Professionalisierung im Gutachterwesen

Im Interesse von Arzt und Patient

Als aktiver Player des Gesundheitssystems unternehmen der zahnärztliche Berufsstand und dessen berufliche Körperschaften vieles, um ihrer gesundheits- und gesellschaftspolitischen Verantwortung gerecht zu werden. Hierzu zählt auch das institutionalisierte und im Gesundheitswesen einzigartige vertragszahnärztliche Gutachterwesen, das die Zahnärzteschaft als originäre Aufgabe der Selbstverwaltung begreift. Qualitätssicherung ist dabei ständiger Auftrag.

Das Ziel ist klar: Die Existenz von Gutachterwesen (und auch Schlichtungsstellen) bei den zahnärztlichen Körperschaften dient vor allem dem Vertrauensverhältnis zwischen Zahnarzt und Patient. Doch über die Installierung eines derartigen zahnärztlichen Gutachterwesens als originäre Aufgabe der Selbstverwaltung im Gesundheitssystem hinaus kommt dieser Einrichtung auch von gesundheitspolitischer Seite eine immer größere Bedeutung zu: Der Stellenwert der Patientenmitsprache im Gesundheitswesen nimmt ständig zu – das seit vergangenem Jahr geltende Patientenrechtegesetz ist deutlicher Ausdruck dieser Entwicklung.

Das Verfahren ist hinlänglich bekannt: Gesetzlich versicherten Patienten mit Problemen nach einer Versorgung mit Zahnersatz steht das für die vertragszahnärztliche Versorgung geregelte Gutachterverfahren zur Verfügung.

Die Kasse muss in diesen Fällen auf Wunsch des Patienten einen Gutachter mit der Prüfung der Behandlung beauftragen. Mithilfe des Gutachtens erhält der Patient bei festgestellten Mängeln Empfehlungen zum Umgang und zur Abhilfe der bestehenden Probleme. Privatpatienten und gesetzlich versicherte Patienten, die zahnmedizinische Leistungen in Anspruch genommen haben und Behandlungsfehler vermuten, können bei den (Landes-)Zahnärztekammern ein Gutachten über die durchgeführte Behandlung beauftragen.

Lege-artis-Behandlung wird untersucht

Für beide Arten des Gutachterwesens gilt: Im Gutachten wird die Versorgung daraufhin geprüft, ob sie den Regeln der zahnmedizinischen Kunst entspricht. Hierfür sind in den zahnärztlichen Körperschaften erfahrene, qualifizierte und unabhängige Zahnärzte als Gutachter tätig. In Gutachterrichtlinien ist festgelegt, welche Qualifikationen die Gutachter haben müssen und wie sie ihren Gutachtenauftrag durchzuführen haben. Die zahnärztlichen Körperschaften haben für die jeweiligen Gutachter Leitfäden zusammengestellt, die als Unterstützung der verantwortungsvollen Tätigkeit konzipiert wurden und anhand derer viele Sach- und Verfahrensfragen beantwortet werden. Bei der Erstellung eines Gutachtens wird die bisherige Dokumentation des Behandlers herangezogen. Kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, dass eine Behandlung nicht lege artis erfolgt ist, kann der Patient das Gutachten seinem behandelnden Zahnarzt mit dem Ziel einer außergerichtlichen Streitbeilegung vorlegen.

Sehr oft kann auf dieser Grundlage eine Einigung zwischen Patient und Zahnarzt erzielt werden, ohne dass das zwischen beiden Parteien bestehende Vertrauensverhältnis größeren Schaden nimmt. Dabei wird von den zahnärztlichen Körperschaften auf Landes- und Bundesebene ständig die Qualität der gutachterlichen Tätigkeit abgesichert. Erst jüngst hatte die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) mit dem Spitzenverband der Krankenkassen eine Regelung getroffen, die diesem Umstand nicht nur Rechnung trägt, sondern ihn untermauert (siehe Kasten). Von der Qualitätssicherung zeugen auch die vielen und regelmäßigen Gutachtertagungen und -schulungen. Auch sie liefern den Beweis, dass die Zahnärzteschaft als Teil der Selbstverwaltung ihrer Verantwortung mit hoher Kompetenz in jeder Beziehung gerecht wird.

So etwa auch beim Fortbildungscurriculum „Gutachterliche Professionalisierung“ 2013/2014 im Saarland, das hier exemplarisch für viele andere Fortbildungen stehen und damit pars pro toto sein soll. Das mehrmodulige Curriculum, das bereits im Sommer vergangenen Jahres startete, ist ein interdisziplinäres Kooperationsprojekt der Kassenzahnärztlichen Vereinigung des Saarlandes (KZVS) sowie der Abteilung Zahnärzte der Ärztekammer des Saarlands. Zum Abschluss hat das Pilotprojekt (siehe Kasten) einen Bericht zu seiner Fortbildung vorgelegt.

Darin heißt es, ein Interesse an der Struktur und Strukturierung des Gutachterwesens „begründet sich aus berufsständischem wie öffentlichem Bedarf gleichermaßen“. Die Profession zeige dabei, inwieweit ihre Handlungsfähigkeit im Umgang mit Krisen erhalten bleibt, was letztlich mit einem Interesse der Gesellschaft an der Gesunderhaltung ihrer Individuen einhergehe. Die gutachterliche Verantwortung gelte für den zu begutachtenden Patienten wie auch für den fachlich infrage gestellten Behandler.

Fachliche Begutachtung durch den Berufsstand

Der Bericht weist auch auf den verantwortungsvollen Spagat hin, den Gutachter zu bewältigen haben: „Im gleichen Maß, wie es für die Behandlungs- oder Nicht-Behandlungsoptionen des praktisch tätigen Kollegen wichtig ist, Sachkenntnisse im therapeutischen Vorfeld zur Verfügung zu haben, so ist es aus berufsständischem Interesse wichtig, dass der Gutachter retrospektiv den gesamten Fallbedingungen gerecht wird, um einerseits fachliche Fehlleistungen aufzudecken, aber andererseits auch abseits eines unzulänglichen Handwerkerverständnisses einen ungerechten Fingerzeig in Richtung zahnärztliche Profession zu unterbinden.“

Dies stehe in einem engen Bezug zum autonomen Handeln der Profession, das im Fall des Gutachterwesens argumentativ dadurch gestützt bleiben soll, dass das Begutachten aus dem Berufsstand heraus auf einer professionalisierten Basis geschieht, heißt es im Sachstandsbericht. Gutachterliche Tätigkeit vollziehe sich „mitten im Spannungsfeld des Misserfolgs zwischen Patient und Behandler“. Gerade diese Situation berge ein hohes Belastungspotenzial für das Verhältnis zwischen Profession und Öffentlichkeit.

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