, da Datengrundlage, Methoden und Indikatoren sich unterscheiden.

Versorgungsforschung gestaltete sich lange Zeit auch deshalb äußerst schwierig, weil Krankenkassen ihre Daten der Forschung nicht zur Verfügung stellen durften.

Diese Vorschriften hat der Gesetzgeber deutlich gelockert und sogar Registerpflichten für bestimmte Bereiche angeordnet, die viele Analysen erleichtern. Schon länger werden Rufe nach einer flächendeckenden Versorgungsforschung laut, finanziert durch einen gesetzlich festgeschriebenen Anteil am Gesundheitsfonds. Grundsätzlich kann man dies nur nachdrücklich unterstützen, aber zuvor müssten erst wichtige Fragen geklärt und Standards gesetzt werden. Eine dieser Fragen ist, wem diese Daten gehören, wofür und wie sie verwendet werden dürfen. Reichen die heutigen Regelungen aus? Wir alle sind nach den Erfahrungen der vergangenen Monate noch sensibler in Hinsicht auf unsere eigenen Daten geworden, der NSA sei Dank. Aber dies müssen Juristen und Datenschützer klären. Die Frage ist auch, was eigentlich erforscht werden soll. Prozessqualität wäre ein interessantes Objekt, denn in ungesteuerten Prozessen „versacken“ große Summen guten Geldes. Letztlich interessiert aber doch hauptsächlich die Ergebnisqualität.

Eine weitere Frage, die geklärt werden muss, ist die nach den Standards für die Versorgungsforschung und wer sie setzen soll. Dies wäre eine Aufgabe für den G-BA, der sich auch über die Indikatoren zum Beispiel für die Ergebnisqualität einigen müsste. Der G-BA wäre auch deshalb dafür geeignet, weil hier die Partner im Gesundheitswesen an einem Tisch sitzen und gemeinsam entscheiden. Andererseits – überfrachtet man den G-BA in der heutigen Struktur nicht bis zur Handlungsunfähigkeit?

Weiterhin muss festgelegt werden, wer welche Aufträge zur Versorgungsforschung erteilt, wenn sie mit einem festgelegten Satz aus den Fonds finanziert wird. Nach welchen Kriterien soll dann die Beauftragung erfolgen und welche Voraussetzungen müssen die Bewerber erfüllen?

Die zentrale Frage aber ist, wie wir mit den Ergebnissen der Versorgungsforschung praktisch umgehen wollen, sonst ist alles nur l’art pour l’art. Benötigen wir nicht einen Automatismus, mit dem Konsequenzen aus den Ergebnissen gezogen werden? Sollten als insuffizient erkannte Methoden aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen werden? Sollten Leistungserbringer mit andauernd schlechter Ergebnisqualität weiter GKV-Versicherte behandeln dürfen?

Dies alles muss geklärt werden, bevor man das hart verdiente Geld der Versicherten für Versorgungsforschung ausgibt.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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