Aus der Wissenschaft

Die Früherkennung medikamentenbedingter Osteonekrose ist möglich!

Kerstin Albrecht
Tumorpatienten müssen oft antiresorptive Medikamente wie Bisphosphonate oder Denosumab einnehmen. Eine der gefürchtetsten Nebenwirkungen ist dabei die medikamentenbedingte Osteonekrose des Kieferknochens. Mainzer Forscher entwickelten nun eine Methode, diese Patienten objektivierbar anhand ihrer 3-D-Röntgenbilder zu identifizieren.

Bei einer medikamentenbedingten Osteonekrose verändert sich die räumliche Knochenstruktur des Kieferknochens. Es treten Osteosklerosen neben osteolytischen Prozessen auf, die Lamina dura ist verdickt, unter dem Periost lagert sich Knochen ab und nach Zahnextraktionen bleiben die Alveolarhöhlen röntgenologisch sichtbar und werden nicht mit Knochen aufgefüllt. Klinische Befunde unterschätzen das Ausmaß der Erkrankung häufig, mithilfe der dreidimensionalen röntgenologischen Bildgebung lässt sich die Situation besser beurteilen. Eine Aussage, ob tatsächlich eine medikamentenbedingte Osteonekrose vorliegt, ist bislang jedoch von der subjektiven Beurteilung der Bildgebung und der Klinik durch den Arzt abhängig.

Ziel einer kürzlich veröffentlichten Studie aus Mainz war es, eine objektivierbare Methode zu entwickeln, wie Patienten mit medikamentenbedingter Osteonekrose anhand von DVT-Aufnahmen identifiziert werden können. Dazu berechneten die Forscher einen speziellen mathematischen Index – die fraktale Dimension. Sie kann vereinfacht als Komplexität einer Struktur verstanden werden; je komplexer die Struktur, desto höher die fraktale Dimension.

Methode

Die Mainzer Forscher nahmen sich DVT-Aufnahmen von 77 Patienten mit bekannter medikamentenbedingter Osteonekrose (Studiengruppe) vor und verglichen definierte Regionen im Ober- und im Unterkiefer mit den gleichen Regionen auf DVT-Bildern von 78 gesunden Patienten (Kontrollgruppe). Im Unterkiefer war das die Knochenregion zwischen der Wurzelspitze der Unterkiefermolaren und dem Mandibularkanal, im Oberkiefer die Region oberhalb der Wurzelspitzen der Eckzähne. Es wurden auf den Röntgenbildern der Studiengruppe also nicht unbedingt die Regionen analysiert, bei denen schon eine medikamentenbedingte Osteoradionekrose erkennbar war.

Ergebnisse

Die fraktale Dimension (FD) der Knochenstruktur der Patienten mit medikamentenbedingter Osteonekrose war um 3,5 Prozent niedriger als in der Kontrollgruppe. Die „kranke“ Knochenstruktur war mathematisch gesehen also nicht so komplex. Dieser Unterschied war hochsignifikant. Dazu hatten Geschlecht und Alter einen signifikanten Einfluss auf die FD-Werte der Studiengruppe, jedoch nicht auf die der Kontrollgruppe. Im Fall des Alters liegt das sicher daran, dass die gesunden Patienten in der Kontrollgruppe im Durchschnitt deutlich jünger waren als die in der Studiengruppe. Die Ergebnisse waren gut reproduzierbar.

Fazit und klinische Relevanz

Die Berechnung der fraktalen Dimension anhand von DVT-Bildern scheint eine gute Methode zu sein, um Patienten mit medikamentenbedingter Osteonekrose zukünftig anhand eines objektivierbaren Parameters frühzeitig von gesunden unterscheiden zu können, noch bevor klinisch sichtbare Symptome auftreten. Mit dieser Methode könnten Radiologen zukünftig das Krankheitsstadium objektiv beurteilen.

Möglicherweise könnten sie diesen objektiv messbaren Parameter auch für automatisierte Auswertungen nutzen. Standardisierte, quantitative, mehrdimensionale Informationen aus Bilddaten von CT-, DVT- oder MRT-Bildern mittels Verfahren der Künstlichen Intelligenz zu extrahieren und für therapeutische Zwecke zu nutzen, ist derzeit Forschungsgegenstand in vielen Bereichen der Medizin. Wissenschaftler fassen diese Verfahren unter dem Begriff „Radiomics“ zusammen.

Dr. med. dent. Kerstin Albrecht

Medizin-/Dentaljournalistin

Quelle:

R. Bachtler, Ch. Walter, Ralf K. W. Schulze: „Fractal dimension in CBCT images as predictor for MRONJ: a retrospective cohort study.“ Clin Oral Investig 2020 Aug 22. doi: 10.1007/s00784–020–03523-x.

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