Sprechende Zahnmedizin

Reden Sie jetzt!

Von Sprechender Zahnmedizin ist neuerdings oft die Rede. Was sich dahinter verbirgt, können allerdings die wenigsten auf den Punkt bringen. Dabei nimmt sie schon heute im Praxisalltag des Zahnarztes einen immer größeren Raum ein – und ist ein unverzichtbares Instrument, wenn es darum geht, insbesondere vulnerable Patientengruppen anzusprechen. Die Bedeutung der Sprechenden Zahnmedizin und des ärztlichen Gesprächs wird sich künftig noch verstärken, wenn im Rahmen der parodontologischen Versorgung neue Behandlungsstrategien greifen sollen.

Was also ist Sprechende Zahnmedizin? Mehr jedenfalls als die Bema-Position Ä1: „Beratung eines Kranken, auch fernmündlich“. Gemeint ist vielmehr die Kommunikation des Zahnarztes mit seinem Patienten, wenn es darum geht, ihn mit seiner individuelle Krankengeschichte zu verstehen und mitzunehmen, sein Gesundheitsverhalten positiv zu beeinflussen und ihn zu steuern. Das braucht Zeit, Kompetenz, Erfahrung und Einfühlungsvermögen.

Kommunikation ist – neben den fachlichen Kompetenzen der Diagnose, Therapie und Behandlung – die Schlüsselkompetenz, um den Patienten dabei zu begleiten, seine Mundgesundheit über den gesamten Lebensbogen zu gewährleisten und ihm die bestmögliche Zahnmedizin zukommen zu lassen. Besondere Herausforderungen stellen laut KZBV vulnerable Bevölkerungsgruppen dar: Kleinkinder mit Early Childhood Caries etwa, Pflegebedürftige, Menschen mit Behinderungen oder auch Flüchtlinge. Ganz wichtig ist die Gruppe der Patienten mit Parodontitiserkrankungen, denn vor allem auch sie erfordern eine individuelle Zuwendung und Ansprache im Praxisalltag.

Den Patienten abholen

Die KZBV versteht unter Sprechender Zahnmedizin sämtliche Leistungen eines Zahnarztes abseits der sogenannten apparativ gestützten Behandlung. Den Schwerpunkt bildet das Patienten-Zahnarzt-Gespräch mit den damit einhergehenden Leistungen – Aufklärung, Beratung und Dokumentation, die ein Vertragszahnarzt durchführt und aufgrund des Patientenrechtegesetzes von 2013 auch durchführen muss. Seitdem wird die Sprechende Zahnmedizin mehr als zuvor verlangt: Dazu gehört, den Patienten über Art und Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahmen, deren Notwendigkeit und Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten zu informieren und zu beraten.

Gefordert ist damit eine Kommunikation, die über die reine Schilderung der Behandlungsabläufe hinausgeht, indem sie den Patienten in seiner Erfahrungs- und Lebenswelt abholt und auf seine individuelle Situation eingeht.

Mehr Zeit für individuelle ärztliche Gespräche

Die Diskussion um die Sprechende Zahn- medizin ist vor kurzem bei der Vorstellung der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) in den Fokus gerückt. „Die sprechende Zahnheilkunde muss Eingang in den Katalog der Gesetzlichen Krankenversicherung erhalten“, hatte der KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer auf der entsprechenden Pressekonferenz mit Blick auf die gemäß DMS V steigenden Parodontitis- zahlen und den damit einhergehenden steigenden Behandlungsbedarf gefordert. Laut Eßer benötigen die Zahnärzte „eine neue, an den Stand der Wissenschaft angepasste Behandlungsstrategie, um die Parodontitis erfolgreich bekämpfen zu können“.

Neben einer umfangreichen Prävention auf allen Ebenen fehle aus wissenschaftlicher Sicht vor allem eine strukturierte Nachsorge, also die Unterstützende Parodontitis-Therapie. Die Zahnärzte seien gefordert, bei der PAR-Behandlung vor allem mehr Zeit aufzuwenden, um mit dem Patienten ein individuelles ärztliches Gespräch zu führen.

Welchen Stellenwert die Sprechende Zahnmedizin in Bezug auf die PAR-Behandlung tatsächlich hat, wird am Beispiel des PAR-Konzepts der Zahnärzteschaft deutlich, das derzeit in den zahnärztlichen Gremien von Standespolitik und Wissenschaft weiterentwickelt wird. Zum Verständnis: Die KZBV hatte auf ihrer Vertreterversammlung im Sommer in Köln ein mit der Bundeszahnärztekammer und mit allen Berufsverbänden und der Wissenschaft konsentiertes Therapiekonzept für eine moderne und zeitgemäße PAR-Behandlung vorgestellt (siehe zm 14/2016, Seite 26 ff). Vor dem Hintergrund des Antrags der Patientenvertreter im G-BA zur Nutzenbewertung der Behandlung von Parodontopathien – ein Prozess, den die Zahnärzteschaft konstruktiv-kritisch begleitet – hatte der Berufsstand auf der Vertreterversammlung den Weg für eine strategische Aufstellung vorgezeichnet.

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Das Motivationsgespräch ist der Katalysator

Fester Bestandteil des Konzepts „Systematische PAR-Therapie“ ist eine PAR-Versorgungsstrecke. Die Strecke besteht aus acht Schritten, wobei dem Gespräch zur Motivation und Information des Patienten eine Katalysatorfunktion zukommt. Die Versorgungsstrecke gliedert sich wie folgt:

1. Erstkontakt (PSI-Befund, 01-Befund, Akutbefund)

2. Ausführlicher PAR-Basisbefund, Diagnose, Prognose, Therapieplan

3. Ärztliches Gespräch: Hier klärt der Zahnarzt ab, welche Art der Erkrankung vorliegt, wie der Schweregrad aussieht, welche Therapien möglich sind, welche Prognosen zum Krankheitsverlauf vorliegen und was der Patient selber tun kann, um seine Zähne lange zu erhalten. Es geht um Aufklärung und regelmäßiges Recall.

4. Antiinfektiöse Therapie (AIT)

5. Ärztliches Gespräch inklusive Reevaluation 1: Es erfolgt in der Regel etwa drei bis sechs Monate nach Abschluss der antiinfektiösen Therapie. Der Zahnarzt erklärt dem Patienten, was die Behandlung bisher gebracht hat und klärt ab, ob weitere Schritte (zum Beispiel ein chirurgischer Eingriff) notwendig sind und ob Optimierungsbedarf bei der Mundhygiene besteht. Er prüft, ob Maßnahmen, die im ersten Gespräch festgelegt wurden, schon umgesetzt wurden. Gegebenenfalls erfolgt eine Remotivation.

6. Eventuell weiterführende chirurgische Parodontal-Therapie (CPT)

7. Anschließendes ärztliches Gespräch inklusive Reevaluation 2: Hier prüft der Zahnarzt nach einer CPT erneut nach, ob Optimierungs- und Motivationsbedarf besteht.

8. Strukturierte Unterstützende Parodontitistherapie inklusive weiterer Reevaluationen.

Dr. Ute Maier, Vorsitzende der KZV Baden-Württemberg und Vorsitzende der KZBV-AG „PAR-Strategie“, erläutert auf Nachfrage die Bedeutung des ärztlichen Gesprächs. Im Rahmen der PAR-Therapie sei eine umfassende Aufklärung erforderlich. Diese beziehe sich unter anderem auf die Hintergründe der Krankheitsentstehung genauso wie auf den Zusammenhang mit Allgemeinerkrankungen, das Ernährungs- und Putzverhalten oder die geplanten Therapiemaßnahmen. „Und selbstverständlich muss der Zahnarzt den Patienten auch über die Kosten, die im Zusammenhang mit einer Parodontitis- therapie für Leistungen entstehen können, die nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden, informieren,“ so Maier. Diese Aufklärung sei in der Regel sehr zeitaufwendig. Die Krux sei dabei, dass das ärztliche Gespräch derzeit nicht über den gesetzlichen Leistungskatalog abgebildet werde.

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Die KZBV betont dazu, dass es aus versorgungspolitischer Sicht wichtig sei, wirksame Anreize zur regelmäßigen Teilnahme an der Nachsorge zu setzen. Hier könnte zum Beispiel ein Bonusmodell greifen – ähnlich dem System bei der Versorgung mit Zahn- ersatz. Mit den Krankenkassen werde man zur gegebenen Zeit über eine adäquate Honorierung der Zahnärzte verhandeln müssen, erklärte auch Eßer bei der Vorstellung der DMS V.

Die Honorierung fehlt

Was für die PAR-Versorgung gilt, lässt sich auf alle Elemente der Sprechenden Zahnmedizin übertragen: Die wachsenden Aufklärungs- und Dokumentationspflichten sowie der angestiegene und sehr zeitintensive Aufwand in der Patientenkommunikation wird derzeit betriebswirtschaftlich nicht abgebildet. Derzeit existiert für ein solches Gespräch im Bema lediglich die Position Ä1, die mit einer Bewertungszahl von neun die Aufwände bei weitem nicht abdeckt. Eine adäquate Honorierung durch die Einführung einer neu zu schaffenden Gebührenposition in den Vergütungsregelungen sei daher mehr als überfällig, hatte die KZBV schon mehrmals unterstrichen. Nicht zuletzt hatte die KZBV-Vertreterversammlung erneut eine neue Gebührenposition für Sprechende Zahnmedizin gefordert.

###more### ###title### Eine wichtige Stellschraube ###title### ###more###

Eine wichtige Stellschraube

Patientenorientierung, Kommunikation und Aufklärung, die partizipative Entscheidungsfindung im Rahmen des individuellen Gesprächs zwischen dem Zahnarzt und seinem Patienten – all dies spielt im Gesundheitswesen eine immer größere Rolle, betont auch die BZÄK. Die Sprechende Zahnmedizin sieht sie als eine wichtige Stellschraube.

Vizepräsident Prof. Dr. Dietmar Oesterreich: „Sprechende Zahnmedizin ist aus Sicht der Bundeszahnärztekammer ist ein innovativer, gesundheitspsychologischer Ansatz, der Vertrauen schafft – ein Vertrauen zwischen Patient und Zahnarzt, das über eine zielgerichtete Ansprache die Motivation des Patienten fördert und dann idealerweise in ein optimiertes Mundgesundheitsverhalten mündet.“

Für die BZÄK zeigen sich die langhaltigen Erfolge und die Wirksamkeit von Sprechender Zahnmedizin in der deutlichen Verbesserung der Mundgesundheit in Deutschland – wie sie auch durch die jüngsten Zahlen aus der DMS V belegt wurden. Sprechende Zahnmedizin bilde den Anfang der Verhaltensformung und führe zu einer Verhaltensbeeinflussung bei den Patienten. Gerade die Aufklärung spiele eine große Rolle – über Befund und Diagnose, Therapie und Therapiealternativen, über Risiken, Kosten – und auch über Leistungen, die über den GKV-Katalog hinausgehen.

Oesterreich verweist ebenfalls auf den akuten Handlungsbedarf im Bereich der Parodontalerkrankungen. Aus seiner Sicht zeigen sich zwei Stoßrichtungen: Zum einen gelte es, die Aufklärung auf breiter Basis deutlich zu erhöhen, die BZÄK habe mit ihrer geplanten Awareness-Kampagne zu den Parodontalerkrankungen auf diese Herausforderungen reagiert. Auf Bevölkerungsebene solle die Risikowahrnehmung erhöht werden. Zum anderen gehe es auf individueller Ebene zwischen dem Zahnarzt und seinem Patienten darum, eine Früherkennung beziehungsweise Therapie einzuleiten und mit dem Patienten darüber zu kommunizieren.

Doch wie geht das effektive Reden mit dem Patienten? Oesterreich verweist auf die wissenschaftliche Methode der motivierenden Gesprächsführung (motivational interviewing MI), die das Ziel hat, bei Parodontitispatienten die subjektive Überzeugung zu fördern, auch selbst etwas gegen die Erkrankung tun zu können. Die Methode ist sowohl im Rahmen der Parodontitisbehandlung anwendbar, lässt sich aber auch auf andere Kommunikationsstränge im Dialog mit dem Patienten in der Praxis anwenden (Lesen Sie dazu das folgende Interview).

Das PAR-Konzept nimmt an Fahrt auf

Derweil arbeiten die Gremien am PAR-Konzept der Zahnärzteschaft weiter. Das fachliche Konzept wird jetzt um politische Forderungen ergänzt, um diese dann begleitend zum Prozess im G-BA zur Nutzenbewertung der Behandlung von Parodontopathien in die Öffentlichkeit zu bringen.

Die BZÄK wird den Prozess mit ihrer Aufklärungskampagne flankieren, an der ebenfalls mit Hochdruck gearbeitet wird. Mit dem Vorbericht zur Nutzenbewertung durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit (IQWiG) ist voraussichtlich im November zu rechnen.

Spätestens dann wird die Diskussion um die Sprechende Zahnmedizin und das ärztliche Gespräch politisch weiter an Fahrt aufnehmen. Und spätestens dann wird die Standespolitik auch weitere Fragen zur Honorierung des ärztlichen Gesprächs stellen.

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