Vorzeitig in den Ruhestand

Den Ausstieg planen

sg
Die Aussicht, seinen Freizeitvergnügen nachgehen zu können statt am Behandlungsstuhl zu stehen, hat sicher für einige Zahnärzte etwas sehr Verlockendes. Doch nur wenige trauen sich, vorzeitig aus dem Arbeitsleben auszusteigen. Dabei lässt sich der vorzeitige Ruhestand strategisch planen und die finanziellen Einbußen halten sich meist in erträglichen Grenzen.

Endlich den Segelschein machen, in Kochbüchern stöbern und in aller Ruhe auf dem Markt einkaufen können, zu Fuß die Alpen überqueren oder einfach das Leben zu Hause genießen – davon und von vielen anderen schönen Dingen träumen viele, wenn sie an ihren Ruhestand denken. Da kommt schon mal der Gedanke auf, so bald wie möglich in den dritten Lebensabschnitt einzusteigen.

Regulär müssen Zahnärzte bis zum Alter von 65 bis 67 Jahren arbeiten, um in den Genuss der Rente aus dem Versorgungswerk zu gelangen. Das genaue Datum hängt vom Geburtsjahr ab. Ab Jahrgang 1948 steigt die Altersgrenze monatsweise auf 67 an. Zahnärzte, die 1971 oder später geboren sind, können erst mit 67 den Bohrer ablegen, wenn sie die vollen Bezüge vom Versorgungswerk kassieren wollen.

Möglich ist aber auch ein früherer Ausstieg aus dem Arbeitsleben. Die Frage ist nur, ob man sich das „gute Leben“ auch leisten kann. Zwar fallen im Alter einige Ausgaben wie für Versicherungen und Unterhalt der Kinder weg. Dafür steigen aber die Auf- wendungen für Gesundheit und Freizeit- vergnügen. Wer im Alter den gewohnten Lebensstandard beibehalten will, sollte sich möglichst früh um seine Finanzplanung kümmern und eine detaillierte Übersicht über Einkommen und Ausgaben erstellen.

Üblicherweise basiert die finanzielle Absicherung des Ruhestands auf drei Säulen: die Bezüge vom Versorgungswerk, der Erlös aus dem Verkauf der Praxis und verschiedenen Kapitalanlagen. In ihr Versorgungswerk zahlen die Zahnärzte während ihres kompletten Berufslebens ein, um dann normalerweise ab dem Alter von 65 Jahren eine lebenslange Rente zu beziehen.

Deren Höhe orientiert sich an den Einzahlungen. Wer mehr als die Pflichtbeiträge investiert hat, bekommt entsprechend höhere Bezüge. Allerdings sind auch diese – wie die gesetzliche Rente – unweigerlich von den seit Jahren extrem niedrigen Zinsen für Kapitalanlagen betroffen. Daher kann es sein, das die Rente bescheidener ausfällt als gedacht. Im Schnitt dürften die Renten knapp unter 3 000 Euro monatlich liegen. Nur knapp elf Prozent der Zahnärzte kommen auf 4 000 Euro und mehr. Die meisten Ärzte dürften während des Berufslebens ein höheres Monatseinkommen zur Verfügung haben.

Rentenerträge oft kleiner als gedacht

Das zeigt, dass im Ruhestand noch weitere Quellen angezapft werden müssen, um den Lebensstandard zu erhalten. Tom Friess, Geschäftsführer des Vermögenszentrums, ein auf Altersvorsorge spezialisierter Finanzdienstleister, berichtet aus seiner Erfahrung: „Die meisten Ärzte benötigen ein zusätzliches Einkommen zur Versorgung. Das muss aus dem angesparten Vermögen kommen.“ Besonders ein vorzeitiger Abschied aus dem Berufsleben muss daher detailliert kalkuliert werden.

Für Zahnärzte, die den vorzeitigen Ausstieg wagen, halten die einzelnen Versorgungswerke unterschiedliche Regelungen bereit. So erlaubt das Altersversorgungswerk der Zahnärztekammer Niedersachsen den Abschied von der Praxis zum 60. Lebensjahr. Die meisten Einrichtungen gewähren einen Ausstieg bis zu fünf Jahre vor dem regulären Zeitpunkt.

Diese Sonderbehandlung gibt es aber nicht umsonst. Wie bei der gesetzlichen Rente werden abhängig vom Zeitpunkt des Ausstiegs Abschläge fällig. Das können zum Beispiel in Niedersachsen 0,5 Prozent pro Monat, den der Zahnarzt früher in Rente geht, sein. In Sachsen müssen Kollegen, die ihre ärztliche Arbeit einstellen, nur 0,3 Prozent Abzug hinnehmen. Arbeitet der Arzt in seinem Beruf weiter, zieht man ihm 0,5 Prozent ab.

Diese Möglichkeit macht unter anderem einen Unterschied zur gesetzlichen Rente aus. Bezieher der gesetzlichen Rente dürfen nur sehr eingeschränkt hinzuverdienen, wenn sie in den vorzeitigen Ruhestand gehen. Die Sonderregelung erlaubt den Zahnärzten einen langsamen Abschied von der Praxis. Denn bei aller Vorfreude auf die freie Zeit fällt es schwer, das gewohnte Leben aufzugeben. Ein kleiner Trost: Beiträge an das Versorgungswerk werden dann nicht mehr fällig. Die Summen, die die Versorgungswerke für den vorzeitigen Ruhestand einbehalten, beziehen sich nicht auf die Regelaltersrente sondern auf den Betrag, der bei vorzeitigem Ruhestand gezahlt wird.

Nur Durchrechnen bringt Erkenntnis

Ob sich ein Vorziehen der Altersrente finanziell lohnt, ist ein Rechenexempel. Wolfgang Prange, Abteilungsleiter beim Versorgungswerk der Zahnärztekammer Nordrhein warnt: „Sofern ein Mitglied vor dem Regelendalter in Rente gehen möchte, werden nicht nur Abschläge von den erworbenen Anwartschaften in Abzug gebracht, sondern es fehlen auch die Beiträge vom vorgezogenen Rentenbeginn bis zum Regelendalter. Dies führt dazu, dass die von den Versorgungswerken versicherungsmathematisch korrekt berechneten Leistungen erheblich niedriger sind als die Regelaltersrente.“

So stehen auf der Einnahmeseite die gesparten Beiträge fürs Versorgungswerk sowie die gezahlten, aber abgespeckten Bezüge. Diese Summen könnte der Bezieher anlegen und ab 65 für den Ausgleich zur regulären Rente einsetzen. Auf der Ausgabenseite addieren sich vor allem die Abzüge bei der Rente. Denn sie bleiben dem Ruheständler bis zum Lebensende erhalten. Das Vermögenszentrum hat diese Rechnung aufgemacht und festgestellt, dass sich der Vorruhestand lohnt, bis der Zahnarzt circa 90 Jahre alt wird. Erst ab einem höheren Alter bringt ihm die Regelaltersrente einen Vorteil.

Allerdings wird der Vorruheständler die Bezüge vom Versorgungswerk für die Finanzierung seines Lebensunterhalts benötigen und wahrscheinlich nicht anlegen. Es sei denn, er steht weiterhin am Stuhl, verdient sein Geld und bezieht die vorgezogene Rente nebenher.

Alle diese Berechnungen sind eher überschlägig und hängen von vielen Variablen ab, die nur ein Fachmann beurteilen kann.

Die Planung kann auch nicht ohne den Fiskus gemacht werden. Darauf weist Steuerberater Reinhard J. Gerhardy aus Göttingen hin: „Mit der Entscheidung für die vorgezogene Altersrente endet die Beitragspflicht in der Ärzteversorgung. Das führt zunächst zu einer spürbaren Verbesserung der Liquidität. Dieser Effekt wird allerdings durch eine höhere Besteuerung wegen des Wegfalls des Sonderausgabenabzugs und der Besteuerung der Rente geschmälert.“ Besonders betroffen sind davon diejenigen, die trotz Rente noch arbeiten.

Rechnung nicht ohne Fiskus machen

Gleichzeitig führt die vorgezogene Rente sofort zu einer dauerhaft niedrigeren Besteuerung. Je früher sie beginnt, desto niedriger fallen die Steuern aus. Der zu versteuernde Anteil steigt kontinuierlich bis 2040 an. Dann sind 100 Prozent erreicht. Wer 2015 einsteigt, von dessen Einkünften unterliegen 70 Prozent der Steuer. Wie hoch die Abzüge sein werden, hängt vom persönlichen Steuersatz ab und welche weiteren Einkünfte dazu kommen.

Ein weiterer Baustein zum Alterseinkommen kann die private Rente sein. Besonders steuergünstig ist die Basis- oder Rürup-Rente. Sie wird mit Sonderausgabenabzug gefördert. Beiträge für andere private Rentenversicherungen werden aus versteuertem Einkommen bezahlt. Dafür unterliegen sie bei der monatlichen Auszahlung nur der sogenannten Ertragsanteilbesteuerung. Die Höhe des Ertragsanteils richtet sich nach dem Lebensjahr, in dem der Zahnarzt die erste Rente bezieht. Dieser Teil der Rente wird mit dem individuellen Steuersatz besteuert. Wer mit 60 Jahren in den Ruhestand geht, hat einen Ertragsanteil von 22 Prozent zu versteuern, mit 65 Jahren sind es nur 18 Prozent.

Der zweite Bestandteil der Altersvorsorge setzt sich aus den verschiedenen Kapitalanlagen zusammen, zu denen natürlich auch die bereits erwähnte Privatrente gehört. Doch leider sind nicht alle Assets (so der Fachausdruck für Anlagen) so leicht zu händeln. Tom Friess berichtet: „Uns fällt auf, dass Ärzte häufig Beteiligungen halten, die nicht liquide sind. Will der Zahnarzt sie verwenden, muss er sie auf dem Zweitmarkt verkaufen.“

Dieses Unterfangen ist zum einen schwierig, weil die Nachfrage nicht sehr groß ist und Zeit braucht. Außerdem sind die Erträge nicht sehr attraktiv. Friess empfiehlt deshalb: „Ein Zahnarzt sollte sich unbedingt fünf bis zehn Jahre bevor er in den Ruhestand geht mit seiner Vermögenssituation beschäftigen, um genügend Zeit für die Planung zu haben.“ Generell rät der Fachmann von Beteiligungen ab, weil sie schlecht verfügbar und kostenintensiv sind und die Rendite vergleichsweise niedrig ist.

Leichter tun sich Zahnärzte, die zum Beispiel Geld in Investmentfonds, die sich jederzeit verkaufen lassen, angelegt haben. Damit lässt sich ein Auszahlplan gestalten, der monatlich einen Zuschuss zum Monatseinkommen bringt. Auch Banken und Sparkassen bieten diese Möglichkeit. Man legt eine bestimmte Summe an. Dieses Geld verzinst sich und der Anleger kann wählen, ob die Auszahlung mit oder ohne Verbrauch des Kapitals erfolgen soll. Viele angehende Ruheständler verfügen über Immobilien, die sie vermieten. Auch dies kann Bestandteil des monatlichen Einkommens sein.

Das dritte Standbein für das Alterseinkommen rekrutiert sich aus dem Verkauf der Praxis. Für den Preis, den es zu erzielen gilt, gibt es keine Durchschnittsbewertungen. Sinnvollerweise zieht der Zahnarzt einen neutralen Gutachter zurate. Denn als Inhaber neigt man wie beim Hausverkauf gern zu unrealistischen Schätzungen. Der Preis setzt sich aus dem materiellen und dem immateriellen Wert zusammen. Technische Ausstattung und Bausubstanz bestimmen den materiellen Gehalt, die Patientenkartei und Lage den immatriellen Wert. Der Gewinn aus dem Verkauf der Praxis unterliegt natürlich der Einkommensteuer. Ist der Verkäufer älter als 55 Jahre und beträgt der Verkaufserlös nicht mehr als 136 000 Euro, darf er einen Freibetrag von 45 000 Euro geltend machen.

Bis zu einem Veräußerungsgewinn von 181 000 Euro schmilzt der Freibetrag kontinuierlich auf null Euro ab.

Vermögen aus Verkauf der Praxis nicht überschätzen

Der Erlös aus dem Praxisverkauf bildet zusammen mit dem angesparten Vermögen und den Bezügen aus dem Versorgungswerk den finanziellen Rückhalt für den Ruhestand. Er muss bis zum Ende der Lebenszeit vorhalten. Bei neugeborenen Jungen sind das im Schnitt 77,3 Jahre, bei Mädchen 82,3 Jahre. Doch für die Ruhestandsplanung zählt die Restlebenserwartung und die beträgt für einen 50jährigen Mann 29,4 und für eine 50jährige Frau 33,8 Jahre. Experten raten dazu, mindestens fünf bis zehn Jahre mehr zu veranschlagen, damit man auf der sicheren Seite ist. Um für diese Zeitspanne die Summe zu errechnen, die die Lücke zwischen Rente und notwendigem Einkommen schließt, muss die Inflationsrate einkalkuliert werden. Erst dann erhält man eine Vorstellung davon, wie viel Kapital benötigt wird, um den Lebensstandard zu sichern. Eine geschickte Anlagestrategie hilft bei der Umsetzung der Ziele. Optimal wäre es, wenn die Kapitalerträge wie Mieteinnahmen, Zinsen und Dividenden ausreichen würden, um die monatliche Einkommenslücke zu schließen. Wer sich diese Arbeit nicht selbst zutraut, holt sich Unterstützung bei bankenunabhängigen Experten.

Marlene EndruweitFachjournalistin für Wirtschaftm.endruweit@netcologne.de

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