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Marie-Therese Herkel und Albertina Herkel

„Die Praxis möchte ich zusammen mit meiner Schwester Albertina führen“, erzählt Marie-Therese Herkel, die ältere der beiden Schwestern. „Das hat zum Beispiel den Vorteil, dass man sich in vielen Fällen gegenseitig unterstützen kann, etwa im Krankheitsfall, und dass man sich die Verantwortung in vielen Bereichen teilen kann.“ Gemeinsam mit ihren Eltern planen sie, sich im September 2019 niederzulassen. Sie hätten gerne die elterliche Praxis fortgeführt, doch sind die Räumlichkeiten zu klein. „Ob wir zu Anfang alle vier Praxisinhaber sind oder unsere Eltern eine Weile angestellt bleiben und dann peu à peu bis zur Rente ihre Arbeitszeit reduzieren, müssen wir noch sehen.“ Fest steht: Die Junior-Herkels gründen an einem neuen Ort neu, die Stadt bleibt dieselbe: Bad Rappenau zwischen Heidelberg und Heilbronn.

Die Planung befindet sich noch in der Anfangsphase, aber das Ziel ist, bis September 2019 ein Konzept erarbeitet zu haben, mit dem alle zufrieden sind. Dies liegt auch an Marie-Therese Herkels persönlicher Situation. Im Januar erwartet sie ein Kind. Wie die Betreuung des Nachwuchses aussehen wird, steht noch nicht fest: „Mein Mann und ich wollen im ersten Lebensjahr für das Kind da sein und uns mit der Elternzeit gegebenenfalls abwechseln.“ Ein Vorteil der Selbstständigkeit besteht aus ihrer Sicht darin, Arbeitszeiten flexibel anpassen zu können. So müsse man auch nicht allzu lange zu Hause bleiben. „Leider hat man als schwangere Frau keine rechtlich-finanzielle Unterstützung in der Selbstständigkeit“, bedauert Herkel. „Und im Angestelltenverhältnis wird einem die Entscheidungsfähigkeit genommen weiter zu arbeiten, auch wenn man die Risiken selbst sehr gut einschätzen und ohne Probleme für sich wie auch für das Ungeborene den Beruf weiter ausüben könnte. Das ist keine Gleichberechtigung“, beklagt die Gründerin in spe. 

Ihr Entschluss steht jedoch fest, denn: „Selbstständigkeit bedeutet für mich Selbstverwirklichung. Als Praxisinhaberin kann ich meine Ideale und Ideen umsetzen. Als Angestellte muss man doch über vieles diskutieren, und es dauert lange, bis man ein Okay bekommt. Das fängt schon bei Kleinigkeiten an, ob man bestimmte Materialien verwenden darf oder nicht.“ Die Zahnmedizin sei ein Berufszweig, bei dem sich ständig neue Technologien etablieren. „Das Gute daran ist, dass ich dann entscheiden kann, in welche Richtung bestimmte Schwerpunkte der Praxis gelegt werden können und welche Weiterbildungen hierfür notwendig sind. Natürlich bringt die Position auch eine höhere Verantwortung und mehr Verpflichtungen mit sich“, sagt Marie-Therese Herkel.

Ihre Schwester Albertina freut sich über die Möglichkeit einer sinnvollen Arbeitsteilung. „Marie-Therese wird sich verstärkt um die Oralchirurgie kümmern, mein Schwerpunkt wird sowohl die konservierende als auch die prothetische Versorgung unserer Patienten sein. Letztere liegt mir besonders am Herzen, schließlich bin ich auch ausgebildete Zahntechnikerin. Und außerdem will ich die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) anwenden, mit dem Fokus auf Akupunktur.“ Dabei wird sie es aber nicht belassen: Albertina Herkel möchte zusätzlich Curricula für Kinderzahnheilkunde und Endodontologie belegen. Schon jetzt kümmert sie sich in der elterlichen Praxis auch um betriebliche Belange wie den Schichtplan. „Dazu habe ich eine App ausgewählt, die sich das Praxisteam auf dem Smartphone installiert hat.“ Demnächst will sie einen digitalen Terminkalender und die Zeiterfassung per Fingerscanner einführen.

Eckdaten

Fläche:

 286 Quadratmeter in einem Neubau, geplant sind fünf Behandlungsräume, davon einer für die Prophylaxe

Preis:

 steht noch nicht fest, da er zum einen noch zu verhandeln ist und zum anderen noch nicht entschieden ist, ob die Schwestern kaufen oder mieten werden

Zahl der Mitarbeiter (ZFA und Auszubildende): steht ebenfalls noch nicht fest, die Herkels wollen aber grundsätzlich ausbilden

Biografie:

 Albertina Herkel

1989 in Heilbronn geboren

9/2009–1/2012 Ausbildung zur Zahntechnikerin

10/2012–12/2017 Zahnmedizinstudium an der Universität Witten Herdecke, Zertifikat Behindertenorientierte Zahnmedizin

3/2016–4/2017 Ausbildung TCM, Schwerpunkt Akupunktur

seit 05/2017 Assistenzzahnärztin in der elterlichen Praxis

Biografie:

 Marie-Therese Herkel

1987 in Heilbronn geboren

10/2007 Studium der Zahnmedizin an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

12/2012 Approbation als Zahnärztin

2018 Promotion in der Neurologie des Universitätsklinikums Heidelberg 

2013–2015 Vorbereitungsassistenzzeit in Karlsruhe

2015–2018 Weiterbildungsassistentin für Oralchirurgie in Karlsruhe und Landau

2018 Fachzahnärztin Oralchirurgie


Nora Wellenberg

Die derzeitige Inhaberin, eine Polin, würde sie jeden Tag in ihrer Entscheidung zur Niederlassung bestärken, erzählt die 38-Jährige. „Als sie nach ihrer Assistenzzeit die Praxis gegründet hat, konnte sie kaum ein Wort Deutsch und stand kurz vor der Geburt ihrer Tochter. Sie sagt, sie könne es manchmal immer noch nicht begreifen, wie sie so verrückt sein konnte. Aber sie hat die Praxis 32 Jahre lang allein erfolgreich geführt und sich und ihrer Familie ein gutes Leben aufgebaut.“ 


Familie und Beruf besser zusammenzubringen war ein wichtiger Grund für die heutige Mutter von zwei Söhnen (vier Jahre und elf Monate), das Thema Niederlassung anzugehen. „Bei einem Arbeitgeber bekam ich immer nur befristete Stellen, da man wohl vermutete, dass ich irgendwann schwanger werde.“ Als angestellte Zahnärztin in einer Sechs-Behandler-Praxis habe sie dann als Mutter oft so ungünstige Arbeitszeiten erlebt, dass sie – obwohl der Kindergartenplatz 45 Stunden pro Woche abdeckte – immer auf die Hilfe der Familie angewiesen war. „Trotz Teilzeitstelle habe ich mein Kind an zwei Nachmittagen pro Woche nicht gesehen“, beschreibt Wellenberg das Dilemma. Ursprünglich wollte sie sich gar nicht selbstständig machen. „Das hat sich unter anderem dadurch geändert, dass ich meistens nur das machen durfte, worauf die Chefs keine Lust hatten.“ All das soll mit der Gründung anders werden: „In meiner Praxis kann ich die Öffnungszeiten selbst festlegen und mich nach meinen Vorgaben organisieren.“ Auch ein Vorteil: „Wenn ein Kind aus Krankheitsgründen nicht in die Kita darf, kann ich es in die Praxis mitnehmen. Die Räumlichkeiten befinden sich auf zwei Ebenen. Oben ist der private Bereich und unten der für die Patienten.“ Für Wellenberg kommt die Familie an erster Stelle: „Ich möchte nicht darauf verzichten, meine Kinder aufwachsen zu sehen und bin bereit, finanzielle Abstriche zu machen.“ Außerdem möchte sie selbst entscheiden, wie sie behandelt, mit Personal und Patienten umgeht und welche Geräte und Materialien angeschafft werden. „Ich möchte etwas aus meinem Beruf machen und das schaffe ich nicht, wenn ich angestellt bin.“ Mit ihren bisherigen Chefs sei sie sehr zufrieden gewesen und habe von allen viel lernen können, aber jetzt sei es Zeit, auf eigenen Beinen zu stehen und Verantwortung zu übernehmen.

Es habe natürlich auch Hindernisse und Schwierigkeiten gegeben. Der Vermieter war zwei Monate lang nicht erreichbar. Der vermeintlich gemeinsame Anwalt von Verkäuferin und Käuferin habe lieber eigene Verträge entworfen, als dem Wunsch der Auftraggeberin zu entsprechen. Die geplante Finanzierung warf Wellenberg nach der Teilnahme an der „Opti SummerSchool“ über Bord. Dann gab es diverse Termine bei Beratern. Und in der Folge sehr viele Entscheidungen, die sie in relativ kurzer Zeit treffen musste. „Das macht aber Spaß, auch wenn es nicht immer glatt läuft.“ Immerhin: Wellenbergs Mann arbeitet in einer Medizintechnik-Firma und kann sich seine Zeit relativ frei einteilen, inklusive Homeoffice. Außerdem hat die bisherige Praxisinhaberin versprochen, noch an ein bis zwei Nachmittagen pro Woche mitzuarbeiten. „Später möchte ich noch eine Kollegin oder einen Kollegen in Teilzeit anstellen.“ Möglichkeiten, sagt sie, finden sich immer.

Eckdaten

Kaufpreis der Praxis:

 135.000 Euro, Miete 19.200 Euro brutto im Jahr für 177 Quadratmeter, inklusive Nebenkosten. Monatlich: 1.300 Euro netto plus 300 Euro Nebenkosten

Biografie:

1980 geboren

8/2000–8/2003 Ausbildung zur Zahntechnikerin in Essen

10/2003–11/2010 Studium der Zahnmedizin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

11/2010 Staatsexamen

2/2011–4/2013 Assistenzzeit in Essen

4/2013–7/2014 angestellte Zahnärztin

7/2014–6/2015 Elternzeit

9/2015–5/2016 angestellte Zahnärztin an der Implantologischen Tagesklinik Essen

6/2016 – 2/2018 angestellte Zahnärztin in einer Gemeinschaftspraxis in Bottrop

8/2018–1/2019 Entlastungsassistentin in der Praxis ihrer Vorgängerin in Essen, danach Übernahme geplant


Stephanie Cabot

„Am Tag, als mein zweites Kind kam, stand ich wie gewohnt bis 12 Uhr in der Praxis. Um 16 Uhr fuhr ich in die Klinik, wo um zwei Uhr nachts unser jüngster Sohn auf die Welt kam“, berichtet Stephanie Cabot, heute Inhaberin zweier Praxen (in Bonn und in Grafschaft-Gelsdorf) mit 23 Mitarbeitern. Ihre Stillpausen legte sie damals zwischen die Patiententermine. „Bevor es mit zwei Jahren in den Kindergarten kam, ist mein Kind sozusagen in der Praxis aufgewachsen. Auch die Patienten kennen mein Jüngstes.“ 


In Grafschaft-Gelsdorf galt es, eine Praxis in einem neu errichteten Einkaufszentrum einzurichten. „Dort hatte ich kompletten Einfluss auf die Gestaltung. Diese zweite Praxis haben wir ab Estrich selbst geplant, zum Beispiel, wo die Steckdosen und Netzwerkanschlüsse liegen sollen und wie die Räume gestaltet werden. Sogar die Möbel wurden von meinem Mann selbst entworfen. Ein befreundeter Schreinermeister hat die Rezeption, die Schränke und weitere Möbel nach Maß angefertigt.“ Fünf Monate musste Cabot am zweiten Standort ohne Telefon und Internet auskommen. Neue Patienten fanden trotzdem zu ihr – dank zahlreicher Empfehlungen.Die Räumlichkeiten in Bonn hatten sie besonders angesprochen, erzählt Cabot. „Es ist ein typischer Altbau in einer Jugendstilvilla, meine Patienten finden also keine sterile medizinische Atmosphäre vor, sondern ein eher familiäres Umfeld. Die Praxis war zwar altmodisch eingerichtet, aber technisch war alles vorhanden, was nötig ist. Der Praxisinhaber war ein älterer Kollege aus Dänemark. Mitgearbeitet habe ich dort seit Mai 2007. Als er krankheitsbedingt ziemlich plötzlich aufhören musste, habe ich die Praxis dann schon im Juli 2007 übernommen.“ Von den zwei übernommenen ZFA trennte sie sich, stellte stattdessen Mitarbeiter ein, die ihren Vorstellungen von Patientenorientierung und Qualitätsbewusstsein entsprachen. „Anfangs habe ich in Bonn auch noch die Prophylaxe gemacht.“ Inzwischen hat sie sich dafür an beiden Standorten Unterstützung geholt und die Belegschaft kontinuierlich vergrößert. 

Die Geburt von Kind Nummer zwei ist jetzt fünfeinhalb Jahre her, niedergelassen ist sie seit gut elf Jahren. Alles kein Problem für Cabot. Auch weil ihr Lebenspartner – ein gelernter Schlosser und Metallbaumeister – seinen Beruf aufgegeben hat und sie als Praxismanager und in allen organisatorischen, steuerlichen und handwerklichen Belangen unterstützt. „Ich brauche nur selten externe Handwerker zu beauftragen und er nimmt meinem Steuerberater viel Arbeit ab, was Kosten spart“, freut sie sich. „Wir haben aber noch eine Haushaltshilfe, einfach, um den Kindern gerecht werden zu können und die gemeinsame Zeit nicht mit Haushaltsdingen zu verschwenden.“

Der Anfang war aber steinig, erinnert sie sich, vor allem, weil sie mit der Beratungsfirma nicht gut gefahren ist: „Wir wären fast baden gegangen. Der Berater hatte sich hinter meinem Rücken mit der Bank zusammengesetzt und ohne mein Wissen Absprachen mit ihr getroffen. Da hat mein Mann das Ruder übernommen und die Zusammenarbeit beendet.“ Aus Fehlern habe sie aber viel gelernt. Vor allem, sich nur noch auf sich selbst und ihren Mann zu verlassen. „Wir werden im Studium fachlich prima vorbereitet, aber nicht auf die Realität.“ Es sei überlebenswichtig, sich selbst in steuer- und betriebswirtschaftliche Dinge einzuarbeiten, Verhandlungen mit Banken, Vermietern selbst zu führen und die Abrechnung zu erlernen. „Man sollte sein eigener Berater werden, denn da handelt man im ureigenen Interesse“, fasst Cabot ihre Erfahrungen zusammen. 

Marie-Therese Herkel und Nora Wellenberger waren Stipendiatinnen der Opti SummerSchool 2018. In dem einwöchigen „Trainingslager“ in Eckernförde an der Ostsee wird den Teilnehmern, allesamt junge Zahnärztinnen und Zahnärzte, das wesentliche Grundlagenwissen für eine erfolgreiche Niederlassung vermittelt.

Eckdaten

Praxen:

In Bonn: im Erdgeschoss 120 Quadratmeter, im 1. Obergeschoss mit Eigenlabor und DVT-Gerät 100 Quadratmeter, im 2. Obergeschoss mit Sozialräumen 80 Quadratmeter, 

in Grafschaft-Gelsdorf:

340 Quadratmeter, mit DVT-Gerät und kleinem Eigenlabor 

Mitarbeiter:

23 an zwei Standorten (inklusive Praxisinhaberin und Ehemann), davon 3 Auszubildende 

Biografie:

1977 in Alzenau in Unterfranken geboren, in Frankfurt am Main aufgewachsen

7/1997–12/2002 Studium der Zahnmedizin an der Johann-Wolfgang-Goethe Universität in Frankfurt a. M.

1/2003–7/2003 Assistenztätigkeit in Frankfurt a. M.

8/2003–4/2007 Assistenzzahnärztin und dann angestellt in einer Gemeinschaftspraxis in Mechernich

seit 7/2007 in Bonn niedergelassen, seit 11/2016 zusätzlich in Grafschaft-Gelsdorf

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