Zwei Jahre GOZ-Novelle

Mühevolle Kleinarbeit

mg
Auch zwei Jahre nach Inkrafttreten der GOZ 2012 ist die Zahnärzteschaft mit dem Ergebnis der Novellierung unzufrieden. Unbeirrt davon arbeiten Dutzende von Experten daran, die Notverordnung so auszulegen und zu kommentieren, dass in der täglichen Praxis bestmöglich damit gearbeitet und abgerechnet werden kann. Die Forderung nach einer angemessenen Punktbewertung und Relationierung ist damit nicht vom Tisch, sondern auf die Zeit nach der GOZ-Bewertung durch die Politik vertagt. Was bis 2015 bleibt, ist viel mühsame Feinarbeit – um nach und nach die Unzulänglichkeiten der Verordnung zu beheben.

Dieser politische Pragmatismus bündelt sich im 285-seitigen Kommentar der Bundeszahnärztekammer. Die wissenschaftlich abgesicherte Abrechnungsanleitung wurde bereits mehr als 39 000-mal aus dem Internet heruntergeladen – gelegentlich aber auch als „zu defensive Auslegung“ des Verordnungstextes angriffen. Ein Grund: Die BZÄK stört mit ihrem kostenlosen Service für die Zahnärzte das Geschäftmancher Akteure der Branche. Viele andere berufen sich jedoch in ihrer Arbeit gerade auch auf die Aussagen der Bundeszahnärztekammer.

Ein Missverständnis drückt die Stimmung

Da die Struktur der alten GOZ weitestgehend beibehalten wurde – die zm-Aus-gaben 24/2011 bis 9/2012 beschreiben ausführlich die einzelnen Veränderungen – kann das Gros der Praxen mittlerweile ohne größere Probleme mit der novellierten GOZ arbeiten. Das gilt auch für die Abrechnung von gleichartigen und andersartigen Leistungen im Festzuschusssystem. Damit kommt der GOZ auch im vertragszahnärztlichen Bereich eine außerordentliche Bedeutung zu.

Trotzdem sei die Stimmung „mehrheitlich negativ“, berichtet Dr. Wolfgang Menke, Vorsitzender des BZÄK-Ausschusses für Gebührenrecht, der sich in Zusammenarbeit mit den GOZ-Referenten der Länderkammern der mühsamen Abstimmungsarbeit widmet. „Das Grundgefühl, der Zahnärzteschaft sei ein großes Unrecht geschehen, bekommen wir durch unsere Arbeit nicht weg“, sagt der Präsident der Zahnärztekammer Bremen.

Auch wenn mittlerweile Konsens sei, dass 2011 angesichts der politischen Rahmenbedingungen nicht mehr zu erreichen war, sei bei vielen der damals zu Recht politisch geforderte und nach wie vor nicht aufgegebene Anspruch auf einen Inflationsausgleich von etwa 60 Prozent noch durchaus im Bewusstsein. Schuld an der aktuellen Stimmung an der Basis sei aber auch ein hartnäckiges Missverständnis, erklärt Menke: der Glaube, die Verordnung sei das Ergebnis eines Kuhhandels, bei dem zugunsten eines Verzichts auf eine Öffnungsklausel die dringend benötigte Anhebung des Punktwerts eingetauscht worden sei. In Wirklichkeit habe der politische Prozess, der letztlich zur GOZ-Novelle führte, jedoch mit Verhandlungen nichts zu tun gehabt, betont der Bremer Kammerpräsident.

Zwei große Baustellen für die Zeit nach 2015 bleiben

„Die Positionen von BZÄK, PKV und Beihilfe wurden lediglich angehört, bevor der Gesetzgeber die Verordnung erlassen hat.“ Das Ergebnis sei eine Notverordnung, so bewertet es auch Menke, allerdings eine, deren Ausgestaltung auch nennenswert positive Veränderungen brachte: Die deutliche Höherbewertung einzelner Leistungen, dazu OP-Zuschläge und die Übernahme einer aus der GOÄ entlehnten, neuen Analogleistungsregelung, die auf den ehemals verwendeten Zeitbezug verzichtet.

Menkes Vermutung nach wird sich der Honorarzuwachs der Zahnärzteschaft – dessen Messung nach § 12 GOZ zur Prüfung der Folgen der GOZ-Novelle vom Verordnungsgeber bis Mitte 2015 vorgeschrieben ist – „im oberen einstelligen Prozentbereich“ einpendeln. Die entsprechende Analyse der BZÄK ist mittlerweile für 14 der 17 Kammern abgeschlossen und soll im Frühjahr 2014 vorliegen. Noch stehen die Ergebnisse aus Schleswig-Holstein, Hamburg und Nordrhein aus. Sollte der Honorarzuwachs auf dem von Menke prognostizierten Niveau liegen, rechnet die BZÄK nicht mit einer Beanstandung durch das Bundesgesundheitsministerium. Noch auf dem Zahnärztetag 2013 hatte Ex-Gesundheitsminister Daniel Bahr verlauten lassen, dass sich bei einer Überschreitung der BMG-Prognose von sechs Prozent keine automatischen Konsequenzen ableiten ließen. Menke: „Wenn es letztlich sechs Prozent plus ein Inflationsausgleich für die Jahre 2012 bis 2015 sind, tut das politisch auch keinem weh.“

Schmerzhaft bleibt für die Zahnärzteschaft hingegen der vom Gesetzgeber diktierte Verzicht auf eine Anpassung des Punktwerts und die fehlerhafte Relationierung einzelner Leistungen. Diese beiden Aspekte will die BZÄK nach dem Bewertungsprozess 2015 auf die politische Agenda bringen. Ziel könne dabei nur sein, in kürzeren Abständen die notwendigen Anpassungen einzufordern. Was den Punktwert betrifft, lasse sich so „zumindest für die Zukunft das Dilemma umgehen, dass man nach einem langen Zeitraum 20 Prozent oder mehr aufholen muss, was niemandem vermittelbar ist“, erklärt Menke.

Problembewusstsein beim Verordnungsgeber wecken

Was die fehlerhafte Relationierung einzelner Gebührenpositionen betrifft, müsse beim Verordnungsgeber überhaupt erst ein Problembewusstsein geschaffen werden. So decke beispielsweise die Bewertung der Extraktion eines einwurzeligen Zahnes (GOZ-Nr. 3000), die bei 2,3-fachem Faktor mit 9,05 Euro abgerechnet werden kann, in keiner Weise die damit verbundene, zeitintensive Beratungsleistung des Zahnarztes zu den weiteren Versorgungsoptionen. „Wenn es schnell geht, kann ich den Zahn in weniger als zwei Minuten ziehen“, sagt Menke, „die Aufklärung und die Beratung des verunsicherten Patienten können aber eine halbe Stunde oder länger dauern.“ Auch seien die Kosten der Instrumentenaufbereitung und der entsprechenden Dokumentation in keiner Weise berücksichtigt.

Zeitaufwendige Gespräche finden seit April 2013 auch im Beratungsforum für Gebührenordnungsfragen statt. Fünf Beschlüsse konnte das Gremium bisher verabschieden (siehe Kasten), das aus vier Vertretern der BZÄK, zwei Mitarbeitern des PKV-Verbands und je einem Vertreter der Beihilfestellen von Bund und Ländern besteht.

Trennung von Liquidation und Erstattung beschlossen

Der bisher wichtigste Beschluss ist der zur „Trennung von Liquidation und Erstattung“, wonach Bestimmungen tarifbedingter Vertragsbestandteile zwischen Patienten und Versicherern keinen Einfluss auf die Berechenbarkeit von Leistungen nach der GOZ haben. Damit könnte das Problem der Vergangenheit angehören, dass vonseiten der kostenerstattenden Stellen abweichende Interpretationen, Forderungen und subjektive Aussagen im Rahmen der Bearbeitung von Liquidationen oder Kostenvoranschlägen getroffen werden.

Die Beschlüsse des Beratungsforums hätten allesamt zum Ziel, die Rechtsunsicherheit nach Novellierung der GOZ zu beseitigen, erklärt Menke, weshalb man sich „in einem partnerschaftlichen Miteinander“ der mühevollen Abstimmungsarbeit widme. „Dabei geht es vor allem darum, grundsätzliche Auslegungsfragen, Fragen der privatzahnärztlichen Qualitätssicherung sowie Fragen des Inhalts und der Abgrenzung privatzahnärztlicher Leistungen zu diskutieren und möglichst einvernehmlich zu beantworten.“ Langfristiges Ziel sei die Verbesserung der Beziehung zwischen Patient, Zahnarzt und Versicherungsmitarbeiter in der täglichen Praxis.

Gutachten zur strittigen GOZ-Nr. 2197 liegt vor

Parallel arbeite die BZÄK daran, die Diskussion um die strittige Nebeneinanderberechnung der GOZ-Nummern 2060 ff. (Kompositrestaurationen) und 2197 (adhäsive Befestigung) zu befrieden. Ein bei der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) eingeholtes Gutachten liegt vor und stützt die Argumentation der BZÄK, was den Ausschluss der Nebeneinanderberechnung betrifft.

Die Gebührengruppe 2060, 2080, 2100 und 2120 sei „für die Restauration mit Kompositmaterialien in Adhäsivtechnik (Konditionieren)“ geschaffen, wobei der Klammerzusatz lediglich einen für die Adhäsivtechnik typischen, obligaten Behandlungsschritt beschreibe, heißt es in einem Positions- papier des Ausschusses für Gebührenrecht der Bundeszahnärztekammer.

„Ob diese Maßnahme isoliert oder in Kombination mit dem Primen und/oder Bonden erfolgt, ist gebührenrechtlich unerheblich.“ Dabei mache die Aufnahme der Adhäsivtechnik in die aufzählende Leistungsbeschreibung alle in diesem Verfahren enthaltenen Leistungsschritte zu Leistungsbestandteilen und „damit zur unabdingbaren Berechnungsvoraussetzung der Gebührennummern 2060 ff.“. Abschließend heißt es zu diesem Sachverhalt: „Vereinzelt wird die [...] widersprechende Auffassung vertreten, neben den Gebühren-Nummern 2060 ff. GOZ sei die GOZ-Nr. 2197 berechnungsfähig. Dieser Einschätzung ist nicht zu folgen.“

Länderkammern stützen Kommentar der BZÄK

Bis auf die Kammer Nordrhein, die in diesem speziellen Fall eine gegenteilige Auffassung vertritt, stützen alle anderen Kammern die bisherige Interpretation der BZÄK. Grundsätzlich streben die Landeszahnärztekammern aber danach, möglichst einheitliche Aussagen zur GOZ-Verordnung zu treffen und die Meinungsführerschaft bei der BZÄK als kompetenter Stelle anzusiedeln, wie auch jüngst ein Votum der Vollversammlung der Bayerischen Landeszahnärztekammer bestätigte. Dies wird auch von den 17 GOZ-Referenten aus den Länderkammern so gesehen. Als erste Ansprechpartner für die Anfragen der Praxen liefern sie wertvolle Anregungen für die Weiterentwicklung der Verordnungsauslegung. Bei Bedarf treffen sie sich in GOZ-Arbeitsgruppen der Bereiche Nord, Mitte und Süd sowie auf Bundesebene zu Koordinierungskonferenzen mit dem Ausschussvorsitzenden Menke. Die Vorsitzenden der GOZ-AGen, Zahnarzt Jost Rieckesmann (Mitte), Dr. Michael Striebe (Nord) und Dr. Jan Wilz (Süd) bilden schließlich auch die Mitglieder des Ausschusses für Gebührenrecht der BZÄK. „Durch diese Struktur wird der auf Länderebene vorhandene Sachverstand genutzt“, sagt Menke, „und eine unterschiedliche Interpretation der GOZ in verschiedenen Regionen weitestgehend vermieden.“

Mit der eingespielten Konstellation aus GOZ-Referenten, deren -AGen, dem Ausschuss Gebührenrecht und dem Beratungsforum mit PKV und Beihilfe sei die BZÄK gut aufgestellt, sukzessive die kleineren Unzulänglichkeiten der GOZ-Novelle abzuarbeiten, erklärt Menke. Was bleibt, sind die schwereren Mängel, die in Zukunft politisch angegangen werden müssten: der unveränderte Punktwert, die fehlerhafte Relationierung sowie die Vielzahl von Abrechnungspositionen, die auch bei Anwendung des Faktors 2,3 schlechter bewertet sind als nach BEMA.

„Wichtig zu verstehen ist, dass wir trotz unserer Auslegungsarbeit in der GOZ nicht den politischen Anspruch gegenüber dem Verordnungsgeber aufgeben, dass einige grundlegende Dinge an der GOZ geändert werden müssen“, sagt Menke. „Bis dahin müssen wir aber mit dem arbeiten, was wir haben, sonst würde es gar nicht gehen in den Praxen.“

Folgen der GOÄ-Novelle für Zahnärzte ungewiss

Zeitgleich beobachtet die BZÄK gespannt die anstehende GOÄ-Novellierung vor dem Hintergrund ihrer möglichen Auswirkungen auf die Zahnärzteschaft. Die Bundesärztekammer und der PKV-Verband hatten sich im November 2013 darauf verständigt, bis Ende 2014 „eine gremienreife Entwurfsfassung“ der neuen GOÄ vorzulegen. Ungewiss ist die zukünftige Bewertung der in der GOÄ enthaltenen zahnärztlichen Röntgenleistungen.

Ein erstes Beratungsgespräch mit der Bundesärztekammer zu den möglichen Auswirkungen der GOÄ auf die Zahnärzteschaft habe bereits stattgefunden, sagt Menke. Dabei sei es auch um das im Vorvertrag zwischen BÄK und PKV erwähnte unabhängige Bewertungsinstitut gegangen. Ob es zur Einrichtung eines solchen Instituts kommt, ist noch unklar. „Wir beobachten das mit großer Sorge, da die Finanzierung eines solchen Instituts Millionen kosten könnte“, sagt er, „und viel Arbeit machen würde.“

Schon jetzt können sich die mit der GOZ beauftragten Experten über mangelnde Arbeit nicht beklagen.

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