Studie

Gesundheitssystem kommt recht gut weg

Über das deutsche Gesundheitssystem lässt sich vortrefflich meckern. Als Arzt, als Patient, als Wissenschaftler oder auch als Standesvertreter. Eine aktuelle Metaanalyse verschiedener Untersuchungen zeigt aber, dass das System im internationalen Vergleich ganz gut abschneidet. In einigen Bereichen ist laut Untersuchung jedoch noch Luft nach oben.

In ihrem Review untersuchten die Autoren, der Diplom-Sozialwirt Michael Lauerer, Bayreuth, Prof. Dr. Martin Emmert, Erlangen, und Prof. Dr. Oliver Schöffski, Erlangen, 13 nationale und internationale Publikationen, die sich mit der Qualität und der Positionierung des deutschen Gesundheitswesens im internationalen Vergleich befassten (Näheres zur Methodik siehe Kasten). Zwar halten einige Experten das Ergebnis der Studie für etwas unspezifisch und zu allgemein gehalten, zumal sich darin keine Aussage über die Zahnheilkunde und zahnmedizinische Versorgung findet, dennoch lassen sich einige Ergebnisse herauslesen.

Ausgaben/Finanzen

Hinsichtlich der Ausgaben und Finanzierung attestieren die Autoren dem hiesigen System ein „hohes Ausgabenniveau“. Ein möglicher Grund hierfür könne in der gut ausgebauten Versorgungs- und Personalstruktur liegen, so die Autoren. Auch das hohe Niveau der Leistungsinanspruchnahme dürfte den Autoren zufolge zu einem hohen Ausgabenniveau beitragen. Berücksichtigt werden müsse, dass der hohe Anteil älterer Menschen sowohl indirekt durch einen hohen Bedarf an Versorgungsstruktur und Personalverfügbarkeit als auch direkt durch eine hohe Leistungsinanspruchnahme zu höheren Ausgaben für Gesundheit beitrage.

Restriktionen/Selbstzahlerleistungen

Bis auf die Einschränkung der Wahlfreiheit von Leistungen im EU-Ausland und mittelguten Ergebnissen bei einer Hausärztebefragung zur Finanzierung von Arzneimitteln oder Zuzahlungen und zum Zugang zu bestimmten diagnos-tischen Verfahren, ließen alle anderen Vergleiche den Schluss zu, dass das deutsche Gesundheitswesen grundsätzlich frei von institutionellen Restriktionen in Bezug auf den Zugang zur medizinischen Versorgung ist. Dies gelte sowohl für den ambulanten als auch für den stationären Sektor respektive die allgemein- und die fachärztliche Versorgung. Die Autoren: „Anzumerken ist, dass Selbstzahlungen existieren, die – besonders für Personen und Haushalte mit niedrigem Einkommen – Hürden oder finanzielle Barrieren darstellen.“ Dennoch fiele die Häufigkeit von Selbstzahlerleistungen „mittel bisniedrig“ aus.

Inanspruchnahme

Die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen sei in Deutschland im ambulanten wie im stationären Bereich als hoch einzustufen. Dies gelte ausdrücklich auch im Vergleich mit anderen hoch entwickelten Industrienationen.

Ergebnisqualität

Als schwierig erwies sich für die Autoren die Zusammenfassung ergebnisorientierter Messgrößen. Grund: „Die Einzelergebnisse des deutschen Gesundheitswesens unterscheiden sich mitunter erheblich.“ Die Indikatoren reichten etwa von der Säuglingssterblichkeit über Lebenserwartung bis zum selbst eingeschätzten Gesundheitszustand, heißt es. Insgesamt zeichneten diese „Outcomegrößen“ ein heterogenes Bild.Ähnliches gelte für die vergleichenden Analysen von Inzidenz und Mortalität unterschiedlicher Erkrankungen beziehungsweise deren Verhältnis. Eine finale Bewertung bezüglich ergebnisorientierter Größen auf aggregiertem Niveau sei deshalb kaum möglich. Als vorsichtige Einschätzung sehen Lauerer, Emmert und Schöffski das deutsche Gesundheitswesen zumindest nicht unter den führenden im europäischen Vergleich

Zufriedenheit

Insgesamt scheine die Zufriedenheit mit dem deutschen System – verglichen mit Systemen anderer Industriestaaten – zumindest akzeptabel zu sein. Allerdings: In einer untersuchten Studie wurde vielfach Kritik geübt und grundlegender Änderungsbedarf am System gesehen. Dieser Änderungsbedarf sei in der entsprechenden Studie jedoch nicht genauer spezifiziert worden.

Patienten brauchen kaum Sitzfleisch

Wartezeiten

Bis auf wenige Publikationen attestieren die meisten Studien beim Thema Wartezeiten gute Noten. In Deutschland existierten demnach keine oder nur sehr geringeWartezeiten. Nur bei hoch spezialisierten Leistungen (wie etwa in der Herzchirurgie) oder bei Fachärzten könnten auch hierzulande Wartezeiten entstehen.

Telemedizin

Bei der Verbreitung elektronischer Assistenzsysteme zur Informationsübertragung oder zur Assistenz von Leistungserbringern schneide das System „eher schlecht“ ab.Bis auf die elektronische Patientenakte und in eingeschränktem Maß die elektronische Übermittlung medizinischer Daten zwischen den Leistungserbringern seien solche Assistenzsysteme in Deutschland bislang „kaum verbreitet“. Daher bestehe diesbezüglich „Nachholbedarf“.

Patientenzugewandtheit

Beim Punkt Patientenorientierung und Informationsübermittlung sammelten die Autoren Indikatoren, die sich mit den Bedürfnissen und Rechten von Patienten sowie mit der Übermittlung von für Patientenbeziehungsweise deren Behandlung relevanten Informationen beschäftigten. Hierbei erreiche das deutsche System „einen Platz im Mittelfeld“. Die Autoren sehen vor allem bei der Orientierung auf den Patienten, beim Informationsmanagement und in Bezug auf Patientenrechte „deutliches Verbesserungspotenzial“.

Gerechtigkeit

Unter dem Aspekt der Fairness und Gerechtigkeit, der etwa auf die Gleichheit der Finanzierung und Versorgung und die Reichweite der Absicherung abzielt, schneide das System „überwiegend gut ab“. Zwar zeige sich, dass andere Krankenversicherungssysteme einen größeren Anteil der Bevölkerung erfassen würden als die deutsche gesetzliche Krankenversicherung. Dennoch werde dem deutschen System überwiegend eine faire Finanzierung attestiert. Die Häufigkeit von Arztbesuchen sei unabhängig von Einkommensschichten hoch.

Mehr Effizienz ist notwendig

Patientensicherheit

Hier gebe es Lücken: Unerwünschte Arzneimittelwirkungen würden im Gegensatzzu anderen Ländern nur unsystematisch erfasst. Arzneimitteltherapieleitlinien auf nationaler Ebene existierten ebenfalls nicht. Der Anteil der deutschen Bevölkerung, der Behandlungsfehler beklagt, liege imVergleich mit anderen Industrienationen im Mittelfeld. Die Autoren halten weiterführende Untersuchungen hierzu für erstrebenswert. Jedoch zeige sich schon aktuell „Verbesserungspotenzial“.

Effizienz

Bei der direkten Gegenüberstellung der Leistungsmerkmalen mit dem Ressourceneinsatz, komme das deutsche Gesundheitswesen beim überwiegenden Teil der Studien nicht in die Top-Liga. In einer Studie belege es Rang 41 von 191, in anderen Vergleichen schneide es nur unwesentlich besser ab. Die Autoren fanden auch Untersuchungen, bei denen im Vergleich zu anderen europäischen Industrieländern der Ressourceneinsatz eher hoch und die Effektivität relativ gering sei.Insgesamt kommen die Autoren zu dem Schluss, dass es nun darum gehe, das überwiegend gut funktionierende System weiterzuentwickeln. „Es gilt, die Stärken des Systems zu erhalten respektive auszubauen sowie Lösungsstrategien für Schwächen undProbleme zu erarbeiten. Dies könne, so die Verfasser, mit Zuversicht geschehen. „Die hohe Strukturqualität im deutschen Gesundheitssystem bietet die Möglichkeit, über einen guten Versorgungsprozess eine bessere Ergebnisqualität zu erzielen“.

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