Patient Kleinkind

Interaktion ist die richtige Strategie

Viele Zahnärzte sind sich der Herausforderung bewusst, sich einem Kind nicht nur fachärztlich, sondern auch kindgerecht zu nähern. Doch wie fängt man das richtig an? Anstatt sich auf gut Glück - und damit wenig zielführend - in einem Trial-and-Error-Kreislauf auszuprobieren, sollte man die Behandlung und die Kommunikation mit dem Kind und den Eltern durchdacht angehen.

Viele schwierige Situationen kann der Zahnarzt in eine stressfreie Routine überführen und so etliche Misserfolge vermeiden, sofern er die Grundsätze angewandter Psychologie berücksichtigt. Beherzigt er diese Vorschläge, vermag er die Qualität der Behandlung für Kleinkinder zu steigern und in der Folge mehr Erfolge zu verbuchen – das ganze Team wird mehr Spaß an der Arbeit haben. Den Rahmen sollte die Praxis kindgerecht gestalten: mit Spielmaterial zum Thema Zähne und indem sie dem Denken eines Kleinkindes, das noch in viel stärkerem Ausmaß von Anschauungen als von Begriffen abhängig ist, entgegenkommt.

Zugang finden

Um den besonderen psychologischen Bedürfnissen von sehr kleinen Kindern in der Behandlung gerecht zu werden, sollte der Zahnarzt bereits im Vorfeld bei den Schwangeren und bei jungen Familien die entsprechenden Weichen stellen: In einem persönlichen Anschreiben, gerichtet an das Kind und seine Eltern, kann er sie zu den Früherkennungsuntersuchungen einladen und ein Merkblatt mit speziellen Empfehlungen beilegen.

Eltern werden während der Zahnbehandlung ihrer kleinen Kinder nicht immer als hilfreich empfunden: Es gibt auch den Vorschlag, sie besser vor der Tür des Behandlungszimmers zu lassen. Aber wer es als Arzt mit Kindern zu tun hat, muss auch ein Konzept über Elternführung in petto haben. Kinder orientieren sich in ihrer emotionalen und rationalen Welt an ihren Eltern: Das Kind spürt sofort, wenn seine Bezugsperson andere Vorstellungen hat als der Zahnarzt und verweigert unter solchen Umständen vermutlich die Kooperation. Eltern, die den Raum aus eigenen Stücken verlassen wollen, sollten ihrem Kind daher vorher sagen, dass sie dem Zahnarzt vertrauen und im Wartezimmer warten.

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Richtig begrüßen

Erfolgreiche Strategien, die auf Vertrauensaufbau abzielen, beginnen bereits mit der Begrüßung im Wartezimmer. Wird das Kind – nicht die Eltern – zuerst angesprochen, erkennt es: Es ist selbst der Grund für diesen Besuch! Die Begrüßung im Wartezimmer sollte angemessen sein, aber nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen, damit die Botschaft, dass es um die Behandlung geht, klar bleibt und damit das Geschehen für das Kind nicht zu einer allgemeinen Spielsituation verschwimmt. Im Behandlungszimmer sollte die Zahnmedizinische Fachangestellte positiv darüber sprechen, was gerade zu sehen ist und was sie dort tut.

Das Thema „Zähne“ wird von ihr in den Mittelpunkt gestellt – nichts anderes. Dem Kind wird demonstriert, wie es gleich auf dem Untersuchungsstuhl nach unten und wieder nach oben gefahren wird. Es darf entscheiden, ob es von der ZFA oder lieber von der Begleitperson auf den Stuhl gesetzt wird, nicht über die Tatsache an sich. Dann gibt man dem Patienten einzelne Geräte in die Hand, die auch bei der Untersuchung zum Einsatz kommen. Das Kind kann auch schon aufgefordert werden, den Mund weit zu öffnen: Die Mitarbeiterin wirft einen Blick hinein, ohne das Kind dabei zu berühren.

Säuglinge und kleine Kinder brauchen vorhersehbare Abläufe. Damit das Erscheinen des Zahnarztes das Kind nicht völlig unvorbereitet trifft, sollte die ZFA vorher darauf hinweisen. Betritt er den Raum, muss sie ihn für das Kind erkennbar in die Umgebung integrieren. Auf diese Weise wird aus einem Fremden – dem Zahnarzt – eine vertraute Person. Das Kind braucht keine Angst mehr vor ihm zu haben. Die ZFA übernimmt vor den begleitenden Eltern die wichtige Rolle des Vertrauensaufbaus und steigt dadurch in ihrer Bedeutung.

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Den Bohrer erklären

Die meisten Kinder haben nicht von Natur aus Angst vor Ärzten und Zahnärzten – eine ängstliche Haltung stellt sich erst durch negative Erfahrungen ein. Das Kind fürchtet sich auch nicht per se vor dem Bohrer. Insofern ist es auch nicht nötig, das Instrument zu verniedlichen. Ganz im Gegenteil: Das Kleinkind ist an allen Gegenständen, die es noch nicht kennt, hochgradig interessiert. Es ist davon abzuraten, dem Kind vor dem Bohren zu vermitteln, das würde nur „ein wenig kitzeln“. Besser ist, eine klare Ansage, die keine falschen Erwartungen weckt.

Und: Vermeiden sie das Wort „okay“ am Satzende, weil es nach einer Frage um Erlaubnis klingt und Sie ein „Nein“ riskieren. Ein weiterer wesentlicher Grund für Misserfolge in der zahnärztlichen Kinderbehandlung ist das Überschreiten der kurzen kindlichen Aufmerksamkeitsspanne. Lenken Sie den Blick auf einen beweglichen Gegenstand, zum Beispiel einen Zauberstab, und schöpfen Sie das Interesse voll aus! Am Ende der Behandlung bekommen Kinder meistens eine kleine materielle Belohnung. Auch hier gilt: Nennen Sie den Kindern, wenn Sie ihnen die Belohnung überreichen, ausdrücklich den besonderen Grund dafür. Sollten Kinder, die nicht kooperiert haben, leer ausgehen? Strenggenommen schreibt die Verhaltenstheorie das für einen effektiven Verhaltensaufbau vor. Schön ist das natürlich trotzdem nicht.

Durch einen geschickten Schachzug können Sie aber zwei voneinander unabhängige Verhaltensweisen durch unterschiedliche Belohnungen, die auch für das Kind als solche erkennbar sind, verstärken: nämlich eine fürs Kommen überhaupt und die andere für die Kooperation bei der Untersuchung. Ein Kind, das trotz der in Aussicht gestellten Belohnung die Untersuchung oder Behandlung verweigert, erhält keine weitere Belohnung. Bei einem neuen Termin, der zeitlich nah liegen sollte, damit sich das Kind daran noch erinnert, erhält es keine Belohnung mehr fürs Kommen: Es geht ja jetzt um die Behandlung. Die Mitarbeiterin wiederholt dann mit dem Kind die Schritte, die von ihm gleich verlangt werden, und verweist dabei auf die Kiste mit den Gimmicks.

Der Zahnarzt kann darüber hinaus grundsätzlich erwägen, einen Trainer hinzuziehen, der das Team bei der Arbeit beobachtet. Mit seiner Hilfe erkennt man Dinge, die einem selbst – wenn man mit der Behandlung des Patienten beschäftigt ist – entgehen.

Dr. med. Annette SchnitkerÄrztin für KinderheilkundeÄrztin für Kinder- u. Jugendpsychiatrie und -psychotherapiedr.a.schnitker@t-online.de

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