Wirtschaftskriminalität: Abrechnungsbetrug nimmt stark zu
Die polizeilich erfassten Fälle von Wirtschaftskriminalität sind im Jahr 2024 deutlich angestiegen, teilte das Bundeskriminalamt (BKA) mit. Insgesamt wurden 61.358 Wirtschaftsdelikte registriert und damit ein Anstieg von 57,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr.Allerdings konnte auch die Aufklärungsquote von 85,2 auf 88,9 Prozent gesteigert werden. Diese liegt damit deutlich über der Gesamtaufklärungsquote aller erfassten Straftaten in der Polizeilichen Kriminalstatistik mit 58 Prozent.
Eine Zunahme wurde insbesondere bei Betrugsfällen (39.207 Fälle; plus 116,7 Prozent) sowie Abrechnungsbetrugsfälle im Gesundheitswesen (20.553 Fälle; plus 847,6 Prozent) festgestellt, berichtet das BKA. Grund hierfür war ein umfangreiches Ermittlungsverfahren in Schleswig-Holstein, welches beide Phänomenbereiche betraf. Auf Anfrage erklärt das zuständige Landeskriminalamt (LKA), dass dort ein sogenanntes Umfangverfahren mit 18.595 Fällen von Abrechnungsbetrug eingeleitet wurde.
Blutuntersuchungen für über sieben Millionen Euro wurden nie durchgeführt
Die Geschädigten hatten spezielle Blutuntersuchungen als Privatleistung bei einem Labor in Nordfriesland in Auftrag gegeben. Sie erhielten Ergebnisse und Rechnungen, obwohl tatsächlich keine der vereinbarten Blutuntersuchungen durchgeführt worden war. So entstand ein Gesamtschaden von 7,14 Millionen Euro. Zu diesen Fällen konnte zwar ein Tatverdächtiger ermittelt werden, der allerdings während des laufenden Verfahrens verstorben ist, berichtet das LKA.
Die demografische Entwicklung in Deutschland, eine tendenziell älter werdende Gesellschaft sowie stetig steigende Gesundheitskosten würden das Kriminalitätsphänomen des Abrechnungsbetrugs perspektivisch weiter begünstigen, schreibt das BKA. Da ältere Menschen tendenziell mehr Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen würden, führe diese Entwicklung zu einer erhöhten Nachfrage nach medizinischen Behandlungen, Pflege und anderen Gesundheitsdienstleistungen, was wiederum zu einem Ausbau der Kapazitäten und Ressourcen bei Gesundheitsdienstleistern mit sich bringt, erklärt ein Sprecher des BKA auf Nachfrage.
Wirtschaftsdelikte verursachen ein Drittel Gesamtschadens
Dieser Ausbau sei in der Regel verbunden mit erhöhten Kosten, beispielsweise für Personal, und könne den Gesundheitsmarkt für neue Anbieter interessant machen. Der damit einhergehende Druck, ein profitables Geschäft zu betreiben, würde für einige Gesundheitsdienstleister eine Versuchung darstellen, falsche oder überhöhte Abrechnungen vorzunehmen, schildert er weiter. Darüber hinaus wecke der Anstieg des Bedarfs und Angebots im Gesundheitsmarkt das Interesse krimineller Organisationen für betrügerische Aktivitäten, wie die Abrechnung von nicht erbrachten Leistungen.
Insgesamt entstehen Deutschland durch Wirtschaftskriminalität immense finanzielle Schäden. Im Jahr 2024 betrug die Schadenssumme 2,76 Milliarden Euro, 2,9 Prozent mehr als im Vorjahr. Wirtschaftsdelikte sind damit für mehr als ein Drittel des in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) ausgewiesenen Gesamtschadens verantwortlich, obwohl ihr Anteil an der Gesamtheit der in der PKS erfassten Straftaten nur rund ein Prozent betrug.
Für die Strafverfolgungsbehörden stellen die zunehmende Komplexität der Ermittlungsverfahren im Bereich Wirtschaftskriminalität und damit verbundene zeitintensive Ermittlungen eine Herausforderung dar. Eine konsequente Anzeigeerstattung sei daher ein wesentlicher Faktor, um wirtschaftskriminelle Strukturen sichtbar zu machen und Straftaten erfolgreich zu verfolgen, so das BKA.