Die zm-Kolumne um die relevanten Praxisfragen: Digitalisierung in der Praxis

Nicht alles, was kann, ist ein Muss

Christian Henrici

Die zunehmende Digitalisierung unseres Alltags macht selbstverständlich auch vor Zahnarztpraxen keinen Halt – und ist in vielerlei Hinsicht auch hilfreich! Dennoch bin ich der Meinung, dass in der heutigen Zeit, in der technische Geräte und Raffinessen auf den Markt gebracht werden und gleichzeitig bereits über die bald kommenden Weiterentwicklungen und Vorteile der neuen Generation(en) „schwadroniert“ wird, mit Bedacht agiert werden muss und nicht jeder Trend mitgegangen werden sollte. Einschränkungen ergeben sich aufgrund der rechtlichen Vorgaben und Richtlinien, aber eben auch durch zu beachtende IT-Sicherheitsaspekte. Umso wichtiger ist es, sich auch bei solchen Fragestellungen immer wieder die „alte“ Beraterempfehlung vor Augen zu führen: „Du musst wissen, was Du tun willst. Du musst sagen, was Du tun willst ...“

 Oft habe ich auf unzähligen Dentalmessen – die ich auch als Aussteller besuchte –, erlebt, dass die Herangehensweise exakt umgekehrt war: Ein neues Produkt, das Nutzen versprach, wurde erworben – um im Anschluss die Integration in die Praxis zu prüfen!

State of the Art

Wie in allen Branchen gibt es auch im Dentalmarkt digitale Trends, die die tägliche Arbeit erleichtern und daher in keiner Praxis fehlen sollten. Angefangen bei einer den aktuellen Standards entsprechenden Praxisverwaltungssoftware als Grundlage der digitalen Abrechnung über ein elektronisches Terminbuch bis hin zum karteikartenlosen Arbeiten oder digitalen Röntgen. Selbst wenn die (einmalige) Umstellung der Praxisabläufe mit Arbeit verbunden ist, danken es Ihnen im Anschluss sowohl die Mitarbeiter als auch die Patienten, die beide von der Professionalisierung und zeitlichen Optimierung von Praxisabläufen profitieren. 

Nehmen wir beispielsweise an, dass im Rahmen der Patientenversorgung mit einer digitalen Karteikarte im Vergleich zur klassischen Variante aufgrund einer besseren Vor- und Nachbereitung sowie entfallender Reibungsverluste (etwa wegen fehlender Karteikarten) pro Patient im Schnitt 2–3 Minuten gespart werden können – dann können die Abläufe schnell um 45 Minuten am Tag optimiert werden. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Digitalisierung des Terminbuchs – niemand möchte dem Patienten aufgrund unsauberer Schriften oder gestrichener Eintragungen keine genaue Auskunft über seinen nächsten Termin geben können. In der digitalen Variante reicht ein Klick. Dies sind die Grundlagen, die heutzutage von jeder Praxis zu erwarten sind. Und übrigens bei Nichtvorhandensein ein KO-Kriterium bei einem späteren Praxisverkauf sein können.

Sinnvolle Erweiterungen mit Patientenmehrwert

Neben diesen unverzichtbaren digitalen Grundlagen gibt es weitere interessante Angebote, die sinnvoll eingesetzt werden können, aber nicht unbedingt müssen: 

Hierbei spielt vor allem die derzeitige, aber auch die gewünschte Zusammensetzung der Patienten eine Rolle. Ich denke dabei unter anderem an die Bereiche Terminvergabe und Recallsystem. Ein Online-Terminbuch, in dem beispielsweise Vorsorge-, Kontroll- oder Prophylaxetermine vereinbart werden können, sind ein Plus für die Praxis, wenn die Vorabplanungen zielgerichtet erfolgen und die geltenden Datenschutzrichtlinien eingehalten werden. Automatische Terminerinnerungen per E-Mail oder SMS können ebenso den Service-Mehrwert einer Praxis heben wie moderne Behandlungsmethoden – die teilweise auch erst durch die fortschreitende technische Entwicklung ermöglicht werden.

Mit Vorsicht zu genießen

Keinesfalls sollten Sie auf den Markt kommende digitale Neuerungen auf Verdacht erwerben. Es empfiehlt sich, die Reaktion des Marktes, der Politik und der Anbieter abzuwarten. Beispiel Telematik-Infrastruktur: Für die Vernetzung ist lediglich ein sicherer Internetzugang via Konnektor in Verbindung mit einem Virtual Private Network (VPN) in der Praxis erforderlich. Die über ein Jahr gegebene Monopolsituation mit nur einem einzigen Konnektoranbieter beginnt sich erst jetzt aufzulösen. Die Anbieter werben jedoch seit Monaten, wenn nicht Jahren, mit TI-Paketen, können aber bis heute nicht oder nur unzureichend liefern. Ähnlich verhält es sich in anderen Bereichen, sodass Vorteile durch rabattierte Preise zwar verlockend sind, nicht aber unbedingt zielführend sein müssen.

Sicherheit geht vor

Zwingend und zielführend ist jedoch die Auseinandersetzung mit den Themen Datenschutz und -sicherheit. Hierzu möchte ich allen Leserinnen und Lesern noch einmal die zm-Ausgabe 04/2018 ans Herz legen, in der eine umfangreiche Darlegung im Zusammenhang mit der Cybersicherheit erfolgte. Ein „Muss“ für jede Zahnarztpraxis – denn an dieser Stelle laufen die einzelnen Stränge zusammen. Einerseits macht erst die zunehmende Digitalisierung und die immer größer werdende Menge digitaler Daten die Gesundheitsbranche für kriminelle Dritte interessant – andererseits muss ich mir ohne eine digitale Datensicherung bereits in einem Brandfall keine Sorgen mehr um Hacker oder Viren machen, sondern werde vor den Trümmern meiner wirtschaftlichen Existenz stehen. Nicht zuletzt im Hinblick auf die verschärfte gesetzliche (strafrechtliche) Grundlage seit Mai dieses Jahres sollte sich jeder Praxisinhaber die Frage stellen, ob er sich und seine Praxis datenschutzrechtlich gut aufgestellt sieht. Hierzu zählen selbstverständlich auch die Online-Aktivitäten auf der Website, bei Bewertungsportalen oder in sozialen Netzwerken.

Fazit

Vor der Umsetzung von Digitalempfehlungen ist die Notwendigkeit für die Praxis zu betrachten, die entweder durch rechtliche Vorschriften oder aber durch wirtschaftliche Effizienz begründet sein kann. Im zweiten Schritt ist der Mehrwert für Mitarbeiter und Patienten zu überprüfen. Hierbei kann die Auseinandersetzung mit einem unabhängigen Fachmann hilfreich sein. So kann sichergestellt werden, dass spontane Käufe vermieden und die tatsächlichen Bedürfnisse der Praxis betrachtet werden. Ich empfehle daher, immer einen Schritt zurückzutreten und das große Ganze zu betrachten. Man muss nicht jeden Trend mitmachen!

In diesem Sinne …

Ihr Christian Henrici

Henrici@opti-zahnarztberatung.de

www.opti-zahnarztberatung.de

Christian Henrici

Dipl. Kfm. Christian Henrici ist seit 2006 Gründer und Geschäftsführer der OPTI health consulting GmbH, die nach eigenen Angaben seit 2006 rund 3.000 Zahnarztpraxen in Deutschland beraten hat. Henrici ist Lehrbeauftragter und Referent für Controlling, Personal und Businessplanung. Als Autor erschien von ihm im Quintessenz-Verlag das Buch „Wer braucht schon gutes Personal? – Erfolgreich führen in der Zahnarztpraxis“. Christian Henrici schreibt Fachbeiträge zu den Themen Betriebswirtschaft, Organisation und Führung & Personal in der Zahnarztpraxis und seine regelmäßige Kolumne in den zm.

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