Kieferorthopädische Versorgung

Die rechtlichen Rahmenbedingungen

Anfang des Jahres haben mehrere Zeitungsartikel zur Verunsicherung darüber geführt, inwieweit auch im Bereich der Kieferorthopädie eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung von Kassenpatienten gewährleistet ist und welche Rechte den Patienten dabei im Einzelnen zustehen. Dadurch wurde aber auch eine Verunsicherung bei Zahnärzten darüber ausgelöst, welche Pflichten sie im Rahmen der Behandlungsplanung gegenüber ihren Patienten einzuhalten haben. Es besteht daher Veranlassung, die rechtlichen Voraussetzungen für die Durchführung einer Behandlung exemplarisch am Beispiel kieferorthopädischer Versorgungen nochmals zusammengefasst darzustellen.

Selbstverständlicher Ausgangspunkt jeder zahnärztlichen Behandlung ist die Befunderhebung, durch die eventuelle Erkrankungen zunächst festgestellt werden. Dies ist im Bereich der kieferorthopädischen Versorgung von besonderer Bedeutung, da, anders als bei vertragszahnärztlichen Leistungen im Übrigen, dem GKV-Versicherten kein unbedingter Anspruch auf solche Behandlungen zusteht. Vielmehr besteht gemäß § 29 Abs. 1 SGB V ein Anspruch nur in medizinisch begründeten Indikationsgruppen, bei denen eine Kiefer- oder Zahnfehlstellung vorliegt, die das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht.

Gemäß § 29 Abs. 4 Satz 1 SGB V hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in seinen diesbezüglichen Richtlinien entsprechende befundbezogene kieferorthopädische Indikationsgruppen (KIG) festgelegt. Dabei ist bestimmt, dass mindestens eine Einstufung in den Behandlungsbedarf Grad 3 der Indikationsgruppen erforderlich ist, um einen Versorgungsanspruch des GKV-Versicherten zu begründen. Liegen danach nur geringfügige Zahnfehlstellungen vor, können diese zwar kieferorthopädisch behandelt werden. Solche Behandlungen stellen aber grundsätzlich keine Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung dar, sondern müssen regelmäßig als Privatbehandlungen in Anspruch genommen und daher vom Versicherten unmittelbar vergütet werden.

Auch wenn nach der Befunderhebung ein Anspruch auf Kassenbehandlung besteht, müssen Versicherte hierfür gemäß § 29 Abs. 2 SGB V einen vorläufigen Eigenanteil an den Behandlungskosten in Höhe von 20 Prozent selbst tragen und unmittelbar an den Vertragszahnarzt zahlen. Dieser Eigenanteil beträgt ab dem zweiten behandelten Kind zehn Prozent der Behandlungskosten. Der temporäre Eigenanteil wird dem Versicherten dann, wenn die Behandlung in medizinisch erforderlichem Umfang abgeschlossen worden ist, von der Krankenkasse zurückgewährt.

Informations- und Aufklärungspflichten

Entscheidet sich der Versicherte für eine zahnärztliche Behandlung und besteht insofern ein Leistungsanspruch gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse, wird dieser nicht durch die Krankenkasse selber, sondern durch den behandelnden Vertragszahnarzt erfüllt. Daher besteht auch in diesem Fall eine unmittelbare Rechtsbeziehung des GKV-versicherten Patienten mit dem behandelnden Vertragszahnarzt. Spätestens durch die gesetzlichen Regelungen zum Behandlungsvertrag in § 630a BGB durch das Patientenrechtegesetz vom 20.02.2013 [BGBl. I, 277] ist klargestellt worden, dass diesem Verhältnis auch bei GKV-Versicherten ein privatrechtlicher Behandlungsvertrag zugrunde liegt [vgl. BT-Drucks. 17/10488, S. 18 f.; dazu zum Beispiel auch BGHZ 76, 259; 97, 273; 167, 363; demgegenüber geht die sozialgerichtliche Rechtsprechung von einer öffentlich-rechtlichen Überlagerung der Behandlungsverhältnisse im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung aus, vgl. zum Beispiel BSG, MedR 07, 371; 13, 553].

Die allgemeinen zivilrechtlichen Rechte und Pflichten gelten daher auch bei vertragszahnärztlichen Behandlungen, sofern nicht sozialversicherungsrechtlich etwas anderes geregelt ist. Auch für den Vertragszahnarzt gelten daher zunächst die allgemeinen Informationspflichten gegenüber seinem Patienten gemäß § 630c BGB. Er ist gemäß § 630c Abs. 2 Satz 1 BGB daher unter anderem verpflichtet, dem Patienten zu Beginn der Behandlung in verständlicher Weise alle wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen.

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Kieferorthopädische Versorgung

Soweit der Zahnarzt weiß, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder sich hierfür nach den Umständen hinreichende Anhaltspunkte ergeben, muss er gemäß § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten in Textform informieren. Dies gilt gerade auch hinsichtlich der Abgrenzung der Leistungen, die von der GKV erstattungsfähig sind, von darüber hinausgehenden Versorgungsformen [BT-Drucks. 17/10488, S. 22].

Zudem unterliegt der Vertragszahnarzt den Aufklärungspflichten des § 630e BGB und ist danach verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie.

Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können [zum Beispiel BGH, VersR 2011, 1450, NJW 2005, 1718; OLG Brandenburg, VersR 2011, 267].

Alternative Behandlungsmöglichkeiten

Im Rahmen der kieferorthopädischen Behandlung folgt daraus zunächst die Verpflichtung, den Patienten über das Ergebnis der Befunderhebung, die sich daraus ergebende KIG-Einstufung und den danach gegebenenfalls bestehenden Anspruch auf Leistungen im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung zu unterrichten. Unabhängig davon, ob danach nur eine Privatbehandlung oder auch eine Kassenbehandlung möglich ist, ist der Zahnarzt aber gemäß § 630e Abs. 1 Satz 3 BGB in jedem Fall verpflichtet, auch auf alternative Behandlungsmöglichkeiten dann hinzuweisen, wenn diese medizinisch gleichermaßen indiziert und üblich sind und zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.

Dies ist allgemein im Bereich der zahnmedizinischen Versorgung in einer Vielzahl von Fällen möglich, da in diesen mehrere alternative Behandlungsmöglichkeiten bestehen, mit denen ein identisches Behandlungsziel erreicht werden kann. Bei einigen typischen Fallgestaltungen hat hierauf auch der Sozialgesetzgeber mit speziellen Bestimmungen reagiert und zum Beispiel im Bereich des Zahnersatzes in den §§ 55 ff. SGB V ein Festzuschusssystem eingeführt, nach dem einem Versicherten, unabhängig von der konkret in Anspruch genommenen Versorgungsform, befundabhängige Festzuschüsse zustehen, so dass er sich unter vollständigem Erhalt seines Leistungsanspruchs gegenüber seiner Krankenkasse für die von ihm konkret gewünschte Versorgung entscheiden kann.

Vergleichbare Bestimmungen finden sich in § 28 Abs. 2 Satz 2 ff. SGB V für Zahnfüllungen, die über eine vertragszahnärztliche Versorgung hinausgehen. Entscheidet sich der GKV-Versicherte für solche Füllungsformen (zum Beispiel Gold- Inlays), hat die Krankenkasse nur diejenigen Beträge zu leisten, die für die vergleichbare preisgünstigste plastische Füllung angefallen wären und der Versicherte hat die Mehrkosten selbst zu tragen.

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Vertragszahnärztliche Behandlung

Derartige Sonderregelungen existieren für den Bereich der kieferorthopädischen Versorgung nicht, was an den zivilrechtlichen Aufklärungspflichten des Zahnarztes insofern auch nichts ändert. In einer älteren Entscheidung [Urteil vom 14.03.2001, B 6 KA 67/00 R, MedR 02, 47 mit Anmerkung von Steinhilper und Schiller] hat allerdings das Bundessozialgericht ausgeführt, dass bereits die Information über alternative Behandlungen als kostenfreie „Kassenleistung“ einerseits beziehungsweise als Leistung gegen Privatzahlung andererseits den Versicherten in eine Zwangssituation bringe und daher bereits eine derartige Offerte des Vertragszahnarztes die Gefahr einer faktischen Diskriminierung von Versicherten der GKV in sich trage und daher geeignet sei, dass Naturalleistungsprinzip auszuhöhlen beziehungsweise zu umgehen.

Diese Ausführungen bezogen sich allerdings lediglich auf eine Fallgestaltung, in der Behandlungsmaßnahmen von (zusätzlichen) Zahlungen der Versicherten abhängig gemacht wurden. Soweit diesen Ausführungen darüber hinaus die Bewertung entnommen werden sollte, Vertragszahnärzten seien generell Informationen über Behandlungsalternativen, die als Privatleistungen zu erbringen und abzurechnen wären, untersagt, wäre dem spätestens nach Inkrafttreten der allgemeinen Bestimmungen im BGB zu den Aufklärungspflichten über Behandlungsalternativen die Grundlage entzogen.

Denn auch von der sozialgerichtlichen Rechtsprechung wird im Übrigen nicht in Zweifel gezogen, dass auch bei der vertragszahnärztlichen Versorgung grundsätzlich eine Einwilligung des Versicherten in die jeweilige Behandlung gemäß § 630d BGB erforderlich ist [vgl. zum Beispiel BSGE 111, 289; 106, 110; 96, 170]. Eine Einwilligung ist aber gemäß § 630d Abs. 2 BGB nur dann wirksam, wenn zuvor der Patient oder der zur Einwilligung Berechtigte gemäß § 630e Abs. 1 bis 4 BGB aufgeklärt worden ist.

Eine derartige Aufklärung ist daher unbedingte Bedingung für eine wirksame Einwilligung des Patienten im Rahmen dessen Selbstbestimmungsrechts. Eine fehlende oder unwirksame Einwilligung führt daher zur Rechtswidrigkeit des ärztlichen Eingriffs, so dass der Zahnarzt dabei nicht nur seinen Vergütungsanspruch verliert, sondern sich gegebenenfalls wegen Körperverletzung strafbar und schadensersatzpflichtig hinsichtlich aller aus der rechtswidrigen Behandlung resultierenden Schäden machen kann.

In der Rechtsprechung ist insofern anerkannt, dass selbst der medizinisch vernünftige und lege artis ausgeführte Heileingriff eine Körperverletzung darstellen kann und der Patient insoweit nicht zum Objekt der Behandlung werden, sondern als eigenverantwortliches Subjekt über die Durchführung der Behandlung entscheiden können muss [zum Beispiel BGHZ, 29, 46; 29, 176; BGH, NJW 72, 335; 2006, 2108].

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Kieferorthopädische Versorgung

Zur Sicherstellung einer wirksamen Einwilligung des Patienten ist der behandelnde Zahnarzt daher auch im Vorfeld einer eventuellen kieferorthopädischen Behandlung im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung verpflichtet, den Patienten auf alternative Behandlungsmöglichkeiten hinzuweisen, wenn diese in gleicher Weise indiziert und üblich sind und zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können. Auch im Rahmen der zahnärztlichen Behandlung ist insofern anerkannt, dass immer dann über Alternativbehandlungen aufzuklären ist, wenn diese echte Alternativen mit gleichwertigen Chancen, aber andersartigen Risiken darstellen [zum Beispiel OLG Hamburg, OLGR 2000, 250].

Stehen danach für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere Behandlungsmethoden zur Verfügung, muss der Arzt darüber nicht nur aufklären, wenn sich diese hinsichtlich der Risiken und Erfolgschancen voneinander unterscheiden, sondern bereits dann, wenn sie zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen [OLG Stuttgart, VersR 2002, 1286]. Auch bei Kassenpatienten muss der Zahnarzt daher zum Beispiel auf eine zahnprothetische Behandlungsalternative, die über den Versorgungsumfang der GKV hinausgeht, hinweisen, wenn diese höhere Erfolgschancen bietet [OLG Oldenburg, GesR 2008, 539]. Die Existenz von Behandlungsalternativen ist dabei objektiv und unabhängig von der Leistungsfähigkeit oder dem Leistungsangebot des Zahnarztes zu bestimmen [OLG Naumburg, VersR 2004, 1460].

Der Vertragszahnarzt, der allgemein verpflichtet ist, in seiner Praxis zumindest die Kernleistungen seines Fachgebiets anzubieten und zu erbringen (BSGE 88, 20), muss daher auch auf Behandlungsalternativen im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung hinweisen, wenn er selbst diese gegebenenfalls nicht erbringen kann. Derartige Behandlungsalternativen bestehen auch im Rahmen der kieferorthopädischen Behandlungen. Bei dieser werden Zahnfehlstellungen im Wesentlichen durch die Ausübung von Zug oder Druck auf die betroffenen Zähne beziehungsweise Zahnbereiche behandelt. Um diese Kräfte anwenden zu können, werden zum Teil auf den Zähnen Befestigungspunkte (Brackets) angebracht, an denen Bänder befestigt werden können.

Zum Teil werden die Kräfte auch durch Behandlungsmittel ausgeübt, die außerhalb des Mundes ansetzen (sogenannter Außenbogen). Das Behandlungsziel lässt sich jeweils gegebenenfalls aber auch durch unauffälliger gestaltete, kleinere und gegebenenfalls für den Patienten auch leichter anzuwendende beziehungsweise zu reinigende Behandlungsmethoden erreichen, die allerdings mit zusätzlichen Aufwendungen verbunden sind und daher nicht zum Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung zählen.

Die tatsächliche Existenz derartiger, das Notwendige übersteigende Leistungen, die daher nicht von der GKV zu tragen, sondern vom Patienten als Privatleistungen in Anspruch zu nehmen sind, auch im Bereich der kieferorthopädischen Versorgungen hat im Grundsatz sowohl der Gesetzgeber [vgl. hierzu die konkrete Aussage in der Begründung zur seinerzeitigen Neufassung von § 29 SGB V hinsichtlich einer Kostenerstattung bei kieferorthopädischer Behandlung, BT-Drucks. 11/2237] als auch das Bundessozialgericht [Urteil vom 12.12.2013, NZS 14, 306] anerkannt.

Auf diese Behandlungsalternativen ist daher vom Vertragszahnarzt zumindest dann hinzuweisen, wenn diese für den Patienten zu unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können. Solche Unterschiede können unter anderem gerade darin begründet sein, dass die kieferorthopädische Behandlung zum Beispiel wegen der unauffälligeren Durchführung für die Außenwelt weniger ersichtlich und daher weniger stigmatisierend ist, oder dadurch, dass bei diesen nur in geringerem Maße ansonsten erforderliche Mitwirkungshandlungen des Patienten erforderlich sind oder die erforderliche Reinigung der Zähne und der Behandlungsmittel für den Patienten erleichtert wird. In solchen Fallgestaltungen besteht daher nicht nur eine Berechtigung, sondern sogar eine Verpflichtung des Vertragszahnarztes, auf diese Möglichkeiten hinzuweisen.

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Vereinbarung von Mehrleistungen

Entscheidet sich der Patient nach einer entsprechenden Aufklärung für Mehrleistungen, die über den Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung hinausgehen, können solche im Rahmen einer Privatbehandlung auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Vertragszahnarzt und Patient gemäß § 4 Abs. 5 lit. d BMV-Z, § 7 Abs. 7 Satz 2 EKV-Z erbracht werden. Da es sich dabei um Behandlungen außerhalb des Sachleistungssystems der GKV handelt, sind insofern grundsätzlich auch keine Erstattungsleistungen der Krankenkassen vorgesehen.

Solche ergeben sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eventuell ersparter Aufwendungen der Krankenkassen für eine alternative vertragszahnärztliche Behandlung [BSGE 45, 130; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.02.2004, L 5 KR 108/13]. Allerdings haben diese ihren Versicherten dann, wenn diese entweder generell oder aber zumindest bezogen auf die zahnärztliche Versorgung eine Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 2 SGB V gewählt haben, auf satzungsrechtlicher Grundlage Kosten höchstens in Höhe der Vergütung zu erstatten, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Weiterhin können sich Leistungsansprüche der Versicherten in solchen Fallgestaltungen zum Beispiel auf der Grundlage entsprechender Wahltarife gemäß § 53 SGB V oder auf der Grundlage sogenannter Selektivverträge gemäß § 140a SGB V ergeben.

Die Einwilligung des Versicherten ist erforderlich

Ebenso wenig wie sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen die grundsätzlichen Informations- und Aufklärungspflichten des Zahnarztes einschränken oder aufheben, werden durch diese aber auch die besonderen Pflichten des Vertragszahnarztes beseitigt. Insbesondere übernimmt der Zahnarzt mit seiner Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung die grundsätzliche Verpflichtung, an dieser unter Beachtung der dafür geltenden gesetzlichen und untergesetzlichen Vorgaben teilzunehmen.

Dies bewirkt zwar keinen unmittelbaren Kontrahierungszwang für den Vertragszahnarzt in dem Sinne, dass er verpflichtet wäre, für jeden GKV-Versicherten jederzeit die von diesem gewünschten Leistungen zu erbringen. Er ist gemäß § 95 Abs. 3 SGB V infolge der Zulassung aber grundsätzlich zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet. Hieraus sowie aus der Geltung des grundsätzlichen Sach- beziehungsweise Naturalleistungsprinzips gemäß § 2 SGB V, wonach die Versicherten die Leistungen grundsätzlich als Sach- und Dienstleistungen erhalten [zum Sachleistungscharakter der kieferorthopädischer Behandlung vgl. die Begründung zur Neufassung des § 29 SGB V durch das GKV-SolG, BT-Drucks. 14/24], ist in ständiger Rechtsprechung des BSG die Folgerung gezogen worden, dass der Vertragszahnarzt die Versicherten grundsätzlich umfassend und ohne an diese gerichtete (zusätzliche) Zahlungsverlangen zu behandeln hat [BSG, BSGE 88, 20, MedR 02, 47; Breithaupt 01, 868; SozR 3–5533 Nr. 2449 Nr. 2].

Ein Vertragszahnarzt, der die Durchführung einer medizinisch indizierten Behandlung im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung ablehnt beziehungsweise eine Behandlung von der Leistung einer Zuzahlung durch den Versicherten beziehungsweise den Abschluss einer Vereinbarung zur Durchführung einer Privatbehandlung abhängig macht, verstößt daher gegen seine vertragszahnärztlichen Pflichten. Dieser Verstoß kann von den KZVen disziplinarrechtlich verfolgt werden und gegebenenfalls sogar die Entziehung der Zulassung rechtfertigen [so bereits LSG Berlin, Urteil vom 24.08.1956, 7 LSG 10/56; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.02.1988, L 11 KA 10/88; SG Marburg, Urteil vom 07.05.2008, S 12 KA 349/07; LSG Bayern, NZS 2014, 518].

Zudem wäre eine auf solcher Grundlage geschlossene Honorarvereinbarung nichtig. Wirksam und auch im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung zulässig ist diese nur dann, wenn der Versicherte umfassend aufgeklärt worden ist und sich unter anderem in dem Bewusstsein für den Vertragsschluss entscheidet, dass das Behandlungsziel auch durch Leistungen ohne Kostenbelastungen erreicht werden kann [vgl. dazu BSGE 99, 180].

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Kieferorthopädische Versorgung

Ebenso wie der Vertragszahnarzt verpflichtet ist, auf eventuelle Behandlungsalternativen hinzuweisen, ist es ihm verwehrt, Patienten zum Abschluss einer Privatvereinbarung zu drängen oder eine grundsätzlich mögliche Behandlung im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung zu verweigern. Viel mehr muss er auf die Möglichkeit einer sachgerechten Versorgung im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung ausdrücklich hinweisen, die für den Versicherten auch bei kieferorthopädischen Behandlungen mit Ausnahme des Eigenanteils gemäß § 29 Abs. 2 SGB V grundsätzlich kostenfrei ist und die Inhalte eventuell möglicher alternativer Maßnahmen ebenso eindeutig und verständlich darlegen, wie die damit für den Patienten voraussichtlich verbundenen Kosten.

Über die voraussichtliche Höhe der Kosten ist der Patient vom Vertragszahnarzt dann gemäß § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB in Textform, das heißt schriftlich, unter Angabe des Namens des Zahnarztes und Abschluss der Erklärung durch Faksimileunterschrift oder Ähnliches zu informieren. Dem Patienten muss daher klargemacht werden, dass er die kieferorthopädische Versorgung grundsätzlich kostenfrei im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung in Anspruch nehmen kann und die Vergütung für darüber hinausgehende Mehrleistungen auf der Basis einer diesbezüglichen Vereinbarung einer Privatbehandlung unmittelbar an den Zahnarzt leisten muss, ohne dass insofern ein über die vertragliche Versorgung hinausgehender Anspruch gegenüber seiner Krankenkasse besteht.

Dr. Thomas Muschallik

Leiter Justitiariat

Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung

Universitätsstr. 73

50931 Köln

Dieser Artikel ergänzt die Beiträge über Regelversorgung und Zusatzleistungen in der KFO aus dem vorigen Heft.

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