Die schwangere Mitarbeiterin

Nachwuchs - eine freudige Angelegenheit fürwahr. Aber auch verbunden mit Pflichten: Wenn die Mitarbeiterin schwanger ist, muss der Zahnarzt als Arbeitgeber die Bestimmungen zum Mitarbeiterschutze beachten.

Sobald eine Mitarbeiterin einer Zahnarztpraxis ihre Schwangerschaft bekannt gibt, hat der Praxisinhaber zu reagieren. Er muss diverse Pflichten erfüllen, die sich aus den gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zum Mutterschutz ergeben. Diese Vorschriften, ihre Auswirkungen und etwaige arbeitsrechtliche Reaktionsmöglichkeiten sollen hier dargestellt werden.

Zunächst hat der Arbeitgeber der zuständigen Bezirksvertretung die Schwangerschaft anzuzeigen. Hierzu muss er folgende Daten mitteilen:

• den Namen der Mitarbeiterin

• den voraussichtlichen Entbindungstermin

• die von der Schwangeren ausgeübte Tätigkeit

• deren Arbeitszeit

Generelle Beschäftigungsverbote

Unabhängig von der ausgeübten Tätigkeit gelten für alle werdenden Mütter die Beschäftigungsverbote in den §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG): In den letzten sechs Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin und acht Wochen nach der Entbindung – bei Früh-/Mehrlingsgeburten zwölf Wochen nach der Entbindung – dürfen (werdende) Mütter nicht beschäftigt werden. Auf den Mutterschutz vor der Geburt können die Frauen verzichten. Dieser Verzicht kann jederzeit widerrufen werden.

Ferner dürfen schwangere Mitarbeiterinnen nicht mit Tätigkeiten beauftragt werden, die wegen der Begleitumstände die Gesundheit von Mutter und/oder Kind gefährden (§ 4 MuSchG). Verboten sind insbesondere

• schwere körperliche Arbeiten,

• Arbeiten, bei denen die Beschäftigten der Gefahr einer Erkrankung oder einer Gesundheitsschädigung ausgesetzt sind,

• nach Ablauf des fünften Schwangerschaftsmonats Arbeiten, bei denen die schwangeren Mitarbeiterinnen ständig stehen müssen, sofern diese stehende Tätigkeit täglich mehr als vier Stunden andauert.

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Der Krankheitsbegriff

Die Gefahr einer Erkrankung besteht immer dann, wenn die Schwangere im Rahmen ihrer Tätigkeit mit Stoffen in Kontakt kommt, die möglicherweise Krankheiten übertragen können. Da Krankheitserreger etwa in Blut, Speichel und Aerosolen vorhanden sein können, darf die Mitarbeiterin nicht mit spitzen, schneidenden, stechenden oder scharfen Gegenständen hantieren. Dies gilt auch dann, wenn sie eine persönliche Schutzausrüstung (wie Mundschutz, Schutzhandschuhe) verwendet. Beispielsweise folgende Tätigkeiten sind vor diesem Hintergrund untersagt:

• Stuhlassistenz, sobald die Arbeitnehmerin mit Blut oder Speichel in Kontakt kommen könnte

• Zahnsteinentfernung und professionelle Zahnreinigung

• alle Tätigkeiten mit verunreinigten Instrumenten

• die Bearbeitung nicht desinfizierter Abdrücke

Neben den gesetzlichen Regelungen im Mutterschutzgesetz sind auch die Vorschriften in den Verordnungen zu beachten, die auf der Grundlage des § 4 Abs. 4 MuSchG erlassen wurden. Hierzu zählt insbesondere die Verordnung über den Schutz vor Schäden durch Röntgenstrahlen (RöV). Nach dessen § 31a Abs. 4 gelten für schwangere Arbeitnehmerinnen respektive für deren ungeborene Kinder besonders niedrige Grenzwerte für die Belastung mit Röntgenstrahlen.

Weitere Beschränkungen finden sich in § 22 RöV: Danach dürfen Schwangere zwar im Überwachungsbereich tätig sein, § 22 Abs. 1 Nr. 1 RöV. Der Zutritt zu Kontrollbereichen ist jedoch nur erlaubt, wenn der fachkundige Strahlenschutzverantwortliche oder der Strahlenschutzbeauftragte dies ausdrücklich gestattet und durch geeignete Überwachungsmaßnahmen sicherstellt, dass der Grenzwert nach § 31a Abs. 4 RöV eingehalten und auch dokumentiert wird, § 22 Abs. 1 Nr. 2d RöV.

Als helfende Personen dürfen werdende Mütter nur dann Kontrollbereiche betreten, wenn dies zwingend erforderlich ist, § 22 Abs. 2 RöV. Auch weitere mögliche Gefährdungen schwangerer Arbeitnehmerinnen, die von Schadstoffen ausgehen, sind auszuschließen. Zu den Schadstoffen gehören beispielsweise formaldehydhaltige Desinfektionsmittel und Quecksilber. Die Richtlinien zur Verarbeitung von Quecksilber sind einzuhalten.

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Ärztliche Beschäftigungsverbote

Je nach dem Gesundheitszustand der schwangeren Frau kann im Einzelfall ein ärztliches Beschäftigungsverbot ausgesprochen werden (§ 3 Abs. 1 MuSchG). Ein solches Beschäftigungsverbot erfordert eine ärztliche Bescheinigung, aus der hervorgeht, dass bei einer Fortsetzung der Tätigkeit Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind gefährdet ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können auch psychische Belastungen ein Beschäftigungsverbot begründen, wenn im konkreten Fall aufgrund der individuellen Verhältnisse der schwangeren Frau eine Gefährdung vorliegt (Urteil vom 07.11.2007, 5 AZR 883/06). Zweifelt der Arbeitgeber das Attest an, kann er Auskunft über die Gründe verlangen, wobei allerdings die Schweigepflicht zu beachten ist (BAG, a.a.O.).

Eine weitere Schutzvorschrift enthält § 6 Abs. 3 der Verordnung über Arbeitsstätten. Diese Regelung verlangt, dass schwangeren Frauen und stillenden Müttern die Möglichkeit geboten werden muss, sich während der Pausen – und erforderlichenfalls auch während der Arbeitszeit im Übrigen – unter geeigneten Bedingungen hinzulegen und auszuruhen.

Des weiteren ist es verboten, werdende und stillende Mütter zu Mehrarbeit heranzuziehen. Unter „Mehrarbeit“ ist die Arbeit zu verstehen, die von unter 18-jährigen Frauen über acht Stunden täglich oder über 80 Stunden in der Doppelwoche hinaus und von allen anderen Frauen über achteinhalb Stunden täglich oder 90 Stunden in der Doppelwoche hinaus geleistet werden (§ 8 Abs. 1 u. 2 MuSchG).

Außerdem ist die Schwangere für die von der gesetzlichen Krankenversicherung getragenen ärztlichen Untersuchungen von der Arbeit freizustellen. Sofern und solange eine schwangere Mitarbeiterin aus gesundheitlichen Gründen überhaupt nicht beschäftigt werden darf, gibt es naturgemäß keine Möglichkeiten für den Arbeitgeber, hierauf arbeitsrechtlich zu reagieren. Die Mitarbeiterin ist von ihrer Verpflichtung zur Arbeit freizustellen.

Soweit sich Beschäftigungsverbote auf mögliche Gesundheitsgefährdungen beziehen, die sich aus bestimmten Tätigkeiten ergeben, stehen unter Umständen geeignete Schutzmaßnahmen zur Verfügung. Wenn etwa die Möglichkeit besteht, den Arbeitsplatz so umzugestalten, dass die Gefahrenquellen beseitigt werden, ist dies zu veranlassen.

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Neue Tätigkeit per Direktionsrecht

Im Rahmen seines Direktionsrechts kann der Arbeitgeber der betreffenden Arbeitnehmerin gegebenenfalls eine andere Tätigkeit zuweisen, auch wenn diese nicht ihrer Qualifikation entspricht. Ob und inwieweit insbesondere einer angestellten Zahnärztin ein Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, bei dem sie keinerlei Infektionsgefahr ausgesetzt ist, hängt von den konkreten Gegebenheiten in der jeweiligen Praxis ab.

Sollte eine schwangere Mitarbeiterin mit der Weiterarbeit ohne Rücksicht auf die Schutzvorschriften einverstanden sein oder diese sogar verlangen, entlastet dies den Arbeitgeber nicht. Gemäß § 21 MuSchG kann der Arbeitgeber wegen einer Ordnungswidrigkeit oder sogar wegen einer Straftat belangt werden. Sollte infolge der vorschriftswidrigen Beschäftigung ein Gesundheitsschaden entstehen, haftet der Arbeitgeber zumindest anteilig. Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine Berufskrankheit handeln sollte, da in derartigen Fällen die Berufsgenossenschaften gemäß § 110 SGB VII den Arbeitgeber in Regress nehmen können.

Die vereinbarte Vergütung ist den Mitarbeiterinnen in jedem Fall eines Beschäftigungsverbots und auch für die Zeit der wahr- genommenen ärztlichen Untersuchungstermine zu zahlen. Die für die Zeit eines Beschäftigungsverbots gezahlte Vergütung können sich die Arbeitgeber nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz von der zuständigen Krankenkasse erstatten lassen.

Schließlich ist zu beachten, dass Frauen während einer bestehenden Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung besonderen Kündigungsschutz genießen, § 9 Abs. 1 MuSchG. In diesem Zeitraum ist eine Kündigung durch den Arbeitgeber in der Regel unwirksam.

Sachkundiger Rat im Einzelfall

Zur Beurteilung der Gefährdung im konkreten Fall sollte sich der Zahnarzt an seinen Betriebsarzt und die Fachkraft für Arbeitssicherheit wenden. Unterstützung bietet auch die zuständige Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege.

Jens-Peter JahnFachanwalt für Medizinrecht Dr. Halbe Rechtsanwälte Im Mediapark 6A50670 Köln

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