Gastkommentar

Vertrauenskultur bewahren!

Institutionen der ärztlichen/zahnärztlichen Selbstverwaltung sind kein Auslaufmodell, sondern wichtigster Impulsgeber für eine zukunftsweisende Versorgung, meint Thomas Grünert, Chefredakteur bei Vincenz Network, Berlin.

Kaum ein Politikbereich ist so großen Veränderungen unterworfen wie aktuell die Gesundheitspolitik. In den vergangenen 25 Jahren gab es weit mehr als 30 Gesetze, von Verordnungen und strukturellen Anpassungen gar nicht zu reden. Es führt keineswegs zu weit, von einem Kulturwandel zu reden. Jahrzehntelang hat sich die Politik weitgehend aus den Fragen des Gesundheitswesens herausgehalten. Die Selbstverwaltung von Ärzten/Zahnärzten, Kassen und Kliniken hat perfekt funktioniert und als untergesetzlicher Normgeber ein Gesundheitswesen getragen, dass noch heute zu Recht von vielen als das beste der Welt gesehen wird.

Fragt man heute, warum das nicht so weitergehen konnte, werden schnell ökonomische Zwänge, die demografische Entwicklung und die Dynamik des medizinisch-technischen Fortschritts vorgeschoben. Die Politik verspürte einen Regelungsbedarf, die Akteure des Gesundheitswesens offenbar aber auch einen Hang zur Institutionalisierung von Entscheidungsprozessen. Formell wird zwar noch immer die Flagge der Selbstverwaltung hochgehalten. Vermeintliche Institutionen der Selbstverwaltung wie der mächtige Gemeinsame Bundesausschuss haben aber längst eine Regelungskompetenz, die manchmal eher an ein „Bundesamt für Versorgungsgestaltung“ denken lässt. Für die Politik ist es oft einfacher, mangelnden Sach- und Fachverstand an diesen zentralen Normgeber zu delegieren. Immer mehr Gesetze sehen den G-BA als Ausgestalter des gesetzgeberischen Willens. Das hat mehr als nur einen Haken. Die Krankenkassen haben hier faktisch eine übermächtige Stellung: fünf GKV-Vertreter gegen fünf Vertreter aller Leistungserbringer (DKG, KBV, KZBV). Der mächtige GKV-Apparat kann mit seinen gut ausgestatteten Fachabteilungen zudem massiv „Expertise einbringen“, praktisch also Einfluss auf Entscheidungsprozesse nehmen. Nicht selten mit dem Damoklesschwert im Hintergrund, bei Nichtbeachtung werde alles teurer. Einfluss gibt es über das oben genannte Besetzungsschema auch auf die dem G-BA berichtenden Qualitätsinstitute, den Innovationsausschuss und weitere. Was ins Hintertreffen gerät, ist immer mehr die normgebende Rolle der Kammern (BÄK und BZÄK), deren Kompetenzen in allen Fragen der Berufsausübung und Qualität faktisch durch die neu geschaffenen Institutionen beschnitten werden. In manchen Fällen kann man gar von einem Gestaltungsdiktat gegen die Leistungserbringer sprechen.

Muss das so sein? Brauchen wir Zentralismus und Regelungs-Eifer (zurzeit sind schon wieder sieben gesundheitspolitisch relevante Gesetze in der Pipeline)? Nein, im Gegenteil! Viel zu kurz kommt die Frage der Vertrauenskultur, die nicht nur über Jahrzehnte ein Gleichgewicht in der Selbstverwaltung garantierte, sondern vor allem durch das Vertrauen der Patienten zu ihren Ärzten stets Lösungen schuf, die schließlich das hohe Niveau unserer Versorgung garantierten. Bewusstes Erzeugen von Misstrauen gegen Mediziner, bürokratische Kontrollmechanismen und oft rein ökonomisch betrachtete Versorgungsfragen zerstören diese Vertrauenskultur. Daran sind zwar manche Leistungserbringer durchaus mitschuldig, Uneinigkeit und Untätigkeit in vielen Feldern sind eben keine vertretbare Strategie. Dennoch gilt nach wie vor, dass der Arzt/Zahnarzt derjenige ist, der den Patienten schließlich heilt oder ihn – Stichwort Prävention – vor Krankheiten schützt. Das ist kein Werbeargument, sondern jahrzehntelange Realität. Krankheiten besiegt man am Ende nicht durch Management, sondern durch die Kunst der heilenden Ärzte, die dazu auch das Vertrauen der Patienten benötigen. Insofern sind die Institutionen der ärztlichen/zahnärztlichen Selbstverwaltung (BÄK, BZÄK, KBV, KZBV) beileibe kein Auslaufmodell in einem zu managenden Gesundheitswesen, sondern weiterhin wichtigster Impuls- und auch Normgeber für eine zukunftsweisende Versorgung.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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