United Smile e. V.

Drei Zahnis gründen Hilfsorganisation

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Sie studieren Zahnmedizin im 10. Semester, die Klinik neigt sich dem Ende entgegen, das Examen ist in Sichtweite. Was kommt als Nächstes? Jetzt müssen die ersten beruflichen Schritte geplant werden – oder? Drei Studenten aus Würzburg wählten einen anderen Weg, sie gründeten erst mal eine Hilfsorganisation. Einer von ihnen, Robin Fernandéz erzählt im Interview, wie es dazu kam.

Woher die Zeit, woher der Mut? Braucht man nicht eine ziemlich breite Brust, um so jung an Jahren, so jung an Berufserfahrung eine Hilfsorganisation zu gründen?

Robin Fernandéz: Ehrlich gesagt haben wir uns über den Aufwand, die Folgen und die Hürden (die erfreulicherweise niedriger waren als erwartet) anfangs überhaupt keine Gedanken gemacht. Natürlich war der bürokratische Aufwand, den wir damals parallel zum Studium hatten, nicht unerheblich, allerdings haben wir uns immer gerne Zeit dafür genommen. Und zum Glück braucht man dafür nicht wirklich Berufserfahrung, man muss es einfach in Angriff nehmen und anpacken.

Ein anderer Aspekt einer Vereinsgründung ist die, sagen wir mal, „nachhaltige Verpflichtung“, die man eingeht, die Verantwortung, die man auf sich nimmt. Man verspricht ja ein Engagement über einen längeren Zeitraum. Woher die Sicherheit?

Das ist ein sehr großes Anliegen für uns, und wir haben auch den Anspruch an uns selbst, dieser Verantwortung – so gut es geht – gerecht zu werden. Denn nur durch nachhaltiges Engagement kann sich langfristig auch etwas verändern. 

Bei unserem ersten Einsatz in Nepal haben wir festgestellt, dass der Bedarf in der Tat enorm ist, da eine zahnmedizinische Versorgung in weiten Teilen des Landes nicht existent ist. Was wir vor Ort leisten können, ist, realistisch und im Ganzen betrachtet, leider nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Daher wollen wir in unseren Einsätzen etablieren, dass jeder Patient, vor allem die Kinder und Jugendlichen, eine Putzdemonstration mitmacht und mit einer Zahnbürste und fluoridhaltiger Zahnpasta nach Hause geht. Des Weiteren versuchen wir bei zukünftigen Einsätzen zum einen neue, entlegene Orte anzusteuern und zum anderen zu Ortschaften, wo wir bereits zuvor waren, zurückzukehren und eine nachhaltige Versorgung zumindest in einem gewissen Mindestmaß gewährleisten zu können. 

Sie haben es gerade angesprochen, begonnen hat das Engagement in Nepal mit der Famulatur 2017. Warum Nepal?

An unserer Hochschule, der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, gab es des Öfteren Informationsveranstaltungen von Studenten aus den höheren Semestern über deren Auslandsfamulaturen. Zwei meiner Kommilitonen – Jens Dauben aus Mönchengladbach und Sebastian Köppert aus Wolfenbüttel – und ich fanden das immer sehr interessant. Bei der Famulatur lag unsere Motivation darin, Menschen zu helfen, die nicht den für uns gewohnten Luxus besitzen, immer einen Zahnarzt in ihrer Nähe zu haben und sich eine Behandlung leisten zu können. Zeitgleich geriet Nepal aufgrund des verheerenden Erdbebens in die Schlagzeilen, weshalb wir uns auch entschlossen, dort unsere Famulatur abzuleisten.

Bei einer Famulatur bewegt man sich in bestehenden Organisationsstrukturen. Weshalb dann die Gründung eines eigenen Vereins? Was wollten Sie anders oder besser machen?

Der Bedarf vor Ort war so riesig, dass wir uns entschlossen haben, einen eigenen Verein zu gründen – auch im Hinblick auf den Aspekt einer nachhaltigen Verbesserung der oralen Gesundheit in Nepal. Bei der Gründung des Vereins waren wir noch Studenten, zum Zeitpunkt der Gründung mitten im 10. Semester. Wir wollten uns zum Ziel machen, eine ehrliche und transparente Hilfe zu leisten, die wir selbst gestalten, nachvollziehen und bestimmen können. Dafür war es nötig, eine juristische Grundlage zu schaffen. So konnten wir eindeutige Ziele und Leitsätze in unserer Vereinssatzung verankern und entsprechend unsere Einsätze umsetzen und gestalten.

Welche Hürden gab es? Kann man so einfach als Student einen Hilfsverein gründen? 

Zum Glück war ein Studienabschluss nicht nötig. Einen Verein in Deutschland zu gründen ist eigentlich relativ einfach. Viel schwieriger ist es, das Interesse der Menschen zu wecken und Mitwirkende zu finden, die mit derselben Leidenschaft, Motivation und Ehrlichkeit an die Sache herangehen. 

2018 dann der erste Hilfseinsatz, approbiert und als e.V., eigenverantwortlich. Wen wollten Sie behandeln? 

Unser Hauptaugenmerk war darauf ausgelegt, vor allem Menschen zu versorgen, die keinen oder einen nur sehr schlechten Zugang zu zahnmedizinischer Versorgung haben oder sich diese aus finanziellen Gründen nicht leisten können. Natürlich mussten wir uns bei diesem zweiten Einsatz um die komplette Organisation selbst kümmern. Vor allem die Planung der verschiedenen Camps war aufwendig. Aber durch unsere Kontakte, die wir bei unserem ersten Besuch geknüpft hatten – zum Beispiel zu Nikki Thapa von „Healing Hands Nepal“ – hatten wir einen engagierten und zuverlässigen Partner vor Ort, der sich um alles Wichtige gekümmert hat. Durch deren Hilfe haben wir schließlich sechs Dental Camps in verschiedenen Regionen des Landes organisiert.

Was ist anders, wenn man einen Einsatz selbst plant und organisiert, statt nur mitzulaufen?

Wir hatten beim zweiten Mal deutlich mehr mit der Planung zu tun. Dadurch, dass wir alles selbst organisiert, ständig mit den Leuten vor Ort korrespondiert und geplant hatten, waren wir viel mehr involviert, was für uns auch schön war, da wir vieles selbst mitgestalten und entscheiden konnten. 

Hinzu kam, dass wir durch Geld- und Sachspenden mit vielem sogar neu ausgestattet waren. Durch die hervorragende Unterstützung von „Healing Hands Nepal“ konnten wir einen guten Behandlungsablauf garantieren. Überall wo wir waren, hatten wir tolle Übersetzer, die sich Zeit genommen haben, auch komplexe Sachverhalte verständlich zu übersetzen. Wir wussten immer, welche Sorgen und Beschwerden die Patienten hatten, und konnten sie über alles Wichtige aufklären. 

Konkret waren Sie wo?

Die ersten beiden Einsätze, jeweils über zwei Tage, waren in Gemeinden am Rande des Kathmandu-Tals, die trotz der Nähe zu Kathmandu eine eher unzureichende medizinische Versorgung haben. In Taudaha haben wir unsere „mobile Praxis“ über einer Tempelanlage aufgebaut und die Schüler der dortigen Schule behandelt. Die zweite Station war eine Secondary School in Changunarayan im Bezirk von Bhaktapur.

Für unsere nächsten Einsätze ging es nach Lamjung, einem Distrikt auf halber Strecke zwischen Kathmandu und Pokhara. Dort haben wir ebenfalls an mehreren Schulen und einem Health Post unser Equipment aufgebaut und behandelt. Weiter über Pokhara verschlug es uns in den Westen Nepals. In einem kleinen, abgelegenen Bergdorf – Falama dande – widmeten wir uns mehrere Tage der Behandlung von ortsansässigen und weitanreisenden Einwohnern der Region. Zurück in Kathmandu besuchten wir eine Schule für körperlich und geistig beeinträchtigte Kinder – ein Projekt, das uns bei unserem Einsatz 2017 bereits intensiv geprägt hatte.

Wie wurden Sie von den Patienten empfangen? 

Ein Beispiel: Die Menschen nahmen teilweise mehrere Stunden Fußmarsch in Kauf, nur um sich bei uns behandeln zu lassen. Die Dankbarkeit und die Offenheit der Menschen hat uns sehr gerührt. So gab es am letzten Tag zu unseren Ehren extra eine kleine Feier – traditionelle Tänze der Einheimischen wurden vorgeführt und uns wurden Geschenke wie etwa selbstgewebte Schals überreicht. 

In welchem Alter waren die Patienten und wie war der Mundgesundheitszustand? 

Da war alles dabei: Männer, Frauen, Kinder im Vorschulalter bis zur 80-jährigen Großmutter. Bei den Kindern und Jugendlichen haben wir hauptsächlich fluoridiert, stark zerstörte Milchzähne und Milchzahnreste gezogen oder Füllungen und Fissurenversiegelungen gelegt und durchgeführt. Bei den Erwachsenen war leider oftmals eine konservative Behandlung nicht mehr möglich, wir mussten verhältnismäßig mehr Zähne extrahieren. Zudem haben wir dafür gesorgt, dass einer von uns an jedem Standort eine Putzdemonstration präsentiert. Schließlich bekam jeder Patient eine Zahnbürste sowie Zahnpasta. Für solche Dinge haben viele in Nepal kein Geld und müssen notgedrungen ihre Prioritäten anders setzen. 

Daher sahen wir verhältnismäßig viele Kinder, die am Ende der zweiten Wechselgebissphase komplett zerstörte 6er hatten. Leider fanden wir auch häufig Kleinkinder mit NBS und ausgeprägten, abszedierenden Entzündungen mit dentalen Foci vor. Bei den Erwachsenen verhielt es sich ähnlich, nur waren die Zustände noch schlimmer, je älter die Patienten waren. Manche Gebisse bestanden nur noch aus Wurzelresten und wenigen, stark zerstörten Zähnen, Konsequenzen für den Allgemeinzustand nicht auszuschließen. 

Lange nicht oder noch nie beim Zahnarzt – hatten die Patienten keine Angst? 

Unser Team, also Healing Hands Nepal & United Smile e.V., war immer bemüht, Ängste und Vorbehalte vor der Zahnbehandlung zu nehmen. So verließen alle Patienten mit einem Lächeln den provisorischen Behandlungsaal, auch wenn einige noch überrascht waren, dass der befürchtete Schmerz ausblieb, die Lippe taub war oder das Augenlicht trotz Zahnextraktion weiterhin erhalten blieb – ein verbreiteter Aberglaube dort.

Und wie geht es jetzt weiter? 

Mit der neugeschaffenen Infrastruktur und einer guten Partnerschaft mit „Healing Hands Nepal“ schauen wir freudiger Erwartung in die Zukunft – bereit, 2019 neue Zahnärzte und Zahnärztinnen und Zahnmedizinstudierende zu entsenden und neue Projekte zu fördern. Wir sind ständig auf der Suche nach approbierten Zahnärzten und Zahnärztinnen, die gerne eine Famulatur im Ausland machen möchten.

Die Fragen stellte Stefan Grande.

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