Risikofaktoren

Krebs durch Fehlernährung und Übergewicht

Tumore entstehen nicht allein dadurch, dass Zellen entarten. Die Tumorentstehung ist vielmehr ein komplexer Prozess, der in weiten Bereichen auch durch den Stoffwechsel mitreguliert wird. Ernährungsfaktoren, vor allem ein massives Übergewicht, können dabei die Tumorgenese und auch das Tumorwachstum beeinflussen. Sie können relevante Risikofaktoren der Krebsentstehung darstellen, was bislang in seiner Bedeutung noch unterschätzt wird.

Rund 20 Prozent der Krebserkrankungen werden derzeit auf das Rauchen zurückgeführt, das damit als Krebs-Risikofaktor Nummer eins gilt. Das könnte sich bald ändern. Denn auch massives Übergewicht fördert offenbar verschiedenste Tumore. Gut bekannt ist dies vom Mamma- und vom Endometrium- sowie vom Kolonkarzinom. Auch beim Gallenwegs-, beim Bauchspeicheldrüsen-, beim Speiseröhren- und beim Nierenzellkarzinom sind Assoziationen zu Übergewicht und Adipositas beschrieben.

Risikofaktor Nummer eins könnte Ernährung werden

Die Zahl der ernährungsassoziierten Krebserkrankungen könnte damit künftig noch weiter steigen. Denn Schätzungen zufolge sind laut Prof. Dr. Stephan Herzig vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg bereits jetzt rund zehn Prozent der Weltbevölkerung stark übergewichtig – Tendenz weiterhin steigend.

Folgt man den Ergebnissen epidemiologischer Studien, sind derzeit neun Prozent aller Krebsfälle in Europa auf Ernährungsfaktoren zurückzuführen. Außerdem gehen offenbar 5,5 Prozent der Erkrankungen schon jetzt auf das Konto der Adipositas, vier Prozent werden durch übermäßigen Alkoholkonsum verursacht.

Setzt sich die Entwicklung weiter fort, so dürften schon bald Fehlernährung, Übergewicht und die sich daraus ergebenden metabolischen Dysfunktionen die Hauptrisikofaktoren der Krebsentstehung ausmachen, prognostiziert Prof. Dr. Otmar D. Wiestler, Vorstandsvorsitzender des DKFZ. „Die Zusammenhänge zwischen Ernährung und Krebs werden bislang noch weit unterschätzt“, mahnte der Mediziner bei einem Presseseminar in Heidelberg.

Maßgebliche Ursache der Entwicklung dürften die sich in der Wohlstandsgesellschaft verändernden Ernährungsgewohnheiten sein. Vor allem den zunehmenden Fettkonsum und den hohen Anteil tierischer Proteine sowie den reichlichen Konsum roten Fleisches bei gleichzeitig rückläufigem Verzehr faserreicher Kohlenhydrate machen die Wissenschaftler für das zunehmende Übergewicht und damit auch für die steigenden ernährungsbedingten Krebserkrankungen verantwortlich.

Komplexe Zusammenhänge

Das allerdings heißt im Umkehrschluss keineswegs, dass eine fettarme, ballaststoffreiche Kost eindeutig vor Krebs schützt. Denn die Auswirkungen der groß angelegten Ernährungskampagne „5 a Day“ , bei der der fünfmalige tägliche Verzehr einer Portion Gemüse oder Obst propagiert wurde, waren laut Prof. Dr. Rudolf Kaaks enttäuschend: „Prospektive Kohortenstudien zeigten ein nur leicht gesenktes Risiko für Tumore der oberen Atemwege bei hohem Gemüseverzehr und vor allem das Lungenkrebsrisiko bei Rauchern wurde etwas gemindert“, berichtete der Heidelberger Krebsepidemiologe. Die Effekte aber blieben insgesamt weit hinter den Erwartungen zurück.

Wie komplex sich die Situation darstellt, zeigen auch Daten der großen Ernährungsstudie EPIC. Demnach senkt der reichliche Verzehr von Milchprodukten das Darmkrebsrisiko, führt andererseits allerdings zu einem – wenn auch geringen – Anstieg der Wahrscheinlichkeit eines Prostatakarzinoms.

Klären lassen sich die Zusammenhänge nach Kaaks nur durch Kohortenstudien, wobei allerdings bessere Messmethoden notwendig sind. Denn Parameter wie der Body-Mass-Index (BMI) sind nur bedingt geeignet, konkrete Assoziationen zwischen der Adipositas und Krebs aufzudecken oder gar die zugrunde liegenden Faktoren zu eruieren.

Langzeitstudie in Deutschland

Unabhängig davon erwarten die Wissenschaftler weitere Aufschlüsse zum Thema Ernährung und Krebs von der „Nationalen Kohorte“, einer Langzeitbevölkerungsstudie, die von einem Netzwerk deutscher Forschungseinrichtungen aus der Helmholtz-Gemeinschaft, den Universitäten, der Leibniz-Gemeinschaft und der Ressortforschung getragen wird und an der rund 200 000 Menschen im Alter von 20 bis 69 Jahren bundesweit teilnehmen. Sie werden medizinisch untersucht und nach ihren Lebensgewohnheiten einschließlich ihrer Ernährungsgewohnheiten befragt. Nach fünf Jahren soll eine erneute Untersuchung und Befragung erfolgen, geplant ist ferner eine zehn- bis 20-jährige Nachbeobachtungszeit.

Die Frage, welche Faktoren im Einzelfall die Krebsentstehung triggern, sind allerdings auch durch solche Kohortenstudien nicht zu beantworten. Denn die Zusammenhänge sind äußerst komplex und zudem abhängig von der genetischen Prädisposition. Dabei ist laut Herzig allerdings zu bedenken, dass eine Fehlernährung durchaus die Genexpression modulieren kann, ein Aspekt, über den beispielsweise das metabolische Syndrom mit Adipositas, Dyslipidämie, Hypertonie und Diabetes die Krebsentstehung fördern kann.

Auch einzelne Stoffwechselfaktoren können sich auswirken. So kann das Vorliegen einer Fettleber die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms forcieren und vom Insulin ist bekannt, dass es als  Wachstumsstimulator fungieren kann. Das dürfte mit ein Grund sein für das erhöhte Krebsrisiko bei Menschen mit Typ-2-Diabetes, die üblicherweise eine Hyperinsulinämie aufweisen.

Tumortreiber Fettgewebe

Doch auch das Fettgewebe selbst kann karzinogen wirken, wie Herzig in Heidelberg darlegte. Denn die Fettzellen dienen keineswegs nur der Energiespeicherung, sondern sind auch metabolisch aktiv. Sie sezernieren Entzündungsfaktoren und unterschiedliche Mediatoren und Hormone. Unter anderem wandelt das Fettgewebe Vorstufen der Sexualhormone in Östrogene um, was einen Östrogenüberschuss bei adipösen Frauen bedingen kann. Kann dieser nicht ausgeglichen werden, so können Wachstumssignale auf das Brustgewebe und das Endometrium die Folge sein und ein entsprechend erhöhtes Krebsrisiko bedingen.

Bedeutsamer sind nach Herzig wahrscheinlich die vom Fettgewebe gebildeten Adipokine, wobei Menschen mit extremem Übergewicht vermehrt Leptin und weniger Adiponektin bilden. Leptin aber kann die Zellproliferation fördern und damit das Tumorwachstum stimulieren. Entsprechende Zusammenhänge wurden tierexperimentell bereits beim Kolon- und auch beim Mammakarzinom sowie beim Prostata- und beim Ovarialkarzinom belegt. Hohe Adiponektinspiegel scheinen demgegenüber die Tumorbildung zu hemmen.

Prävention durch Nahrung

Andererseits gibt es wohl auch Chancen, durch eine gesunde Ernährung der Krebsentstehung vorzubeugen. Die Zusammenhänge sind in diesem Bereich aber noch weniger klar. Aus experimentellen und tierexperimentellen Untersuchungen ergeben sich jedoch krebspräventive Effekte bestimmter Nahrungsmittel respektive einzelner Inhaltsstoffe. Wie Dr. Clarissa Gerhäuser vom DKFZ in Heidelberg darlegte, gibt es entsprechende Beobachtungen für schwarze Himbeeren, für Isothiocyanate aus Brokkoli und anderen Kohl-Gemüsen, für Curcumin aus Curry und auch für grünen Tee.

Das Problem: Die Versuchsreihen werden mit extrem hohen Dosierungen der jeweiligen Substanzen durchgeführt. Selbst wenn in solchen Testreihen ein krebspräventiver Effekt nachgewiesen wird, ist die praktische Relevanz vorerst gering. Denn entsprechend hohe Dosierungen sind mit einer normalen Ernährung nicht ansatzweise zu erreichen.

Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Kölninfo@christine-vetter.de

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