Heilpraktiker: Befähigen oder abschaffen?
Mit einem flammenden Appell wollen die Experten dem bestehenden Wildwuchs im Heilpraktikerwesen ein Ende setzen. Dazu hat sich der sogenannte „Münsteraner Kreis“ gegründet – eine interdisziplinäre Gruppe von 17 Fachleuten aus Medizin, Zahnmedizin, Ethik, Wissenschaftstheorie, Psychologie und Rechtswissenschaft. Im „Münsteraner Memorandum Heilpraktiker“ begründen sie den aus ihrer Sicht dringenden Reformbedarf. „Wir wollten ausloten, wie ein solidarisches Gesundheitswesen verantwortlich und fair mit dem Clash zwischen gefährlicher Pseudowissenschaft und Selbstbestimmung umgehen sollte“, erklärt Schöne-Seifert. „Um es deutlich zu sagen: Wir wollten den gegenwärtigen Irrsinn nicht länger hinnehmen.“
Laut Memorandum existieren im deutschen Gesundheitswesen zwei Parallelwelten: die Welt der akademischen Medizin und die Welt der Heilpraktiker. Während die akademische Medizin nach Evidenzbasierung und begründetem Fortschritt strebe, seien Heilpraktiker in der überwiegend unwissenschaftlichen Gedankenwelt der Komplemen‧tären und Alternativen Medizin (KAM) verankert. Auch der Ausbildungsgang sei völlig verschieden: Während Mediziner ein langes Studium absolvieren, ist die Ausbildung zum Heilpraktiker kurz und weitgehend unreguliert. Da Heilpraktiker dennoch das Etikett „staatlich anerkannt“ bekommen, könnten Patienten leicht den – falschen – Eindruck gewinnen, es handle sich bei Medizinern und Heilpraktikern um gleichwertige Alternativen. Ein klarer Fehlschluss, wie das Memorandum unterstreicht. Wo die Grenzen verlaufen, sei für viele Patienten nicht erkennbar.
Das Memorandum macht eines deutlich – es geht nicht nur um Heilpraktiker, sondern auch um Ärzte und Zahnärzte: Es gibt sehr viele Ärzte, die KAM‧-Verfahren anbieten. Während Ärzte nicht als Heilpraktiker fir‧mieren dürfen, gilt dies nicht für Zahnärzte, Psychologen oder Physiotherapeuten. Sie können ihre Befugnisse durch eine Zusatzzulassung als Heilpraktiker ausweiten. Den Experten ist es ein Dorn im Auge, dass Heilpraktiker-Zahnärzte – ebenso wie Heilprak‧tiker-Physiotherapeuten – grundsätzlich auch Nieren- und Herzprobleme behandeln dürfen.
Vier Lösungswege
Um das Missverhältnis von Qualität und Befugnis (der Heilpraktiker) zu korrigieren, ohne dabei das Selbstbestimmungsrecht der Patienten einzuschränken, schlagen die Experten vier Optionen vor:
Die Beschränkungslösung:
Diese Strategie würde darin münden, Heilpraktikern weitere ärztliche Tätigkeiten zu verbieten. Dies hatte auch der Deutsche Ärztetag im Mai 2017 für den Bereich der Onkologie sowie für Injektionen und Infusionen gefordert.
Die arztzentrierte Lotsenlösung:
Eine strikte Unterwerfung an ärztliche Weisung. Das würde den Heilpraktikern aber faktisch ihre Patienten entziehen, denn aus Sicht der wissenschaftsorientierten Medizin gibt es keine Indikation für Verschreibungen von Alternativmedizin.
Die Abschaffungslösung:
Der staatlich geschützte Beruf des Heilpraktikers wird annulliert. Als Vorbild sehen die Experten die Neustrukturierung der Zahnheilkunde im Zahnheilkundegesetz von 1952. Damals wurde der Ausbildungsberuf des Dentisten zugunsten des akademisch ausgebildeten Zahnarztes abgeschafft. Eine Streichung des Heilpraktikerberufs habe den Vorteil, die bizarre Qualitätslücke zwischen qualitätsgesicherter ärztlicher Gesundheitsversorgung und bloß Gefahrenabwehr‧-kontrolliertem Heilpraktikerwesen nach‧haltig zu schließen, argumentieren die Experten.
Die Kompetenzlösung:
Andie Stelle des bisherigen Heilpraktikers tritt ein Fach-Heilpraktiker mit wissenschaftsorientierter Ausbildung und staat‧licher Prüfung. Fach-Heilpraktiker sollte (nur) werden können, wer bereits eine Ausbildung in einem speziellen, nicht-akademischen Gesundheitsfachberuf absolviert hat.
Die Experten betonen, dass sie die Abschaffungs- und die Kompetenzlösung favorisieren. Die Herausforderung bestehe dann darin, damit um‧zugehen, dass bereits zugelassene Heilpraktiker noch für lange Übergangszeiten tätig wären.
Dr. Hans-Werner Bertelsen Welche Gefahren sehen Sie, wenn Zahnärzte als Heilpraktiker arbeiten? Welche Forderungen ergeben sich für die Zahnmedizin? Wer ist hier noch in der Pflicht? Was soll der Vergleich mit dem Zahnheilkundegesetz von 1952? Dr. Hans-We
Dr. Hans-Werner Bertelsen
Welche Gefahren sehen Sie, wenn Zahnärzte als Heilpraktiker arbeiten?
Welche Forderungen ergeben sich für die Zahnmedizin?
Wer ist hier noch in der Pflicht?
Was soll der Vergleich mit dem Zahnheilkundegesetz von 1952?
Dr. Hans-Werner Bertelsen, Mitglied der Expertengruppe im „Münsteraner Kreis“, ist Zahnarzt in Bremen und Mitglied im Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin (DNEbM).