KBV-Wahlen

Schweres Erbe für Gassen

Seit dem 1. März ist Andreas Gassen KBV-Chef. Damit tritt der Orthopäde und Unfallchirurg nicht nur in „große Fußstapfen“ wie er selbst sagt, sondern er erbt von Vorgänger Andreas Köhler auch einen handfesten Streit mit der GKV. Pünktlich zum Wahltermin hatte deren Spitzenverband die Diskussion um den Ärztemangel reanimiert und die Qualität ärztlicher Diagnosen angezweifelt. Nicht der einzige Konflikt, den Gassen entschärfen muss.

Die Wahl Gassens ist keine Überraschung, die überschwängliche Bewertung des Wahlergebnisses (Gassen erhielt 41 von 59 Stimmen) durch Hans-Joachim Weidhaas schon eher: „Super, das ist absolut super!“, entfuhr es dem Vorsitzenden der Vertreterversammlung. Gleich nachdem er das Ergebnis verkündet hatte und der Delegiertenapplaus abgeebbt war, gratulierte er Gassen zu dessen „absolut überzeugendem Wahlergebnis“.

Eine fast schmeichelhafte Bemerkung vor dem Hintergrund, dass Gassens Vorgänger bei seiner Wahl zum Vorsitzenden 2005 mit 59 der 60 Delegiertenstimmen einen beispiellosen Triumph erlebt hatte. Weidhaas Äußerung ist möglicherweise seiner persönlichen Erleichterung über die Bestätigung Gassens geschuldet – schließlich plagen die KBV seit geraumer Zeit interne Querelen.

Deren Beilegung will sich der neue KBV-Chef als erstes widmen. „Ehrlicherweise werden wir ohne Einigkeit nicht vorankommen“, sagt Gassen. „Ich denke die Beteiligten müssen wieder verstehen, dass man sich zwar intern durchaus streiten und unterschiedliche Interessen wahrnehmen kann, aber nach außen hin muss die Wagenburg geschlossen sein.“ Diese Disziplin will sich Gassen – anders als sein Vorgänger – auch selbst auferlegen, wenn es um den Umgang mit dem zweiten Vorstandsmitglied, Regina Feldmann, geht. Deren Zerwürfnis mit Köhler hatte nach Aussagen von einigen Delegierten gegenüber Medien zuletzt zu einem „unheilbar vergifteten Klima“ innerhalb der KBV geführt.

Inhaltliche Kritik und Polemik

Unvereinbar wirken aktuell auch die Positionen von GKV und KBV in der Ärztemangel-Debatte. Der Vorstoß von Johann-Magnus von Stackelberg, dem stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden des GKV-Spitzenverbands, am Vorabend der Wahl verdichtet das Problem argumentativ so: Es gebe immer mehr Ärzte, die immer mehr Geld verdienen – durchschnittlich aktuell 166 000 Euro brutto –, die gleichzeitig aber schlechtere Diagnosen stellten. Letzteres belegt Stackelberg damit, dass es nach der Einführung des neuen morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA) 2009 sehr viel häufiger zu Diagnosen wie Diabetes oder chronischem Nierenversagen gekommen ist, als es Analysen des Robert Koch- und des IGES-Instituts zur Entwicklung dieser Krankheitsbilder in der Bevölkerung rechtfertigen. Zur Bewertung dieses Missstands fand von Stackelberg deutliche Worte. „Es ist völlig inakzeptabel, wenn Diagnosen übertrieben aufgeschrieben werden, um mehr Honorar für die Ärzteschaft herauszuholen“, lässt er sich zitieren. Immerhin gebe es „klare Hinweise, dass die Qualität der dokumentierten Diagnosen nicht ausreichend“ sei.

Köhlers postwendende Replik war polemischer. Der GKV-Spitzenverband habe „nur Plattitüden und überwiegend falsche Behauptungen zu bieten“ und leiste „einen Bärendienst, wenn es darum geht, junge Mediziner für die Niederlassung zu gewinnen. Die Aussagen der Kassenfunktionäre sind falsch“, heißt es schlicht. Und: „Die Flatrate-Mentalität nach dem Kassenmotto ,Viele Leistungen zum kleinsten Preis’ muss endlich der Vergangenheit angehören.“

Einig sind sich die Interessenvertretungen und deren Akteure lediglich insofern, als dass der (Haus-)Ärztemangel ein Problem ist. Der Streit um das Thema wogt seit Jahren, in denen sich beide Seiten immer wieder falsche Zahlenspiele vorwarfen. Die Spanne der vermeintlich fehlenden Haus- und Facharztstellen reicht – je nach Position – von 1 000 bis knapp 5 000. Uneinig sind sich Kassen- und Ärzteverband zudem, wer zur Problemlösung an welchen Stellschrauben zu drehen hat. Die KBV fordert von den Kassen, niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten „verlässliche Rahmenbedingungen mit festen Preisen“ zu ermöglichen. Die GKV sieht indes die Universitäten und die ärztliche Selbstverwaltung gefordert, die bei der „Ausgestaltung von Bedarfsplanung und Zulassungsrecht keinen guten Job gemacht“ und damit die Situation erst noch verschärft hätten.

Neben der inhaltlichen Arbeit rechnet Gassen darum auch mit viel Vermittlungsarbeit. „Ich glaube es ist ein großes Lastenheft, das es abzuarbeiten gilt, das werden wir sicher nur als Kollegialorgan hinbekommen“, sagte der Mediziner im Vorfeld seiner Wahl. Das Amt will Gassen zulasten seiner Praxistätigkeit „natürlich hauptamtlich“ ausüben, wie er sagt. Bei seiner dreijährigen Tätigkeit als stellvertretender Vorsitzender der Vertreterversammlung habe er gut beobachten können, „was für ein Workload auf den Vorsitzenden zukommt“. Diese Herausforderung nehme er aber an, auch wenn sich die Fülle der Aufgaben „sicher nicht mit einem Achtstundentag“ bewältigen lasse.

Ein Lob der Superlative zum Abschied

Was die KBV dafür an Gegenleistung bietet, weiß Gassen. Die Höhe des kontrovers diskutierten Gehalts sowie Ruhegelds deutlich über Ehrensold-Niveau sind bekannt. Außerdem wurde er Zeuge einer Laudatio der Superlative, mit der Weidhaas den aus dem Amt scheidenden Vorsitzenden bedachte. Köhler habe sich für die ambulante Versorgung der Menschen „bis an den Rand des Menschenmöglichen eingesetzt“, sagte der Diplom-Psychologe und setzte noch obendrauf: Ärzte und Psychotherapeuten verdankten ihm „unendlich viel“ und schuldeten ihm dafür die verdiente Anerkennung.

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