So erfolgreich sind Keramikrestaurationen
Die CSA basiert mittlerweile auf der Langzeitbeobachtung von mehr als 12.000 befundeten vollkeramischen Restaurationen aus 150 Zahnarztpraxen, die über einen Zeitraum von bis zu 20 Jahren nachuntersucht wurden (Abbildung 1).
Die Teilnahme an dieser multizentrischen internetbasierten Studie der Arbeitsgemeinschaft für Keramik (AG Keramik) ist kostenfrei und einfach: Die Praxen übermitteln anonymisiert zunächst die klinischen Ausgangsbefunde – Zahnvitalität, Papillenblutungsindex, Restaurationsgröße, Lage der Restauration und Zahntyp – unter Angabe ihrer klinischen Vorgehensweisen, der verwendeten Materialien sowie der Verarbeitungstechniken an die AG Keramik. Unter www.csa-online.de werden die Daten in einem Passwort-geschützten Bereich eingetragen, dabei erleichtern individualisierbare Voreinstellungen die Eingabe bei standardisierten Vorgehensweisen.
Im Anschluss erhält der Teilnehmer eine grafische Darstellung seiner individuellen Befunddaten und Vorgehensweisen im Vergleich zu den Mittelwerten aller Studienteilnehmer. Bei besonders auffälligen Unterschieden zwischen Individualdaten und Mittelwert erhält er zusätzlich zur grafischen Aufbereitung einen Kommentar mit entsprechenden Hinweisen. So können eigene Vorgehensweisen hinterfragt und anonym mit dem Procedere anderer Zahnärzte verglichen werden (Abbildung 2).
Im weiteren Verlauf untersuchen und dokumentieren die CSA-Teilnehmer die von ihnen eingegliederten vollkeramischen Restaurationen und übermitteln ihre Nachuntersuchungsbefunde sowie Ereignisse an die AG Keramik. Wie bei den Einsatzbefunden ist der Download der aktuellen, individuellen Auswertungen direkt nach Eingabe der Daten möglich. Der Zahnarzt erhält neben einer grafischen Aufbereitung der Datenbank auch eine individuelle Kaplan-Meier-Auswertung seiner persönlichen Langzeitergebnisse im Vergleich mit den Mittelwerten aller CSA-Teilnehmer.
Restaurationen aus Vollkeramik funktionieren
Die Studienergebnisse: Dank der großen Datenmenge können fundierte Aussagen über die Indikationsmöglichkeiten getroffen werden: Vollkeramische Restaurationen funktionieren! Es gibt auch keinen Hinweis auf Verschleiß bei längeren Liegezeiten: Die jährlichen Misserfolgsraten bleiben über den Beobachtungszeitraum von 20 Jahren konstant niedrig (Abbildung 3). Defektorientierte Inlays, Onlays und Teilkronen schneiden insgesamt besser ab als Vollkronen. Innerhalb der Gruppe der Teilrestaurationen hat die Größe der Restauration überraschenderweise keinerlei Einfluss auf die Langzeitprognose (Abbildung 4).
Daraus ergeben sich enorme klinische Konsequenzen: Kronen zu vermeiden bedeutet eine Verbesserung der Langzeitprognose des Zahnes sowohl aufgrund der Art der Versorgung als auch aufgrund der geringeren Invasivität des Eingriffs. Falls eine Teilversorgung infolge eines Misserfolgs neu angefertigt werden muss, kann der Zahn meist noch mit einer Krone versorgt werden, umgekehrt ist das nicht möglich. Die Teilrestauration kann streng defektorientiert bleiben: Dünne Restwände bei vier- und fünfflächigen Restaurationen haben auf die Gesamt-Langzeitprognose keinen negativen Einfluss. Mikroinvasivität bedeutet also nicht ein 360°-Veneer, sondern den Erhalt jedes gesunden Teils der Restzahnsubstanz, also eine rein defektorientierte Präparation.
Als größte Risikogruppe stellt sich die Versorgung primär avitaler Zähne dar. Dies gilt sowohl für die Kronenversorgung als auch für die Teilrestauration. Der Patient sollte daher vor der Behandlung über die erhöhte Gefahr eines Misserfolgs aufgeklärt werden.
Bei der adhäsiven Eingliederung einer Teilrestauration treten endodontische Komplikationen deutlich seltener auf als beim traditionellen Zementieren einer Vollkrone. Das Risiko für einen Misserfolg erhöht sich durch die endodontische Behandlung mit Zugang durch die vorhandene Restauration. Allerdings ist diese Risikosteigerung niedriger als das Misserfolgsrisiko bei einer Neuanfertigung beim primär avitalen Zahn, so dass eine obligate restaurative Neuversorgung bei endodontischer Komplikation nicht empfohlen werden kann.
Für die Versorgung von Implantaten mit vollkeramischen Restaurationen liegen bisher nur Sieben-Jahres-Ergebnisse vor. Diese sind jedoch – im Vergleich zur Versorgung natürlicher Zähne – mit besseren Resultaten sehr vielversprechend.
Feldspat- und Glaskeramik haben sich bewährt
Die Fülle der angebotenen Materialien bei der Versorgung mit vollkeramischen Restaurationen ist riesig und macht eine Bewertung schwierig. Dabei spielt der individuelle Umgang mit dem Material eine große Rolle. Insgesamt zeichnen sich für den Einsatz der verschiedenen Materialgruppen folgende Tendenzen ab: Feldspatkeramik und Leucit-verstärkte Glaskeramik haben sich in der Einzelzahnversorgung bewährt. Lithiumdisilikat- und Lithiumsilikatrestaurationen sind vielversprechend, ohne dass anhand der aktuell verfügbaren Daten eine signifikante Verbesserung bereits belegt werden könnte. Vollanatomische Zirkonversorgungen sind komplikationsarm.
Die Materialverarbeitung ist ein entscheidender Faktor für den Langzeiterfolg. Dank der Dokumentation des klinischen Vorgehens können erfolgsrelevante Vorgehensweisen erkannt und Empfehlungen formuliert werden. Die Ergebnisse des CSA zeigen: Retentionsverluste sind seltene Ereignisse; die Überschusskontrolle ist sehr wichtig, die Anwendung von Kofferdam bei adhäsiv eingesetzten Restaurationen sinnvoll. Der Konditionierung der Substratoberflächen kommt eine große Bedeutung zu: Auf der Keramikseite zeigt die Verwendung von Silan bei den relevanten Materialien eine signifikante Verbesserung der klinischen Langzeitergebnisse. Auf der Zahnseite ist neben der Schmelzätzung die Verwendung von Dentinadhäsiven relevant. In der Vergangenheit waren die traditionellen Mehr-Flaschen-Systeme den Ein-Flaschen-Systemen überlegen. Für die neueste, sehr vielversprechende Generation der MDP-haltigen Adhäsive können wir noch keine Langzeitaussage formulieren.
Schlechte Mundhygiene gleich mehr Misserfolge
Eine Analyse der Ursachen für einen Misserfolg zeigt, dass Frakturen mit fast 50 Prozent die mit Abstand häufigste Komplikation darstellen, alle anderen Ursachen sind sehr selten. Der Behandler kann durch Materialauswahl, Schichtstärken, Einsetztechnik sowie Oberflächenbearbeitung (Politur oder Glanzbrand) das Frakturrisiko mit beeinflussen und sollte daher diesen Parametern besondere Aufmerksamkeit schenken (Abbildung 6).
In den meisten Fällen (n = 224) war es nach einem Misserfolg möglich, den Zahn mit einer neuen Restauration zu versorgen. In 55 Fällen wurde der Zahn extrahiert. Die Extraktionen betrafen Kronen und Teilkronen gleichermaßen.
Misserfolgsrate
Misserfolge lassen sich beim Arbeiten im biologischen Milieu nicht verhindern. Die Stärke der CSA liegt darin, dass konkrete individuelle Risikofaktoren erkannt werden können. Eine Häufung von Komplikationen bei Risiko-Patienten ist belegbar. So zeigen beispielsweise Patienten mit tendenziell schlechterer Mundhygiene (PBI als Indikator) eine höhere Misserfolgsrate. Prophylaxe und Maßnahmen zur Verbesserung des häuslichen Putzverhaltens sind also absolut sinnvoll und belegbar nützlich.
Es gibt aber auch den „Risikozahnarzt“: Bei nur 4 Prozent der teilnehmenden Zahnärzte treten 50 Prozent der Frakturen auf. Eine allgemeine Qualitätsverbesserung kann also nicht mit einer generischen Empfehlung erzielt werden, sondern es ist auch ein Blick in die Einzelpraxis vonnöten. Der erhobene Zeigefinger ist nicht zielführend. Ebenso wenig trägt die teils auswuchernde Dokumentationspflicht für klinisch irrelevante Vorgaben zu einer besseren Erfolgsprognose bei. Vielmehr kann die fundierte, dezidierte und konkrete Empfehlung eines Experten die tatsächliche Verbesserung des klinischen Erfolgs sichern.
Jeder CSA-Teilnehmer kann jederzeit seine eigene Erfolgskurve im Vergleich zur Gesamtgruppe abrufen. Auch das Misserfolgsprofil ist grafisch online abrufbar. Darüber hinaus bekommt jeder Teilnehmer einmal jährlich einen individuellen Anschrieb mit einer Analyse der Besonderheiten nebst Urkunde und Fortbildungspunkten für das Engagement (Abbildung 7).
Vier exemplarische Fälle:
Bei Zahnarzt 2546 deutet der plötzliche Misserfolgsanstieg nach einem sehr guten klinischen Verlauf in den ersten zehn Jahren auf einen möglichen Materialverschleiß hin.
Die bei Zahnarzt 2574 nach einer anfänglich auffallend hohen Misserfolgsrate eingetretene Stabilisierung der Ergebnisse spricht für eine erfolgreiche Lernkurve beim klinischen Vorgehen.
Für Zahnarzt 10868 wird eine fundierte CSA-Analyse der Misserfolgsursachen sehr hilfreich sein, um künftig erfolgreicher zu behandeln (hier konkret die CSA-Empfehlung: Verwendung eines bewährten, nicht Anwendungstechnik-sensitiven Dentinadhäsivs).
Behandler 11698 ist ein klassisches Beispiel für einen Fall, bei dem die sofort online abrufbare CSA-Auswertung und die CSA-Empfehlungen äußerst hilfreich sind, um durch schnelles Ändern der Behandlungsstrategie weitere Misserfolge zu vermeiden.
Die CSA – Entscheidungshilfe für den Praxisalltag
Materialentwicklungen gehen weiter, neue wissenschaftliche Erkenntnisse führen zu neuen Empfehlungen. Entscheidungshilfen bei der Frage, ob diese im eigenen Praxisalltag zum Einsatz kommen sollen, sind meist Fortbildungen, das Literaturstudium, der Austausch mit Kollegen, Anzeigen des Herstellers oder Empfehlungen des Depotvertreters. Die CSA bietet hier ein zusätzliches Tool, das wesentlich aussagekräftiger ist. Die Eingabe des Einsetzprotokolls in verschiedene Untergruppen (Kohorten) ermöglicht – idealerweise sogar beim gleichen Patienten bei mehreren Restaurationen in der gleichen Sitzung – als Split-mouth-Design – einen direkten Vergleich: Neue Materialien oder klinische Vorgehensweisen können getrennt oder in Kombination betrachtet werden. Beispiele hierfür sind unterschiedliche Befestigungssysteme (Adhäsivzement des Herstellers A im Vergleich zum Zement des Herstellers B) oder der Einsatz von Ultraschall bei der Insertion vollkeramischer Teilkronen. Die CSA ermöglicht die direkte Überprüfung und den Vergleich des klinischen Ergebnisses.
Vier exemplarische Fälle
Zudem können innerhalb einer Großpraxis oder Universität auch bei gleicher Vorgehensweise die Ergebnisse verschiedener Behandler evaluiert werden, um eine fundierte fachliche Diskussion zu führen.
Evidenz allein reicht nicht aus
Klinische Langzeitstudien sind die Königsdisziplin der evidenzbasierten Zahnmedizin. Bei den erfassten Parametern wird jedoch der vielleicht wichtigste Erfolgsfaktor – der einzelne Behandler – nicht berücksichtigt. Da es sich um eine nicht randomisierte Studie handelt und eine Selbstbeurteilung erfolgt, ist der Evidenzgrad der CSA-Ergebnisse zwar niedrig (< 2), der Nutzen aber für die Patienten, die bei einem selbstkritischen CSA-Teilnehmer in Behandlung sind, ist sehr hoch. Hohe Erfolgsraten bei wenigen Komplikationen sollten das vorrangige (zahn-)ärztliche Behandlungsziel sein. Evidenzbasiertes Vorgehen ist wichtig, aber kein Garant für klinischen Erfolg.
Die Digitalisierung schafft nicht nur neue Bestimmungen und Verordnungen, sondern sie bietet auch – wenn man sie aktiv nutzt – Chancen und Möglichkeiten für eine bessere Behandlung, mehr Sicherheit, mehr Erfolg und damit auch Freude in der Praxis.
Dr. Bernd Reiss
Hauptstr. 26, 76316 Malsch
breiss@t-online.de
CSA+
Beim kommenden Deutschen Zahnärztetag wird die brandneue Anwendung der Ceramic Success Analysis für plastische Füllungen als CSA+ vorgestellt. Initiatoren und Unterstützer sind die Deutsche Gesellschaft für computergestützte Zahnheilkunde (DGCZ) und die AG Keramik. Die Erkenntnisse der CSA fließen in die Entwicklungen der unterstützenden Firmen ein und sind im Handbuch „Vollkeramik auf einen Blick“ abgebildet. Gleichermaßen bilden sie die Grundlage für zahlreiche Empfehlungen. Auch bei dem jungen Berliner Kurszentrum „Digital Dental Academy DDA“, mit dem ein Meilenstein für kompetente Fortbildung in perfekter Umgebung geschaffen wurde, fließen die Erkenntnisse der CSA in die Kursinhalte mit ein. CSA in Verbindung mit kompetenter Fortbildung ist eine Erfolg bringende Kombination für die nachhaltige Sicherung des klinischen Erfolgs.