Leitartikel

Puzzleteile

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

die jetzt nicht mehr ganz so neue Regierung ist über 100 Tage im Amt. Schonfristen sind verstrichen, nun geht es in die intensive parlamentarische Sacharbeit. Für uns Spitzenvertreter der BZÄK heißt das, neue Zuständigkeiten auszuloten, zahlreiche Gespräche mit neuen und bekannten Köpfen zu führen und unsere Positionen auf der gesundheitspolitischen Bühne in Berlin weiter zu verankern. Die Palette der Themen ist breit, sie reicht von der Bedeutung der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, der Rolle der Freien Berufe in Europa, der Nachwuchsförderung im Berufsstand, von Patientenrechten bis hin zu originär zahnärztlichen Fachbelangen wie der weiteren Implementierung des AuB-Konzepts, des Konzepts zur Early Childhood Caries oder der Diskussion um Medizinprodukte. Und diese Liste der Themen und Anliegen ist noch lange nicht vollständig.

Auch wenn es nicht explizit im Koalitionsvertrag und damit auf der politischen Agenda steht: Ein ganz zentrales Thema ist die Weiterentwicklung des gesetzlichen und privaten Krankenversicherungssystems. Wer die gesundheitspolitischen Diskussionen aufmerksam verfolgt, wird feststellen, dass sich Gruppierungen unterschiedlichster Art dafür stark machen, Weichen zu stellen und Pflöcke einzuschlagen. Das Ganze gleicht einem Puzzlespiel, bei dem entscheidende Teile noch nicht richtig platziert sind.

Man betrachte beispielsweise die Diskussionen um das im Koalitionsvertrag vereinbarte Institut, das die Qualität der ambulanten und der stationären Versorgung ermitteln und dem G-BA Entscheidungsgrundlagen liefern soll. Das Qualitätsinstitut wird künftig eine tragende Rolle in der geplanten Ausgestaltung des Gesundheitswesens hin zu mehr Transparenz im Leistungsgeschehen haben. Da der G-BA unter der Rechtsaufsicht des Bundesgesundheitsministeriums steht, ist dieses mit involviert. Das heißt aber auch, dass der G-BA als oberstes Beschlussgremium der Selbstverwaltung zunehmend durch staatliche Vorgaben dominiert wird. Der Handlungsraum der klassischen Selbstverwaltung wird damit stark eingeengt.

Hier kommt die PKV mit ins Spiel: Wie positioniert sie sich in diesem Zusammenhang? Wird sie versuchen, am geplanten Institut anzudocken? Das könnte kritisch werden, da sie dann Gefahr laufen würde, auf den Zug der GKV aufzuspringen. Oder laufen die Diskussionen eher in die andere Richtung, dass die PKV ein ähnliches Institut im privaten Bereich aufstellt, um der GKV-Seite einen Counterpart zu bieten? Ein interessanter Gedanke, der bisher noch nicht zu Ende gedacht ist. Wie dem auch sei – wenn die PKV im Gesundheitswesen Chancen haben will, dann muss sie dem GKV-Qualitätsinstitut eigene Akzente entgegensetzen.

Vonseiten der Bundeszahnärztekammer wird die Notwendigkeit gesehen, eine unabhängige Institution zu schaffen, die nicht nur dem G-BA, sondern auch anderen Beteiligten methodisch fundierte Grundlagen zur Verbesserung der Qualität im Gesundheitswesen liefert. Sinnvoll wäre es aus unserer Sicht, die BZÄK im Verbund mit der Bundesärztekammer und der Bundespsychotherapeutenkammer in einer tragenden Rolle zu beteiligen. Es geht um die Sicherstellung der Qualität der erbrachten Leistungen – ein ureigenes Kammerthema und ein Regelungsbereich, der über das SGB V hinausgeht und deshalb eines übergreifenden Ansatzes bedarf. Und der im Übrigen die Position der Selbstverwaltung weiter stärken würde.

Wenn es um die Rolle der Selbstverwaltung geht, muss man auch die Entwicklungen aus Europa im Blick behalten. Im Rahmen der EU-Transparenzinitiative mit dem Bestreben nach mehr Deregulierung stehen die Strukturen der Freien Berufe auf dem Prüfstand. Für die BZÄK ist dies ein Frontalangriff auf das in Deutschland bewährte System der Selbstverwaltung. Solche Tendenzen dürfen nicht zur Aushöhlung der Qualität freiberuflicher Dienstleistungen führen – und die Aufgaben gefährden, die die Selbstverwaltung übernommen hat, um die Aufgaben der Staatsverwaltung zu entlasten. Ein Puzzleteil mehr im großen Konglomerat der Selbstverwaltung, das richtig gesetzt werden will.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Peter EngelPräsident der Bundeszahnärztekammer

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