Der besondere Fall mit CME

Die Lingua geographica

Eine 81-jährige Frau wurde mit der Bitte um "Abklärung eines Ulkus an der Zunge" überwiesen (Abbildung 1). Anamnestisch berichtete die Patientin, dass sie derartige Veränderungen schon seit mehreren Jahren habe und dass sich das Aussehen kontinuierlich ändere, mit Zeiten, zu denen die Zunge normal aussehe. Beschwerden habe sie keine.

Schmerzen und Parästhesien an der Zunge verneinte sie. Die Patientin war bei Zahnlosigkeit im Oberkiefer mit Totalprothese und bei hoch atrophem Unterkiefer mittels Implantaten und Steg-fixierter Prothese versorgt. Nebenbefundlich war die Patientin seit mehreren Jahren wegen Kiefergelenksbeschwerden in zahnärztlicher Anbindung (Abbildung 2).

Die klinische Untersuchung erbrachte keine weiteren Auffälligkeiten. Die Zunge zeigte das typische Bild einer Lingua geographica mit rötlichen Arealen, die von weißlichen Epithelkrausen umgeben waren, so dass auf Basis des klinischen Bildes und der Anamnese keine weitere Diagnostik beziehungsweise Therapie eingeleitet wurde.

Diskussion

Synonym für die erstmalig 1831 beschriebene Lingua geographica [Prinz H. et al., 1927] werden unter anderem die Begriffe Landkartenzunge, Exfoliatio areata linguae, Glossitis exfoliativa marginata oder benigne migratorische Glossitis gebraucht [Assimakopoulos D. et al., 2002]. In seltenen Fällen können auch andere Stellen der Mundhöhle als die Zunge befallen sein, so dass dann von einer Exfoliatio areata mucosae oris oder von einer Stomatits geographica gesprochen wird.

Bei der Lingua geographica handelt es sich um eine entzündliche Veränderung unbekannter Ursache, die sich im Bereich der Zunge meist auf Zungenrand und -rücken beschränkt. Durch eine vermehrte Desquamation der keratinisierten Papillae filliformis der Zunge gibt es Areale, die - mit durch die entzündliche Komponente - rötlich erscheinen. Umgeben sind diese häufig von einem weißlichen Randsaum als Ausdruck eines schmalen Streifens akantotischer und hyperkeratotischer Schleimhaut [Jainkittivong A., Langlais RP., 2005].

Die Prävalenz der Lingua geographica dürfte zwischen ein und 2,5 Prozent liegen, wobei diese Veränderung vornehmlich bei Kindern und jungen Erwachsenen auftritt, um dann häufig im weiteren Verlauf einer Spontanremission zu erliegen. Bezüglich der Geschlechter gibt es eine leichte Prädominanz der Frauen [Assimakopoulos D. et al., 2002; Jainkittivong A., Langlais RP., 2005]. Häufig ist die Lingua geographica mit einer ebenfalls harmlosen Lingua plicata vergesellschaftet (Abbildung 3).

Auch im vorliegenden Fall (Abbildung 1) kann man eine derartige Tendenz am Zungenrücken und an der Seite der Zunge nachvollziehen. Weitere mögliche in der Literatur beschriebene Assoziationen bestehen potenziell zur Psoriasis, zu Allergien, zu Hormonveränderungen, zum juvenilen Diabetes, zum Reiter- und Downsyndrom, zu Mangelernährungen, zu psychologischen Affektionen und zu einem Lichen [Assimakopoulos D. et al., 2002; Jainkittivong A., Langlais RP., 2005].

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Brennen und Schmerzen ist nicht unüblich

In den meisten Fällen beschreiben die Patienten keinerlei Symptome, jedoch gibt es auch Patienten, die über ein Brennen und Schmerzen klagen, wobei sich dies häufig durch die Aufnahme scharfer und säurehaltiger Speisen und Getränke triggern lässt.

Die Diagnose wird in aller Regel klinisch auf Basis des Befunds und der Anamnese mit den wandernden Läsionen auf der Zungenoberfläche gestellt. Einer histopathologischen Abklärung bedarf es bei dieser Diagnose in aller Regel nicht. Differenzialdiagnostisch kommen eine Candidiasis, eine Psoriasis, ein Reitersyndrom, ein Lichen planus, eine Leukoplakie, ein Lupus erythematosus, ein Herpes simplex und Reaktionen auf Medikamente infrage [Assimakopoulos D. et al., 2002].

Einer Therapie bedarf es in aller Regel nicht, so dass die Patienten hauptsächlich über die Harmlosigkeit des teilweise beeindruckenden Befunds aufgeklärt werden sollten. Symptomauslösende Trigger, wie sehr heiße, scharfe oder auch säurehaltige Speisen und Getränke sollten gegebenenfalls vermieden werden.

Die 1927 noch empfohlene Therapie, der Sache mit Röntgenstrahlen habhaft zu werden [Prinz H. et al., 1927], wurde mittlerweile verlassen. Auch die medikamentöse Therapie entbehrt meist einer höheren Evidenz.

Zum Einsatz kommen neben Schmerzmitteln und mit Lokalanästhesie versetzten Mundspüllösungen auch Antihistaminika, Anxiolytika und Steroide [Assimakopoulos D. et al., 2002]. Im vorliegenden Fall konnte die Diagnose schnell anhand der Anamnese und Klinik gestellt werden. Nicht ganz typisch war das doch deutlich erhöhte Lebensalter der Patientin, wobei anamnestisch nicht zu eruieren war, vor wie vielen Jahren die Patientin erstmalig diese Veränderungen wahrgenommen hatte.

PD Dr. Dr. Christian WalterDr. Dr. Keyvan SaghebKlinik für Mund-, Kiefer- und GesichtschirurgiePlastische OperationenAugustusplatz 2, 55131 Mainzwalter@mkg.klinik.uni-mainz.de

Literatur:

1. Prinz H (1927): Wandering Rash of the Tongue. The Dental Cosmos 69 (4):272-2752. Assimakopoulos D, Patrikakos G, Fotika C, Elisaf M (2002): Benign migratory glossitis or geographic tongue: an enigmatic oral lesion. Am J Med 113 (9):751-7553. Jainkittivong A, Langlais RP (2005): Geographic tongue: clinical characteristics of 188 cases. J Contemp Dent Pract 6 (1):123-135

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