Neuordnung des Gutachterwesens

Eine tragfähige Basis

Mehr Qualität, mehr Transparenz: Die KZBV und der GKV-Spitzenverband haben das vertraglich vereinbarte Gutachterwesen harmonisiert. Das heißt, ab dem 1. April sind die Regelungen für alle Kassenarten deckungsgleich. Wir informieren Sie über die wichtigsten Veränderungen.

„Es ist das Ziel der KZBV, die Qualität und die Transparenz der vertragszahnärztlichen Begutachtung zu erhöhen und zugleich den bürokratischen Aufwand zu drosseln“, begründete der KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer die Anpassungen. „Insbesondere wollten wir den Wildwuchs, den es im vertragszahnärztlichen Gutachterwesen mit seinen unterschiedlichen Regelungen und Bestimmungen je nach Kassenart gab, zurückschneiden. Um am Ende flächen- deckend eine Systematik zu schaffen, die unabhängig von – naturgemäß immer wieder auftretenden – Differenzen zwischen KZVen und Kassen auf allen Ebenen funktioniert.“

Qualität bringt Akzeptanz

In diesem Sinne haben die KZBV und der GKV-Spitzenverband jetzt in einem ersten großen Schritt die vertragszahnärztlichen Gutachtervereinbarungen zusammengeführt – und damit die Basis für ein dauerhaft tragfähiges, funktionierendes Gutachterwesen als wesentlichen Bestandteil des Sicherstellungsauftrags gelegt. Grundlage ist das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, das die Selbstverwaltung beauftragte, die bislang nach Primär- und Ersatzkassen getrennten Bundesmantelverträge zusammenzuführen.

Was genau aber wurde geregelt und – vor allem – was geändert? In den Regelungen wird in erster Linie die Bestellung der Gutachter und Obergutachter definiert. Neu ist, dass künftig auch die Kassen einen Vertragszahnarzt als Gutachter vorschlagen können. Wie bisher auch, müssen jene von der KZV beziehungsweise KZBV und den Krankenkassen einvernehmlich berufen werden. Die Gutachter werden für je vier Jahre bestellt, allerdings können auf der Gesamtvertragsebene abweichende Amtsperioden vereinbart werden. Wird der Gutachter zum ersten Mal eingesetzt, kann jede Seite ihre Zustimmung innerhalb des ersten Jahres widerrufen. Ansonsten gilt der Gutachter für die laufende Amtsperiode als bestellt.

Klarheit für den Patienten

Die Qualität auszubauen und dadurch die Akzeptanz des Gutachterwesens für alle Beteiligten weiter zu stärken, darum geht es der KZBV.

Qualität beginnt bekanntlich mit Qualifikation: Der Gutachter muss daher neuerdings zum Zeitpunkt der Bestellung mindestens vier Jahre ununterbrochen als Vertragszahnarzt zugelassen sein. Außerdem hat er in seinem Fach ausreichend Erfahrung mitzubringen, eine angemessene Zahl an Behandlungsfällen nachzuweisen und sich regelmäßig fortzubilden.

Voraussetzung ist selbstverständlich auch, dass er seine Tätigkeit fachlich unabhängig und weisungsungebunden ausübt. Um die Qualität seiner Arbeit sicherzustellen, wird der Gutachter im ersten Jahr seiner Tätigkeit von der zuständigen KZV zudem fachlich begleitet. Im Rahmen der kieferorthopädischen Versorgung kann man nach wie vor nur Gutachter und Obergutachter werden, wenn man anerkannter Fachzahnarzt für Kieferorthopädie ist.

Auch für den Patienten bringt die Angleichung spürbar Vorteile: Die Gutachter sind nämlich prinzipiell verpflichtet, ihre Aufträge innerhalb von vier Wochen zu bearbeiten. Durch diese infolge des Patientenrechtegesetzes verkürzte Frist hat der Patient viel schneller Klarheit über die Ansprüche, die ihm im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zustehen. Der Gutachter wiederum findet sich in den Regelwerken besser zurecht, weil die rechtlichen Grundlagen von nun an klarer strukturiert, übersichtlicher in einem geschlossenen Regelwerk zusammengefasst und damit einfacher zu handhaben sind. Fehlende Unterlagen kann er – wenn er die Krankenkasse darüber informiert – direkt beim Behandler anfordern. Im Übrigen wurde die Kostenpauschale für bare Auslagen des Gutachters angepasst: Statt 10,70 Euro werden jetzt 12,20 Euro angesetzt.

Neues für KFO, PAR und ZE

• KFO

Ab jetzt ist der Vertragszahnarzt auch im Primärkassenbereich verpflichtet, Leistungen, die über die ursprünglich geplanten kieferorthopädischen Leistungen hinausgehen, aber keine Therapieänderung darstellen, der Krankenkasse anzuzeigen. Die Kasse kann dazu innerhalb von vier Wochen ein Gutachten einholen. Wie gehabt können der Vertragszahnarzt oder die Krankenkasse Einspruch gegen das Erstgutachten zum Zwecke der Einholung eines Obergutachtens einlegen. Konkretisiert wurde nun, welche Unterlagen der KZBV zur Verfügung zu stellen sind:

• der Behandlungsplan

• der Verlängerungsantrag oder die Therapieänderung

• das Gutachten

• und – wenn der Vertragszahnarzt Einspruch eingelegt hat – die Entscheidung der Krankenkasse.

Letztere trägt die Kosten des Erstgutachtens und grundsätzlich auch die des Obergutachtens. Neu ist, dass der Vertragszahnarzt bei allen Kassenarten dann das Obergutachten begleichen muss, wenn sein Einspruch scheitert, also sein Behandlungsplan vom Obergutachter abgelehnt wird. Damit entfällt die bisherige Streitfrage im Primär- kassenbereich, ob der Vertragszahnarzt verpflichtet werden kann, bei Einspruch der Krankenkasse das Obergutachten zu bezahlen. Die Höhe der vom Vertragszahnarzt zu übernehmenden Kosten – anteilig oder vollständig – wird im Einzelfall festgelegt.

Sind Zahnarzt und Krankenkasse unterschiedlicher Auffassung über die Zuordnung der geplanten kieferorthopädischen Maßnahmen zur vertragszahnärztlichen Versorgung (KIG-Einstufung), muss die Krankenkasse auf Antrag des Zahnarztes ein Gutachten einholen. Auch dann muss die Krankenkasse die Kosten übernehmen – und zwar unabhängig vom Ausgang des Gutachtens. Je nach Kassenbereich sind unterschiedliche Gutachtenaufträge möglich, zum Beispiel zu einzelnen Behandlungspositionen oder zu einem Nachbefund – sowohl im Primär- als auch im Ersatzkassenbereich. In der Praxis fallen solche Gutachten freilich nur selten an. Die Gebühren gelten unverändert.

Obwohl der GKV-Spitzenverband ursprünglich darauf bestand, bei Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten in der kieferorthopädischen Behandlung eine Zwischen- oder Abschlussbegutachtung einzuführen, konnte man sich am Ende darauf verständigen, dass die Krankenkasse in diesen Einzelfällen mit der KZV Kontakt aufnimmt.

• PAR

Im Unterschied zum Bereich KFO sieht die Gutachtervereinbarung zu PAR nur noch die Begutachtung einer Behandlungsplanung oder einer Therapieergänzung vor, die beide mit 80 Punkten bewertet sind. Die bisher möglichen Gutachten zu Nach- befunden (Primärkassenbereich) und einzelnen Behandlungspositionen (Ersatzkassenbereich) sind nicht mehr erforderlich und können deshalb künftig nicht mehr beauftragt werden.

• Zahnersatz und Zahnkronen

Die wichtigsten Änderungen im Gutachterwesen bei der Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen betreffen das Obergutachten- beziehungsweise das Prothetik-Einigungsverfahren und die Kostentragung der Gutachten.

Die unterschiedlichen Verfahren im Primär- und im Ersatzkassenbereich werden für alle Kassenbereiche geöffnet. Es ist jetzt die Entscheidung der jeweiligen Gesamtvertragspartner auf Landesebene, ob das Obergutachtenverfahren oder das Verfahren vor dem Prothetik-Einigungsausschuss vereinbart wird.

Generell kann gegen die Stellungnahme des Gutachters bei Planungs- und Mängelgutachten innerhalb eines Monats Einspruch bei der KZV eingelegt werden. Dabei kommt für die Kosten eines Obergutachtens zur Behandlungsplanung grundsätzlich die Krankenkasse auf – es sei denn, der Vertragszahnarzt hat Einspruch gegen die gutachterliche Stellungnahme eingelegt und unterliegt im Obergutachtenverfahren. In diesem Fall muss der Vertragszahnarzt diese Kosten ganz oder teilweise bezahlen. Das ist beim Mängelobergutachtenverfahren genauso: Wird die Notwendigkeit einer vollständigen Neuanfertigung der prothetischen Versorgung festgestellt, muss der Vertragszahnarzt die Kosten des Gutachtens und des Obergutachtens komplett zahlen. Soweit der Obergutachter es für notwendig hält, dass teilweise neuangefertigt oder nachgebessert wird, werden die Gutachtenkosten anteilig getragen.

Bei zweitinstanzlichen Verfahren vor dem Prothetik-Einigungsausschuss gilt dasselbe: Die Verfahrenskosten, die der Vertragszahnarzt gegebenenfalls tragen muss, sind hier jedoch auf die Höhe begrenzt, die in einem Obergutachtenverfahren entstehen würden.

Neu ist auch, dass die Krankenkassen ausgeführte prothetische Leistungen bei vermuteten Planungs- oder Ausführungsmängeln innerhalb von 24 Monaten nach definitiver Eingliederung begutachten lassen können. Damit werden die bisher im Primärkassenbereich bestehenden Unklarheiten zu den Fristen bei Mängelgutachten beseitigt.

Unterm Strich bleibt die Krankenkasse also grundsätzlich Kostenträger des Erstgutachtens. Nur im Bereich der Mängelbegutachtung kann der Vertragszahnarzt mit Kosten belegt werden, und zwar dann, wenn er erfolglos ein Obergutachten beziehungsweise ein Prothetik-Einigungsverfahren anstrengt.

• Implantologische Leistungen

Die Gutachtervereinbarung zu implantologischen Leistungen bleibt wie gehabt, allerdings erhöhen sich die Gutachtergebühren um 18 Prozent.

Zusätzliche Hinweise

In Ausnahmefällen gibt es kein einvernehmlich vereinbartes Gutachterverfahren. In solchen Einzelfällen, bei dem sich ein Partner – bisher auf Krankenkassenseite – ausklinkt, können jetzt auch die Primärkassen andere sachverständige Zahnärzte mit der Begutachtung beauftragen. Diese Regelung galt bislang nur bei den Ersatzkassen. Ein einseitiger Ausstieg ist aber zukünftig nicht mehr möglich. Ob ein solcher „Notstand“ vorliegt, entscheiden die Gesamtvertragspartner.

„Nicht nur auf Zahnärzte- und Kassenseite ist diese Angleichung ein Gewinn: Auch für den Patienten ist das Verfahren jetzt klarer und – das ist das Wichtigste – vor allem deutlich kürzer. Das war uns ein zentrales Anliegen“, bilanziert Eßer. „Insgesamt ist diese Vereinbarung ein dickes Brett – das aber noch nicht bis ganz zu Ende gebohrt ist: Jetzt müssen wir zügig die restlichen Regelungen in den Bundesmantelverträgen zusammenführen.“

Die KZBV hat die aktualisierten Bundesmantelverträge auf ihrer Website www.kzbv.de unter der Rubrik „Rechtsgrundlagen“ veröffentlicht. Darüber hinaus informiert Sie Ihre KZV.

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