Aus der Wissenschaft

Halb so lang, doppelt so gut?

Heftarchiv Zahnmedizin Implantologie
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In einer aktuellen Metaanalyse wurden extra-kurze und lange Implantate miteinander verglichen. Dabei konnten es die kurzen durchaus mit der Kontrollgruppe aufnehmen.

Extra-kurze Implantate erfreuen sich, insbesondere bei reduziertem Knochenangebot im posterioren Kieferbereich, immer größerer Beliebtheit. Die bislang publizierte Studienergebnisse scheinen die Vorzüge der verkürzten Implantatlängen zu belegen. Das Besondere an der vorliegenden Metaanalyse von Ravidà et al. [2018] ist, dass bei den einbezogenen Studien eine Längendifferenz von mindestens vier Millimetern zwischen den inserierten Implantaten als Inklusionskriterium vorausgesetzt wurde. Vorangegangene Metaanalysen haben zuweilen Vergleiche mit wesentlich geringeren Längenunterschieden und einer folglich weniger klaren Abgrenzung erarbeitet.

Die internationale Forschergruppe wählte für ihre Analyse insgesamt 18 randomisierte In-vivo-Studien mit einer Gesamtanzahl von 1.612 Implantaten aus, davon 793 extra kurze und 820 lange Implantate*. Die kurzen Implantate hatten eine maximale Länge von sechs Millimetern (Testgruppe), die langen Implantate eine Mindestlänge von zehn Millimetern (Kontrollgruppe). Die Insertion erfolgte teils mit, teils ohne Knochenaugmentation, die Versorgung mit einer festsitzenden Prothetik war hingegen obligates Inklusionskriterium. Die Verlaufskontrollen mussten über einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten durchgeführt werden.

Gemäß der von den Autoren ermittelten Metadaten liegt die allgemeine Überlebensrate aller eingeschlossenen Implantate bei 97,1 Prozent – unabhängig vom beobachteten Zeitraum –, im Einzelnen 96,69 Prozent für extra-kurze und 97,5 Prozent für lange Implantate. Ein statistisch signifikanter Unterschied der Ein- bis Drei-Jahres-Überlebensraten zwischen beiden Gruppen könne nicht festgestellt werden. Allerdings beschreiben die Autoren für kurze Implantate signifikant niedrigere Überlebensraten fünf Jahre nach Insertion. In der Maxilla könne im ersten Jahr nach Insertion mit Knochenaugmentation kein Unterschied zwischen beiden Testgruppen festgestellt werden, in der Mandibula zeige die Kontrollgruppe nach Insertion mit vertikaler Knochenaugmentation etwas schlechtere Überlebensraten.

Aufgrund fehlender Studienlage konnten die Autoren keine konkrete Aussage bezüglich des Einflusses der Knochenaugmentation im Kontrollzeitraum von drei bis fünf Jahren formulieren: Bei langen Implantaten fiele ein signifikant höherer marginaler Knochenverlust nach Ein- und Drei-Jahres-Kontrollen auf, wobei die Methode der Knochenaugmentation einen besonderen Einfluss habe (Sinuslift > vertikale Knochenaugmentation im UK). Prothetische Komplikationen träten in beiden Gruppen im ersten Jahr in gleichem Maß auf, nach drei Jahren wäre eine signifikant höhere Rate in der Testgruppe zu verzeichnen. Es gäbe deutlich weniger biologische Komplikationen bei extra-kurzen Implantaten nach einem und nach drei Jahren. Dabei habe die Knochenaugmentation keinen signifikanten Einfluss auf die biologischen Komplikationen in beiden Kiefern. Sowohl die Gesamtkosten als auch die Behandlungsdauer seien bei extra-kurzen Implantaten geringer.

* Hier besteht eine Zahlendifferenz von einem Implantat. Die Angaben wurden aus dem Originaltext übernommen, der im Oktober 2018 vom Journal of Clinical Periodontology publiziert wurde.

Fazit

Extra kurze Implantate zeigen nach Ravidà et al. [2018] im Allgemeinen gleichwertige bis bessere Ergebnisse bei der Versorgung posteriorer atropher Kieferabschnitte. Deckungsgleich mit vorangegangenen Metaanalysen sei der fehlende statistisch signifikante Unterschied zwischen Ein- und Drei-Jahres-Überlebensraten zwischen Test- und Kontrollgruppe. Zudem seien sowohl der marginale Knochenverlust als auch das Auftreten biologischer Komplikationen geringer und die Kosten sowie die Behandlungsdauer reduziert und somit patientenfreundlicher. Der höhere marginale Knochenverlust bei langen Implantaten sei bereits in vorangegangenen Studien benannt worden. Die Heterogenität einiger Studien diesbezüglich könne auf modulierende Faktoren wie eine (zu) frühe prothetische Versorgung, verschraubte prothetische Aufbauten, die Methode der maxillären Knochenaugmentation (interner oder externer Sinuslift), verschiedene Formen des prothetischen Aufbaus und den Rauchstatus zurückgeführt werden.

Wenn man von den vorliegenden Ergebnissen ausgeht, müsse geschlussfolgert werden, dass eine frühe Belastung durch eine prothetische Versorgung (weniger als zehn Wochen nach Implantation) negative Auswirkungen auf das spätere Knochenniveau habe, vorwiegend bei langen Implantaten. Dies stünde im Gegensatz zu der Annahme, dass die Adaptation des Knochens an den Stimulus der funktionellen Belastung erfolgt. Neu sei indes das Ergebnis einer höheren 5-Jahres-Überlebensrate von langen Implantaten, obgleich die Autoren aufgrund der geringen Anzahl an Studien (3) keine direkte Schlussfolgerung daraus ableiten wollen. Zudem sei anzumerken, dass die meisten Misserfolge in den ersten drei Jahren nach Implantation auftreten, so Ravidà et al. [2018].

Man könne aufgrund der aktuellen Studienlage bei der Insertion längenverkürzter Implantate von einer praktikablen Alternative zu langen Implantaten ausgehen. Einschränkend sei zu beachten, dass nur ein Zeitraum von drei Jahren als sicher beurteilbar gilt und zudem prothetische Komplikationen scheinbar häufiger aufträten. Benötigt würden weitere Studien, die über den Drei-Jahres Zeitraum hinausgehend Langzeitergebnisse für eine abschließende Beurteilung liefern.

Quelle: Ravidà A, Wang IC, Barootchi S, Askar H, Tavelli L, Gargallo-Albiol J, Wang HL (2019): Meta-analysis of randomized clinical trials comparing clinical and patient-reported outcomes between extra-short (≤ 6 mm) and longer (≥ 10 mm) implants. Journal of clinical periodontology, 46(1), 118–142.

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