Leitartikel

Nicht ohne Prävention

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

die Erfolge der Kariesprävention in den vergangenen 20 Jahren sind gut dokumentiert und besitzen nachhaltige Wirkung. Mit der konsequenten Umsetzung der oralen Prophylaxe und der Nutzung der gesetzlichen Rahmenbedingungen sowohl im bevölkerungsweiten Bezug als auch in der Gruppen- beziehungsweise Individualprophylaxe hat der Berufsstand erheblich an Ansehen gewonnen. Die Präventionskonzepte wirken, bedürfen aber der Verstetigung, insbesondere wegen des demografischen Wandels, mit dem das Risiko für Wurzelkaries steigt. Aber auch bei Kleinkindern gibt es Tendenzen zur Zunahme frühkindlicher Karies. Entscheidend ist, dass die Gesundheitsinformationen das Verhalten des Patienten wirklich beeinflussen. Die Gesundheitspsychologie konnte schon in den 1950er-Jahren im Rahmen des Health-Belief-Konzepts aufzeigen, dass die subjektive Überzeugung des Patienten wie Wahrnehmung der Krankheitsanfälligkeit und Schwere der Erkrankung sowie der Nutzen der eigenen Aktivitäten eigentlicher Bestimmungsfaktor für das Gesundheitsverhalten sind. Bei der Karies konnten so erfolgreiche Prophylaxeprogramme installiert werden.

Neben der Karies stellt die Parodontitis als weitere wichtige Erkrankung in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde eine zunehmende Herausforderung dar. Trotz der uneinheitlichen sozialepidemiologischen Indexsysteme kann heute davon ausgegangen werden, dass 40 Prozent der erwachsenen Bevölkerung eine moderate und etwa vier bis 22 Prozent der Erwachsenen und Senioren eine schwere Parodontitis an einem oder mehreren Zähnen aufweisen. Obwohl eine eindeutige klinische Falldefinition bisher fehlt, kann man von einer Unterversorgung bei dieser Erkrankung ausgehen. Die Gründe sind vielfältig und zeigen die Notwendigkeit neuer Versorgungskonzepte auf. Den Blick nur auf schwere Erkrankungsformen beziehungsweise auf Therapie zu richten, wäre zu kurzsichtig. Es muss auch darum gehen, dass die Prävention für die Parodontitis verbessert werden kann. Hier zeigt sich Forschungsbedarf, denn in der wissenschaftlichen Literatur wird kontrovers diskutiert, welche Faktoren außer der Mundhygiene und mit welcher Bedeutung als zentrale ätiopathogenetische Faktoren der Parodontitis zu betrachten sind. Als gesichert kann gelten, dass somatische, soziale aber auch Verhaltensfaktoren wesentlich in das Krankheitsgeschehen eingreifen. Dabei besitzt die individuelle Mundhygiene insbesondere bei der Gingivitisprävention wie auch bei der Aufrechterhaltung erzielter Behandlungsergebnisse bei der Parodontaltherapie eine zentrale Rolle.

Die vom Institut Deutscher Zahnärzte (IDZ) 2008 publizierte Befragungsstudie zum parodontitisrelevanten Wissen in der Bevölkerung zeigt die Handlungs- und Interventionsbedarfe auf. Weder das Wissen zur Entstehung, Selbsterkennung und Vorbeugung noch über mögliche gesundheitliche Risiken für den Gesamtorganismus noch die Risikofaktoren für eine Parodontitis sind ausreichend bekannt. Eine Zusammenarbeit von Zahnmedizin, Psychologie und Public Health wird als zwingend notwendig erachtet, um medizinischen Versorgungskonzepten eine ausreichende Awareness in der breiten Bevölkerung vorauszuschicken. Gleichzeitig gilt es, wissenschaftlich basierte Mundhygienetechniken zu entwickeln, die ausreichend Hygieneerfolge erzielen, ohne den Patienten feinmotorisch oder psychologisch zu überfordern. Um bei der Parodontitisprävention das Gesundheitsverhalten zu beeinflussen, gilt es, mit wissenschaftlich basierten Informationen bevölkerungsweit, aber auch individuell klare Botschaften zu setzen. Dies ist nicht nur Aufgabe für die Aus- und Fortbildung des Berufsstands, sondern auch für die Öffentlichkeitsarbeit der Selbstverwaltung. Die Verbesserung von Therapie und Prävention parodontaler Erkrankungen ist zentrale Herausforderung für eine gemeinsame zahnärztliche Gesundheitspolitik von KZBV und BZÄK. Fundierte Strategien der Parodontitisprävention und moderne Behandlungskonzepte sind zwei Seiten einer Medaille, um den parodontalen Gesundheitszustand in Deutschland nachhaltig zu verbessern.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Dietmar OesterreichVizepräsident der Bundeszahnärztekammer

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