Leitartikel

Eine Vision nimmt Gestalt an

Karl-Georg Pochhammer

Seien wir ehrlich: Es ist ein sehr ambitioniertes Projekt. Am Aufbau einer digitalen Infrastruktur im Gesundheitswesen, in dessen Zentrum die elektronische Gesundheitskarte und ihre Funktionen steht, wird schon seit Jahren gearbeitet. Pessimisten wollten das Vorhaben zwar bereits stoppen, und generell geht es einigen nicht schnell genug. Dennoch: Die Vision der digitalen Vernetzung im Gesundheitswesen nimmt mehr denn je Gestalt an.

Der flächendeckende Online Rollout der ersten Stufe, der die Telematikinfrastruktur (TI) in die Arzt- und Zahnarztpraxen bringt, ist mittlerweile im vollen Gange. Über 2.500 Zahnarztpraxen wurden mit den Komponenten bereits ausgestattet, über 7.500 elektronische Praxisausweise, die von den Praxen für den Zugang benötigt werden, ausgegeben. Von der gematik als Betreibergesellschaft sind schon seit einem halben Jahr erste Produkte mit den erforderlichen Komponenten zugelassen, weitere befinden sich im Zulassungsverfahren. Täglich werden aktuell im gesamten Bundesgebiet Arzt- und Zahnarztpraxen mit der TI als „Datenautobahn“ verbunden. 

Das ist auch notwendig, denn die Zeit eilt: Der Anschluss in den Praxen ist spätestens bis zum Jahresende 2018 vorzunehmen. Ansonsten sieht der Gesetzgeber ab dem 1. Januar 2019 für die Ärzte und Zahnärzte eine Honorarkürzung in Höhe von einem Prozent vor. Soweit, so schlecht. Daher an dieser Stelle zur Erinnerung: Um die gesetzlichen Vorgaben umzusetzen und die dabei vom Gesetzgeber vorgegebenen Fristen einhalten zu können, mussten KZBV und GKV-Spitzenverband zum 30. Juni 2017 eine Finanzierungsvereinbarung abschließen. 

So wurde mit Hochdruck zwischen beiden Vertragspartnern ein Kostenerstattungsvertrag der Kassen für die erste Stufe der Digitalisierung in den Zahnarztpraxen geschlossen. 

In welch absurde Situation der Gesetzgeber jedoch Kassen und KZBV stellte, lässt sich daran ablesen, dass zu diesem Zeitpunkt noch gar keine zugelassenen Komponenten, Dienste und Marktpreise verfügbar waren. Wie also sollten Kassen und KZBV einen Vertrag über Preise schließen, wenn zu diesem Zeitpunkt sowohl über die Marktbedingungen als auch über die Qualität und die Zulassung der Komponenten keine Informationen vorlagen? Doch, verehrte Kolleginnen und Kollegen, das schert den Gesetzgeber offenbar wenig.

Daher ist in der Vereinbarung auch festgelegt worden, dass die – im Übrigen durch das Schiedsamt der Ärzteschaft festgelegten Pauschalen – je nach Markterkenntnissen angepasst werden. Konkret: Wenn festgestellt wird, dass keine Kostendeckung für die Praxen gewährleistet ist, werden KZBV und GKV-Spitzenverband neu verhandeln. So ist sichergestellt, dass die Zahnärzte in den Praxen für die Implementierung der ersten Stufe der TI auch ausreichend entschädigt werden. 

Die gematik sieht als Nächstes den Online-Rollout der Stufe 2 vor. Dieser beinhaltet das Notfalldatenmanagement und den elektronischen Medikationsplan. Hiervon haben Zahnärzte erstmalig auch einen Nutzen. Doch, wie soll es anders sein, auch hierbei hat der Gesetzgeber Fristen vorgesehen. Werden diese nicht eingehalten, drohen für KZBV und GKV-Spitzenverband erneut Sanktionen. Konkret würde dies für die KZBV bedeuten, dass der Haushalt für das Jahr 2018 auf das Niveau von 2014 abgesenkt werden würde. Zusätzlich würde davon noch einmal ein Prozent gekürzt werden! 

Daher waren KZBV und GKV-Spitzenverband verpflichtet, eine weitere Vereinbarung bis zum Ende des Jahres 2017 zu schließen. Und dies, bevor die Erprobung des Notfalldatenmanagements und des elektronischen Medikationsplans überhaupt begonnen hatte. In Summe also bevor Kassen und KZBV die Gelegenheit gehabt haben, die Bedingungen des Gesetzgebers an der Realität zu messen! 

Was bleibt? Trotz des massiven Drucks, mit dem der Gesetzgeber Kassen und KZBV als Akteure der Selbstverwaltung zu Verträgen nötigt, trotz widersinniger Fristen und Sanktionen: Mit der Vereinbarung haben KZBV und GKV-Spitzenverband die Vorgaben fristgerecht erfüllt. Die Hausaufgaben sind gemacht. 

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