Wie die Medizin die Geschichte beeinflusst

Kaiser Augustus und der Kneipp der Antike

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Die Erinnerung an Kaiser Augustus verkürzt sich in der Erinnerung oft so – er hat das Jahrhundert der Bürgerkriege beendet und die „pax augusta“ begründet. Kaum bekannt ist, dass er einst lebensgefährlich erkrankte. Sein Leibarzt Antonius Musa heilte ihn per Kaltwassertherapie. Die Genesung des Kaisers brachte Musa nicht nur persönliche Vorteile, sondern wertete den gesamten Berufsstand auf.

23. v. Chr. erkrankte Augustus (23. September 63 v. Chr. bis 19. August 14 n. Chr.) ernsthaft an einem Leberleiden. Die Krankheit traf ihn zur Unzeit. Im Januar des Jahres 23 v. Chr. trat Augustus sein elftes Konsulat an. Die fragile staatsrechtliche Regelung, die 27 v. Chr. zwischen Anhängern der Republik und des Kaisertums getroffen worden war, schien gefährdet. Sein Mitkonsul Terentius Varro Murena wurde ermordet. Ohne näher auf die politische Krise einzugehen, sei nur gesagt, dass sich der Kranke nicht einmal auf die Loyalität seiner Familie verlassen konnte. Als neuen Prokonsul ernannte Augustus Gnaeus Calpurnius Piso, einen Vertreter der republikanischen Idee. Nach der Phase der Bürgerkriege hatte Gaius Octavianus im Jahre 27. v. Chr. formell die Macht an den Senat und das Volk von Rom zurückgegeben. Faktisch wurde die republikanische Fassade aber nur scheinbar aufrechterhalten. Octavianus bekam sowohl den traditionellen Titel eines „princeps senatus“, Erster des Senats, als auch die neue Titulatur des „Augustus“, des Erhabenen verliehen. Um den Frieden zu erhalten, akzeptierte der Senat die quasi Alleinherrschaft von Augustus.

Auf Leben und Tod

In dieser schwierigen Situation verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Augustus erneut. Dem Tode nahe, ordnete der Kaiser seine Nachfolge. Sein erst 19 Jahre alter Neffe, Marcus Claudius Marcellus, der Sohn seiner Schwester Octavia, kam wegen seiner Unerfahrenheit nicht infrage. „So blieb nur Agrippa, der Einzige, von dem der Todkranke hoffen durfte, dass er einen Bürgerkrieg verhindern und seine Familie schützen konnte. Ihm übergab er seinen Siegelring und machte ihn mit dieser Geste zum Führer seiner Klientel und zum Sachwalter seines Vermögens, nicht aber zu seinem Nachfolger.

Dem Mitkonsul Piso händigte er einige Staatsdokumente aus, darunter eine Liste der unter seinem Kommando stehenden Truppen und eine Aufstellung der Einkünfte aus seinen Provinzen. Sein Testament blieb unter Verschluss“ [Dahlheim, Werner: Augustus: Aufrührer, Herrscher, Heiland; München, 2010; S. 211].

Vom Sklaven zum Leibarzt

In dieser dramatischen, lebensbedrohlichen Lage gelingt es Augustus Leibarzt Antonius Musa, nachdem die Heißwassertherapie des Arztes C. Aemilius nicht angeschlagen hatte, den Kaiser mit einer Kaltwassertherapie zu heilen [Gaius Suetonius Tranquillus: Vitae XII. Imperatorum, Liber Secundus, Caesar Octavianus Augustus Kap. LXXXI].

Musa war Schüler des griechischen Arztes Asklepiades von Prusa in Kleinasien, der im 1. Jahrhundert v. Chr. in Rom wirkte. Asklepiades gilt als Begründer der Balneotherapie, die sein Schüler Musa erfolgreich beim Kaiser anwendete. Bevor Musa in den Diensten des Augustus stand, soll er als Sklave und dann als Freigelassener für die medizinische Betreuung von Marcus Antonius (gestorben 30 v. Chr.), dem Geliebten Kleopatras VII. und größten Widersacher Octavianus, gesorgt haben.

Der Bruder des Antonius Musa, Euphorbus, wird in der Naturalis Historia des Plinius Secundus (23/24 bis 79 n. Chr.) als Arzt Königs Juba II. von Mauretanien (25 v. Chr. bis 23. n. Chr.) beschrieben, der ebenfalls Kaltwasserkuren anwendete [Plinius, Naturalis historia, 25.77.1].

Schicksalhafte Heilung für das ganze Reich

Wäre der Rettungsversuch von Musa misslungen, so lässt sich ohne Zweifel sagen, dass der Gang der Weltgeschichte einen anderen Verlauf genommen hätte. Das Schicksal Roms wäre dann wohl in die Hände von Augustus Schwiegersohn Marcus Vipsanius Agrippa (etwa 63 bis 12 v. Chr.) gefallen.

Die Krise des Jahres 23 vor Christus schildert der Senator, Konsul und Geschichtsschreiber Cassius Dio (um 163 bis 229 n. Chr.) in seiner „Römischen Geschichte“. Als Dank für die erfolgreiche Behandlung erhielt Antonius Musa von Kaiser Augustus und dem Senat viel Geld. Zudem durfte er nun einen Goldring tragen, was besagte, dass er ein Freigelassener war. Ihm wurde die Befreiung von den Steuern gewährt, und dies nicht nur für sich, sondern auch für die Mitglieder seines Berufsstandes, nicht nur für die Lebenden, sondern auch für künftige Generationen. [Dio LIII, 30, englische Version unter].

Dio verschweigt in seinem Werk aber nicht, dass die Kaltwassertherapie des Antonius Musa beim Neffen des Kaisers, Marcellus, leider nicht anschlug. Dieser starb 23 v. Chr. in Baiae, am heutigen Golf von Neapel.

Höheres Ansehen für den Ärztestand

Mit der Heilung des Augustus hat Musa dem Beruf des Arztes große Dienste erwiesen, der fortan hohes Ansehen genoss. Der antike Schriftsteller Sueton berichtet, dass dem Arzt Musa die Ehre eines eigenen Standbildes zuteil wurde, das neben der des Heilgottes Äskulap aufgestellt wurde („statuam aere conlato iuxta signum Aesculapi statuerunt“ [Vergleiche: Gaius Suetonius Tranquillus, Vitae XII. Imperatourm, Liber Secundus, Caesar Octavianus Augustus, Kap. LIX]. Die lateinische Quelle sagt, dass die Statue aus Bronze war. Es ist möglich, dass dieses Standbild auch über 2 000 Jahre später noch existiert.

Die Porträtstatue eines Arztes wurde auf dem römischen Hügel Quirinal im Garten der Monache Barberine gefunden. Aufgrund der antiken Quellen und der indivi-duellen Gesichtszüge der Statue wurde an den Arzt Antonius Musa gedacht. Diese Statue ist aber aus Marmor. Eine eindeutige Zuordnung ist allerdings nicht möglich, da stilistische Eigenheiten des Bildhauerwerkes Fachleute eher an eine spätere Entstehungszeit denken ließen. Wie dem auch sei, heute steht die Statue im Braccio Nuovo des Vatikan in unmittelbarer Nähe zu dem weltberühmten Standbild des Kaisers, das im Jahre 1863 entdeckt wurde.

Die Ehrungen für Musa muss man auch unter dem Aspekt betrachten, dass der Beruf des Arztes bis zu Beginn der Kaiserzeit schlecht angesehen war. Antike Quellen berichten darüber, dass es als unfein galt, als Arzt sein Geld zu verdienen. Daher übten damals viele Nichtrömer, Freigelassene oder in der ärztlichen Kunst geübte Sklaven das medizinische Handwerk aus.

Kay Lutze, M.A.Lievenstr. 1340724 Hildenkaylutze@ish.de

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