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Im Vorfeld der geplanten Krankenhausreform von Gesundheitsminister Hermann Gröhe legte die AOK kürzlich ihren „Krankenhausreport 2015“ vor. Darin fordert sie, dass Bund und Länder die Kliniken grundlegend neu ordnen und verstärkt an Qualitätskriterien ausrichten. Die Krankenhäuser indessen monieren den massiven Kostendruck, der dazu führe, dass schon jetzt fast jedes zweite Haus rote Zahlen schreibt.

„Am qualitätsorientierten Umbau der Krankenhauslandschaft führe kein Weg vorbei“, bilanzierte der Gesundheitsökonom und Mitherausgeber des Krankenhaus-Reports 2015, Prof. Dr. Jürgen Wasem. Er bezeichnet den Umbau als das „wichtigste gesundheitspolitische Vorhaben dieser Legislaturperiode“. Zusammen mit dem Geschäftsführenden Vorstand des AOK-Bundesverbands, Uwe Deh, sowie Vertretern der Deutschen Krebsgesellschaft und des Wissenschaftlichen Instituts des AOK-Bundesverbands (WIdO) präsentierte Wasem die wichtigsten Ergebnisse des Krankenhaus-Reports 2015 der Öffentlichkeit. Das Fazit: Qualität in Kliniken sei messbar. Der Report dokumentiere das am Beispiel zertifizierter Krebszentren. Dies müsse als entscheidender Parameter für Kliniken verstärkt ausschlaggebend sein und folglich auch in ein Krankenhausreformgesetz einfließen. Es sei zwar gut, dass die Regierung den Handlungs- bedarf „endlich erkannt und festgehalten“ habe, so enthalte das Eckpunktepapier von Bund und Ländern zahlreiche Ideen, wie man den Strukturumbau in Angriff nehmen kann. Noch aber fehle ein schlüssiges Konzept und Handlungsprogramm der Politik, bemängelte Wasem.

Die geplante Krankenhausreform dürfe nicht nur eine große Finanzspritze für Kliniken werden, sondern müsse qualitätsgerichtete Aspekte viel mehr berücksichtigen, forderte auch Deh. Heute dürfe sich beispielsweise jede Klinik Zentrum nennen, unabhängig von der Qualität. „Stattdessen sind bundesweit einheitliche Standards für Qualität und Finanzierung nötig“, forderte der Vorstand des AOK-Bundesverbands. Krankenhäuser würden sonst allein aus Umsatzinteresse im großen Stil zu spezialisierten Zentren erklärt. Wichtig sei aber, künftig klar zu regeln, dass Kliniken, die die Anforderungen an Zentren nicht erfüllen, auch bestimmte Behandlungen nicht machen dürfen, verlangte er. Für Deh gibt es bereits Ansätze, auf denen die Politik eine qualitätsorientierte Klinikreform aufbauen könne. Als Beispiel nannte er etwa die Zertifizierung von Zentren zur Behandlung von Brust- oder Darmkrebs. Würde man diesen Ansatz konsequent weiterverfolgen und nur die zertifizierten Zentren für die Behandlung vorsehen, hätten Patienten und gute Kliniken davon schnell einen Nutzen.

Dr. Simone Wesselmann, Leiterin des Bereichs Zertifizierung der Deutschen Krebsgesellschaft, unterstrich den Nutzen der zertifizierten Zentren für die Patienten. „Die Überlebensrate von Patientinnen, die in von uns zertifizierten Brustkrebszentren behandelt wurden, liegt nach vier Jahren bei 90 Prozent. Bei Behandlungen außerhalb zertifizierter Zentren sind es dagegen nur 83 Prozent.“ Zertifikate würden den Patienten bei der Orientierung in einer komplexen Versorgungslandschaft helfen, so Wesselmann.

Wert der Zertifizierung

Wie eine Auswertung des WIdO zeige, sei die Verteilung der zertifizierten Zentren für Brustkrebs-Patientinnen bereits gut. Jörg Friedrich, Forschungsbereichsleiter Krankenhaus im WIdO: „79 Prozent aller Brustkrebs-Patientinnen werden heute schon an zertifizierten Zentren behandelt.“ Zudem entschieden sich 63 Prozent der AOK-Patientinnen mit Brustkrebs für ein zertifiziertes Zentrum, obwohl andere Krankenhäuser näher gewesen seien, die die Leistung ebenfalls erbringen. „Die Entfernung vom Wohnort ist für die Patienten nur ein Kriterium, die erwartete Versorgungsqualität ist häufig wichtiger“, betont Friedrich. Dass die heute zertifizierten Brustkrebszentren bereits 79 Prozent der Patientinnen versorgten, könne als Blaupause für eine qualitätsorientierte Zentralisierung der stationären Versorgung dienen, so Friedrich.

Er rief in Erinnerung, dass für die Zertifi- zierung als Brustkrebszentrum eine Klinik eine Mindestmenge von 50 Eingriffen pro Operateur gewährleisten muss. Große Teile der Krankenhäuser seien aber weit davon entfernt, diese Anforderung der Deutschen Krebsgesellschaft zu erfüllen, so Friedrich. Dies verdeutliche die Notwendigkeit einer qualitäts- und bedarfsorientierten Strukturreform. Der geplante Strukturfonds sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung – aber er löse nicht das grundsätzliche Problem der Unterfinanzierung durch die Länder. Die mangelhafte Finanzierung der Investitionen in Krankenhäuser durch die Länder sei im Eckpunktepapier völlig ausgeklammert worden,so Friedrich.

Milliardengrab Notfall

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) machte unlängst wiederholt an einem Beispiel deutlich, wie sehr die Kliniken mittlerweile am ökonomischen Gängelband hängen: Nach Angaben der DKG fehlen den Häusern Milliardenbeträge allein durch ausbleibende Zahlungen bei der Behandlung von Notfällen in deren Ambulanzen. Nicht nur, dass die Klinikmanager Überlastung und die schlechte Atmosphäre in den Kliniken anprangern (siehe Kasten), auch würden die Häuser immer mehr zum „Lückenbüßer“ für die eigentlich zuständigen Bereitschaftsdienste der niedergelassenen Ärzte. Der Erstattung für einen ambulanten Notfall von durchschnittlich 32 Euro stünden Kosten von mehr als 120 Euro gegenüber. Bei rund zehn Millionen ambulanten Notfällen führe dies zu nicht gedeckten Kosten von einer Milliarde Euro.

Ohnehin lösten die Eckpunkte zur Krankenhausreform nicht die zentralen Probleme der Kliniken. Diese Bilanz zog der neue Präsident der DKG, Thomas Reumann, bereits zu Beginn des Jahres auf einer DKG-Informationsveranstaltung zur Reform. Die Häuser befürchteten, dass die Kostensituation durch die im Gesetz geplante Einführung neuer Verhandlungskomponenten und der in den Häusern vorhandene Rationalisierungsdruck weiter verschärft und die Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser geschwächt werden. „Die Finanzierung des laufenden Betriebs der Krankenhäuser ist schon heute so problematisch, dass fast die Hälfte aller Krankenhäuser Verluste schreibt. Eine Reform, die die Finanzierung der laufenden Kosten noch erschwert und die ohnehin unzureichende Investitionsfinanzierung nicht verbessert, könnte nicht akzeptiert werden“, so Reumann.

Fehlende Mittel

Er bekräftigte die Bereitschaft der Kliniken, die geplante Qualitätsoffensive mit Qualitätsverträgen, Zweitmeinungsverfahren, qualitätsorientierter Krankenhausplanung sowie noch mehr Transparenz und Informationen zu unterstützen. „Wir können aber so viele Qualitätsinstrumente im System installieren wie wir wollen – wenn nicht genügend Mittel für Investitionen in die Ausstattung unserer Kliniken im System sind, können die Erwartungen nicht erfüllt werden.“ Die anerkannte Investitionslücke von jährlich drei Milliarden Euro, für die die Länder verantwortlich seien, müsse geschlossen werden. „So hilfreich und sinnvoll der Investitionsfonds zur Förderung von Schließungen und Umwandlungen auch ist, eine Absicherung des Investitionsbedarfs aller Krankenhäuser ist dringend notwendig.“ Die behandlungserfolgsabhängige Vergütung sei eine falsche Ausrichtung.

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