Euro-Z-II-Studie

Zahnärztliche Leistungen in Europa

Die zahnärztliche Versorgung in Europa ist trotz der Einführung eines gemeinsamen Marktes nach wie vor sehr unterschiedlich organisiert. Die gesundheitsökonomische Studie Euro-Z-II gibt einen aktuellen systematischen Überblick über die zahnärztliche Vergütungssituation in sieben europäischen Ländern einschließlich Deutschland.

Die Preisgestaltung zahnärztlicher Leistungen hat einen Einfluss auf die zahnärztliche Versorgung, auf die Leistungsmöglichkeiten der Praxen, auf die Kosten der Versorgung und auf die Patientennachfrage. Preisunterschiede bei zahnärztlichen Leistungen sind zudem angesichts eines gemeinsamen europäischen Marktes im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit der Systeme von Interesse.

In einer ersten Preiserhebung des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) im Jahr 1999 wurden bereits bei einzelnen zahnärztlichen Behandlungsanlässen zum Teil erhebliche Preisunterschiede zwischen den europäischen Ländern festgestellt. In der Zwischenzeit erfolgte in mehreren EU-Ländern eine Währungsumstellung im Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion, in einigen Staaten gab es zudem grundlegende Honorarreformen im Bereich der zahnmedizinischen Versorgung.

Vor diesem Hintergrund hat das IDZ gemeinsam mit der Beratungsgesellschaft für angewandte Systemforschung (BASYS) die Thematik der Vergütung zahnärztlicher Leistungen wieder aufgegriffen, um einen aktuellen Überblick über die zahnärztliche Vergütungssituation in den Ländern Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Schweiz und Ungarn im Vergleich zu Deutschland zu gewinnen. Aufbauend auf den Ergebnissen der Vorgängerstudie sollte zudem die Entwicklung der Vergütungssituation im Zeitraum 1999 bis 2013 analysiert werden. Dazu zählt auch die Entwicklung der Eigenbeteiligung der Patienten.

Breites zahnmedizinisches Versorgungsspektrum

In einem ersten Schritt wurden die zahnärztlichen Standesorganisationen der sechs ausgewählten Länder angeschrieben mit der Bitte um Unterstützung und Benennung von Experten. Diese erhielten einen detaillierten Fragebogen, wahlweise in deutscher, englischer oder französischer Sprache. Die ausgefüllten Fragebögen wurden ausgewertet und auf Plausibilität geprüft. Die länderspezifischen Kontextinformationen wurden in einem zweiten Schritt per Desk Research sowie bei fallweisen Vor-Ort-Gesprächen mit den benannten Experten in die Analyse einbezogen.

Ausgangspunkt für die Preiserhebung ist die Behandlung eines „Durchschnittspatienten“, das heißt, es handelt sich annahmegemäß um keinen „Angstpatienten“ und es bestehen keine erschwerten Behandlungsbedingungen. Ferner beschränkt sich die Behandlung jeweils ausschließlich auf den angegebenen Behandlungsanlass und sie wird in einem regelrecht verzahnten Gebiss durchgeführt. Die Aufklärung des Patienten ist Bestandteil bei allen zahnärztlichen Leistungen. Folgende Behandlungsanlässe wurden in die Preiserhebung einbezogen:

  • eingehende Untersuchung und Beratung eines neuen Patienten

  • individualprophylaktische Versorgung von Kindern

  • zweiflächige direkte Füllung an Zahn 45

  • subgingivale Kürettage

  • Wurzelkanalbehandlung an Zahn 46

  • Extraktion des Zahnes 31

  • verblendete Krone auf Zahn 21

  • Implantatsetzung regio 11

  • vollverblendete Brücke von Zahn 45 bis Zahn 47

  • Modellgussprothese

  • totalprothetische Versorgung im Ober- und Unterkiefer

Die ersten sechs Behandlungsanlässe zählen zum Bereich der Prävention und der konservierend-chirurgischen Behandlung, während die letztgenannten fünf Behandlungsanlässe zahnprothetische Versorgungen darstellen. Auch wenn die ausgewählten Behandlungsanlässe ein breites zahnmedizinisches Versorgungsspektrum abdecken, erhebt der Vergleich nicht den Anspruch, das Preisniveau im zahnmedizinischen Versorgungsbereich insgesamt zu messen. Die methodische Herausforderung eines länderübergreifenden Preisvergleichs liegt in der Sicherung der Vergleichbarkeit. Das bedeutet erstens die Vergleichbarkeit von zahnärztlichen Leistungen und zweitens die Vergleichbarkeit der Preise (siehe Kästen).

###more### ###title### Die Vergütungssituation ###title### ###more###

Die Vergütungssituation

Zentrales Anliegen der Erhebung ist es, einen systematischen Einblick in die aktuelle zahnmedizinische Vergütungssituation in Deutschland und in sechs europäischen Nachbarländern zu erhalten. Hierzu werden die Ergebnisse des Preisvergleichs zur besseren Übersichtlichkeit für die einzelnen zahnmedizinischen Leistungen nicht in absoluten Beträgen, sondern im Vergleich zu Deutschland als Index (Deutschland = 100) dargestellt. Im Ergebnis zeigt sich, dass im Bereich der konservierend-chirurgischen Leistungen das deutsche Preisniveau des Jahres 2013 generell unter den Werten von Dänemark und den Niederlanden und zumeist auch unter den Werten der Schweiz liegt ( Tabelle 1).

Im Bereich der Prothetik zeichnet sich hingegen ein anderes Bild ab. Hier ist das Preisniveau in der Schweiz höher als in Deutschland, während die Niederlande, Dänemark und Frankreich beinahe dasselbe Preisniveau wie Deutschland aufweisen. Lediglich in Ungarn und in Großbritannien ist das Preisniveau im Prothetikbereich im Vergleich zu Deutschland deutlich geringer.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Ergebnisse der Studie die Vermutung widerlegen, Deutschland sei hinsichtlich des Preisniveaus der zahnärztlichen Versorgung ein Hochpreisland. Im Jahr 2013 liegt Deutschland vielmehr – wie auch schon im Jahr 1999 – im Vergleich zu den europäischen Nachbarn im Mittelfeld. Verantwortlich für die Preisunterschiede zwischen den Ländern sind vielfältige Faktoren. Die Preise für die zahnärztlichen Leistungen sind jeweils in die einzelnen Gesundheitssysteme eingebettet, deren komplexe Strukturen über lange Zeiträume gewachsen sind.

Vielfalt der Honorierungssysteme

Die Ergebnisse des Preisvergleichs sind immer auch unter den Rahmenbedingungen unterschiedlicher Honorierungssysteme zu interpretieren. Fünf der sieben Länder erstatten die Leistungen des Zahnarztes in der Grundversorgung nach Einzelleistungen. In Großbritannien gibt es seit 2006 Komplexpauschalen. In Ungarn ist die Pauschalvergütung für Leistungen der Grundversorgung von Kindern und Jugendlichen nach dem Alter gestaffelt. In Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz erfolgt die Bezahlung nach Einzelleistungen und teilweise nach Leistungskomplexen.

Der Schweizer Tarif unterscheidet für jede Leistungsposition zwischen dem Preis für die Sozialversicherung und dem Preis für die privat Versicherten. Bei den privat Versicherten ist der Taxpunktwert auf Praxisebene frei vereinbar. In Dänemark beziehen die bei den Gemeinden angestellten Zahnärzte für die Zahnversorgung von Kindern und Jugendlichen ein Gehalt. Die niedergelassenen Zahnärzte rechnen nach Einzelleistungsvergütung ab. In allen Ländern wurden die Honorierungssysteme reformiert, am umfassendsten in Großbritannien, weshalb dort auch die stärksten Preisveränderungen beobachtet werden konnten.

Ein Schwerpunkt der Untersuchung ist der Vergleich der Eigenbeteiligung der Patienten in den verschiedenen Gesundheitssystemen. Die Eigenbeteiligung bezeichnet den Anteil der Gesundheitsausgaben, der vom Versicherten selbst zu tragen ist, ehe die Erstattungspflicht des Versicherers eintritt. Eigenbeteiligungen können unterschiedlich ausgestaltet sein, zum Beispiel als prozentualer Anteil an den Leistungskosten, als Absolutbetrag pro Abrechnungszeitraum oder als eine Kombination davon.

Die einzelnen Länder verfolgen in der Ausgestaltung der Eigenbeteiligung unterschiedliche Konzepte. Manche Länder setzen auf einen umfangreichen Leistungskatalog, verlangen dafür jedoch für viele Leistungen eine Eigenbeteiligung. Andere Länder konzentrieren sich hingegen bei den öffentlich finanzierten Leistungen auf einen „schlanken” Katalog mit einer geringen Eigenbeteiligung.

###more### ###title### Zuzahlung für Individualprophylaxe bei Kindern ###title### ###more###

Zuzahlung für Individualprophylaxe bei Kindern

Während in der Schweiz und in den Niederlanden der Patient bei praktisch allen zahnmedizinischen Leistungen die Kosten vollständig selber zu tragen hat, trifft dies in Deutschland nur auf die Implantatversorgung zu. Die Implantatversorgung als eine vergleichsweise neue und aufwendige Versorgungsform ist in keinem der Vergleichsländer Bestandteil des gesetzlichen Leistungskatalogs (Tabelle 2). Die individualprophylaktische Versorgung von Kindern wird in sechs Ländern zuzahlungsfrei angeboten, lediglich in Frankreich wird eine Eigenbeteiligung in Höhe von 30 Prozent fällig.

Etwas unterschiedlicher fällt das Bild bei den konservierend-chirurgischen Behandlungen (Behandlungsanlässe 1 bis 6) aus. Diese sind lediglich in Deutschland sowie in Ungarn generell zuzahlungsfrei, während in Dänemark, Frankreich und Großbritannien eine anteilige Eigenbeteiligung der Patienten gefordert wird, die je nach Behandlungsanlass zwischen 20 und 90 Prozent der Behandlungskosten betragen kann.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der in Deutschland über die GKV gegen Krankheitsrisiken abgesicherte Patient im Verhältnis zu den Versicherten anderer Länder mit vergleichsweise niedrigen Eigenbeteiligungen belastet wird. Im europäischen Ausland gehören viele der untersuchten zahnmedizinischen Behandlungsanlässe, vor allem im Bereich der Prothetik, nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkassen respektive der nationalen Gesundheitsdienste, das heißt, die Patienten müssen die Behandlung vollständig selbst bezahlen.

Versorgungsqualität hat ihren Preis

Mithilfe einer innovativen Erhebungsmethodik, der Verwendung von Therapieschrittlisten und Kaufkraftparitäten, konnte die Vergleichbarkeit der Leistungen und Preise in den sieben europäischen Ländern hergestellt werden. Um die Interpretationsbasis der Forschungsergebnisse zu erweitern, wurden zusätzlich die verfügbaren nationalen Kontextinformationen einbezogen. Naturgemäß konnten im Rahmen des EURO-Z-II-Projekts dennoch viele Einflüsse und Kausalitäten der komplexen nationalen Gesundheitssysteme nicht umfassend erfasst und abgebildet werden. Hier stößt auch die Empirie an Grenzen. Sicher dürfte jedoch sein, dass hohe Versorgungsqualität ihren Preis hat.

Dr. David KlingenbergerInstitut der Deutschen ZahnärzteUniversitätsstr. 73, 50931 Köln

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