Der besondere Traumafall

Massives apikales Granulom infolge eines Frontzahntraumas

221782-flexible-1900
Heftarchiv Zahnmedizin
sp

Ein 46-jähriger Mann wurde vorstellig mit weicher Auftreibung in Regio 21. In einem daraufhin angefertigten Zahnfilm war neben einem Implantat in Regio 11 eine 10x12mm große, apikale Transluzenz an Zahn 21 erkennbar, ebenso eine Füllung, die nahe an das Pulpencavum heranreichte (Abbildung 1).

Anamnestisch wurde eine Implantation gut zehn Jahre zuvor, nach Avulsion des Zahnes 11 ein weiteres Jahr davor, durchgeführt. Zahn 21 wurde dabei aufgrund einer bestehenden komplizierten Kronenfraktur und gleichzeitiger Luxation bei bestehender Vitalität (Schmelz-Dentinfraktur mit Pulpenbeteiligung) durch eine direkte Pulpenüberkappung und adhäsiver Füllungstherapie versorgt. Des Weiteren wurden die Zähne von Regio 14 bis Regio 24 mit einer Kunststoffdrahtbogenschiene versorgt. Nach Abnahme der Schiene erfolgte die Implantation einer Branemark-Fixtur nach autogener Knochenblockentnahme aus dem Kinn zur vestibulären Augmentation. Zehn Jahre später stellte sich der Patient mit der kugeligen, druckschmerzhaften Schwellung im Vestibulum über Zahn 21 vor.

Zahn 21 wurde zunächst zur Initiierung einer Wurzelkanalbehandlung trepaniert, unter Kofferdam komplett von nekrotischem Pulpengewebe gesäubert und bei Resorptionserscheinungen im Bereich des Foramen apikale mit einer Calxyleinlage versorgt.

Die im Rahmen der nächsten Sitzung angefertigte Längen-Messaufnahme zur Verifizierung der endometrisch gemessenen Kanallänge zeigte eine ungewöhnliche Erweiterung der apikalen Konstriktion (Abbildung 2). Folglich kam es bei der im Weiteren mittels vertikaler Kondensation (continuous wave) durchgeführten Wurzelkanalfüllung zur Überpressung von Füllungsmaterial (Abbildung 3). Bei der daraufhin durchgeführten Wurzelspitzenresektion (Zugang mit Winkelschnitt nach Reinmöller) wurde ein 10x10 mm großes Weichgewebsresektat nebst überpresstem Guttapercha entfernt. Die knöcherne Begrenzung zum Implantat in Regio 11 war intakt. Die Wurzelspitze 21 wurde mittels Kugelfräse abgesetzt und geglättet. Die retrograde Kavität wurde unter mikroskopischer Inspektion (Zeiss OPMI Pico) mittels diamantierter Ultraschallspitze angelegt (Mectron PiezoSurgery), und mit Metall Trioxid Aggregat (Pro Root) unter Zuhilfenahme des Micro Apical Placement Systems versorgt (MAP, Dentsply) (Abbildung 4). Die histopathologische Aufarbeitung des Resektats bestätigte die anfängliche Verdachtsdiagnose einer radikulären Zyste nicht, sondern zeigte Hinweise auf das Vorliegen einer massiven, chronisch granulierenden Entzündung. Die Verlaufskontrolle nach zwölf und 24 Monaten ergab eine vollständige knöcherne Konsolidierung (Abbildung 5) bei Beschwerdefreiheit des Patienten.

Diskussion

Anzumerken zur hier vorgestellten Versorgung des Frontzahntraumas ist, dass eine Schienung über sechs bis acht Wochen nicht mehr als zeitgemäß angesehen wird. Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft werden Luxationsverletzungen der Zähne ohne Beteiligung des knöchernen Alveolarfortsatzes für maximal zehn Tage mittels Drahtbogen-Kunststoffschiene versorgt. Es wird davon ausgegangen, dass eine kürzere Schienungsdauer mit einem geringeren Risiko für Ankylose oder Ersatzresorption am betroffenen Zahn einhergeht. [Anderson et al., 2012, Diangelis et al., 2012, Brüllmann et al., 2010]. Allgemein gilt bei traumatisierten Zähnen, dass regelmäßige röntgenologische Kontrollen mittels Zahnfilm erfolgen sollten, um mögliche Komplikationen rechtzeitig diagnostizieren zu können [Brüllmann, 2012]. Der zeitliche Ablauf beträgt dabei für klinische Untersuchungen nebst Röntgen: nach drei Monaten, nach sechs Monaten, nach zwölf Monaten und dann über fünf Jahre alle zwölf Monate [Brüllmann, 2012]. Dies hängt jedoch von einer guten Compliance des Patienten ab. Im vorliegenden Fall führte eine unbemerkte Pulpennekrose nach mehreren Jahren zum Auftreten einer massiven apikalen Aufhellung, die mit apikalen Resorptionserscheinungen vergesellschaftet war und nun über eine vestibuläre Schwellung auffällig geworden ist. Die Ausdehnung des apikalen Befundes führte zur Entscheidung, den Befund operativ anzugehen. Die aktuellen Leitlinien zur Wurzelspitzenresektion, die sich in Überarbeitung befinden [Kunkel, Hülsmann, 2007], beschreiben, dass ab dem Vorliegen eines periapikalen Index [Orstavik, 1986] von über 3mm (apikale Läsion 4 bis 5 mm (Tabelle)) die Wurzelspitzenresektion als Alternative zu einer konservativen endodontischen Behandlung zu sehen ist. Im vorliegenden Fall war der Defekt deutlich größer. Es lagen apikale Resorptionserscheinungen vor, und durch den Umstand des Vorliegens überpressten Fremdmaterials fiel die Entscheidung zur operativen Sanierung mit Wurzelspitzenresektion und Probengewinnung.

Bei Vorliegen großer apikaler Befunde sollte differenzialdiagnostisch an das Vorhandensein eines eosinophilen Granuloms gedacht werden (vitaler Zahn, massive Transluzenz, tanzende Zähne). Grundsätzlich sind bei unüblich großen apikalen Läsionen neben zystischen Geschehen, dem eosinophilen Granulom die wesentlichen osteolytischen Tumoren (Riesenzellgranulome, Ameloblastome) auszuschließen [Neukam und Becker, 2000]. Rein aufgrund der Größe einer apikalen Läsion in der radiologischen Diagnostik kann nicht eindeutig auf das Vorliegen einer radikulären Zyste, eines apikalen Granuloms oder das Vorliegen eines neoplastischen Prozesses zurückgeschlossen werden [Weiland und Eckel 2006], was wiederum eine histopathologische Aufarbeitung, insbesondere bei Persistenz nach endodontischer Versorgung, notwendig werden lässt.

PD Dr. Dan D. BrüllmannDr. Benjamin BrisenoPD Dr. Dr. Christian WalterPoliklinik für Zahnärztliche ChirurgieUniversitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität MainzAugustusplatz 2, 55131 Mainzbruellmd@uni-mainz.de

Dr. med Dr. med.dent. Peer W. KämmererFacharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und Oberarzt der Klinik für MKG-Chirurgie der Universitätsmedizin RostockSchillingallee 35, 18057 RostockDeutschland

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