Leitartikel

„Wir fordern verlässliche Rahmenbedingungen!“

Und täglich grüßt das Murmeltier – so mag man angesichts der Meldungen zum Stand der Koalitionsgespräche gedacht haben, die just in die Zielgerade eingelaufen sind, als diese zm-Ausgabe in Druck ging. Die Gesundheitspolitik gehörte zu den härtesten Nüssen, die die GroKo-Sondierer für einen Durchbruch zu knacken hatten. Bis zum Schluss war strittig, ob (und wie) die SPD-Forderungen nach einem gleichen Arzthonorar für gesetzlich und privat Krankenversicherte aufgenommen werden, und ob es mehr Wechselmöglichkeiten für Beamte hin zur GKV geben soll. Über allem hing natürlich eines: die „Systemfrage“, also alles, was mit dem Thema Bürgerversicherung und dem Weg dorthin zu tun hat.
Noch während die Koalitionäre um Konsens rangen, wurden Einzelheiten zum Verhandlungsstand in Sachen Gesundheit publik. Der erste Eindruck: viele Details – und ein großer Flickenteppich an Maßnahmen. Zur Finanzierung hieß es, dass die Parität bei den GKV-Beiträgen wiederhergestellt werden soll. Bis zum Schluss war strittig, wie das genau ausgestaltet werden soll. Führt das tatsächlich zu mehr Gerechtigkeit? Da sei eine Anmerkung gestattet: Kann ein Modell, bei dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu gleichen Teilen beteiligt sind, auch tatsächlich paritätisch sein – und was ist mit den hohen Lohnnebenkosten, die der Arbeitgeber zu bezahlen hat? Die müssen ja auch erst einmal erwirtschaftet werden ...

Erkennbar wird, dass die GroKo-Sondierer einen Schwerpunkt auf Versorgungsfragen gelenkt haben. Hier schauen wir als Zahnärzte natürlich genau hin. Im zahnärztlichen Bereich läuft das gut: Wir haben zufriedene Patienten in GKV und PKV, es gibt keine Wartzeiten, keine Unterversorgung und wir haben eine steigende Qualität bei – im Vergleich zu Europa – moderaten Kosten. Das Ganze ist auf das gut funktionierende System von GKV und PKV zurückzuführen. Daher die eindringliche Warnung: Eine Aushöhlung dieses Systems hat für den Berufsstand und damit auch für die Versorgung, ernsthafte Konsequenzen. Es kommt zu einem Rückgang von Praxisinvestitionen, zum Abbau von Praxispersonal und zu Praxisschließungen. Betroffen wären vor allem der ländliche Raum und kleinere Städte. Und noch eines: Unsere Sorge gilt dem wachsenden Bereich von MVZ, die sich vornehmlich in und um größere Städte herum ansiedeln und die Versorgung auf dem Land gefährden. Wir wollen verhindern, dass sich reine Zahnarzt-MVZ immer mehr zum Spielball für Fremdkapitalgeber und Finanzinvestoren entwickeln.

Die Koalitionäre haben auch die Gesundheitsberufe im Blick. Hier wurde Handlungsbedarf erkannt. Besonders positiv: Die Heilberufe und deren Freiberuflichkeit und Therapiefreiheit sowie die freie Arztwahl werden ausdrücklich anerkannt. Sehr erfreulich ist auch: Die Politik hat nach unseren intensiven Interventionen erkannt, dass die Approbationsordnung für Zahnärzte zügig abgeschlossen werden soll. Damit kann auch die Gleichwertigkeit geregelt werden. Wir werden uns weiterhin vehement dafür einsetzen, damit die Novelle nun endlich im Bundesrat verabschiedet wird. Den Gesundheitsfachberufen will man mehr Verantwortung übertragen. Wie sich das genau ausgestaltet, bleibt zu beobachten. Für uns als Zahnärzte ist es wichtig, dass dabei das Prinzip von Delegation statt Substitution gewährleistet bleibt.

Dem Pflegesektor ist außerdem in den Verhandlungspapieren ein starkes Augenmerk eingeräumt worden. Aus zahnärztlicher Sicht müssen hier auch Aspekte der Versorgung von alten Menschen und Menschen mit Behinderungen greifen, um deren Mundgesundheit zu verbessern. Hier ist zwar schon viel erreicht worden, aber es geht noch mehr. In unseren Konzepten weisen wir kontinuierlich auf den Bedarf dieser vulnerabeln Gruppen hin.

Ein vorläufiges Zwischenfazit: Wir stehen vor vielen Plänen, vielen Ungenauigkeiten und vielen Interpretationsspielräumen. Was wir Zahnärzte aber fordern, sind verlässliche Rahmenbedingungen. Wir sind gerne bereit, uns in die Debatten um die Weiterentwicklung unseres Gesundheitssystems einzubringen. Unsere Konzepte liegen auf dem Tisch und wir stehen der Politik mit unserer Fachexpertise zur Verfügung. Aber wir brauchen klare Ansagen. Die Politik muss endlich handeln!

Dr. Peter EngelPräsident der Bundeszahnärztekammer

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