Einsatz der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg in Nepal

Kein Milchgebiss ohne Karies

Auch in Nepal ist Zucker inzwischen ein großes Problem für die Mundgesundheit. Hochverarbeitete Lebensmittel sind beliebt, weil günstig. Bei unserem Einsatz stellten wir fest, dass keines der Kinder ein komplett gesundes Milchgebiss mehr hatte.

Als wir zu unserem Einsatz nach Nepal aufbrachen, wussten wir, dass der Versorgungsbedarf enorm groß ist – die Not wurde nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie verstärkt. „Wir“, das sind: Weiterbildungsassistent für Oralchirurgie Dr. Jakob Fehlhofer von der MKG-Klinik Erlangen, die Zahnärztin Hanna Wedekind aus Nürnberg (Praxis Schneider), die Zahnmedizinstudierenden Theresa Fischer und Helene Siegel aus dem 8. Semester und ich, Dr. Mayte Buchbender, Fachzahnärztin für Oralchirurgie, ebenfalls MKG-Klinik Erlangen (Direktor Prof. Dr. Dr. Marco Kesting).

Etwa 85 Prozent der 24 Millionen Nepalesen leben auf dem Land und haben dort so gut wie keinen Zugang zur Versorgung. Seit einigen Jahren macht sich die Globalisierung in dem Land vermehrt bemerkbar. Bei der Ernährung zeigt sich das vor allem im steigenden Konsum von zuckerhaltigen und verarbeiteten Nahrungsmitteln. Diese werden inzwischen oft in großen Mengen konsumiert, was sich insbesondere auf die Mundgesundheit von Kindern auswirkt, von denen die meisten unter einer Early Childhood Caries (ECC) leiden.

Das Krankheitsbild der ECC lässt sich in drei Grade einteilen: Typ I (mild bis moderat), Typ II (moderat bis schwer) und Typ III (schwer). Beim schweren Typ spricht man von einer nicht kariesfreien Unterkiefer-Front, die durch eine unzureichende Mundhygiene und hochkariogene Ernährung bedingt ist – und beim Hauptteil der Kinder beobachtet wurde. 

Keines der Kinder hatte ein naturgesundes Gebiss

Keines der 50 Kinder unter zwölf Jahren, die wir bei dem Einsatz behandelten, hatte ein vollkommen gesundes Milchgebiss. Gerade deshalb war es uns als Team wichtig, bei den Kindern wie auch bei deren Eltern ein Bewusstsein für Zahnpflege zu schaffen. Also erhielten die kleinen Patienten nach der Behandlung eine eigene Zahnbürste und Zahnpasta sowie eine Vorführung, wie man beides benutzt.

Ein weiterer Faktor, der die Mundgesundheit in Nepal beeinträchtigt – und zwar durch alle Gesellschaftsschichten – ist der Konsum von rauchfreiem Tabak, zum Beispiel der Betelnuss. Jene steht in Zusammenhang mit der Entstehung von bösartigen Erkrankungen der Mundschleimhaut wie dem oralen Plattenepithelkarzinom, wie 2019 die Untersuchung „Risk Assessment of Smokeless Tobacco among Oral Precancer and Cancer Patients in Eastern Developmental Region of Nepal“ belegte. Wir waren daher überrascht, dass keiner der rund 200 von uns untersuchten Erwachsenen eine potenziell suspekte Mundschleimhautveränderung oder Vorläuferläsion aufwies.

Die einzige Veränderung der Mundschleimhaut (im weitesten Sinn) war eine Ankyloglossie bei einer etwa 65-jährigen Patientin (Abbildung 3). Da die Frau keinen Zugang zu einer adäquaten Versorgung hatte, blieb die Ankyloglossie bis ins hohe Alter unbehandelt. Die Behandlung im Erwachsenenalter erfolgt meist durch eine Z-Plastik. Aufgrund der Gegebenheiten vor Ort konnten wir diese bei der Patientin allerdings nicht durchführen.

In den Behandlungs-Spots gab es oft weder Strom, fließend Wasser noch adäquate Behandlungsliegen, so dass wir nicht selten auf schlichte Holztische und Kissenunterlagen ausweichen mussten (Abbildung 4). Absauganlagen, Puster oder auch der chirurgische Motor standen uns deshalb nicht immer zur Verfügung. Nur die Geräte mit aufladbarem Akku konnten wir für eine begrenzte Zeit nutzen. Zur regelhaften Desinfektion der Instrumente dienten ein Drucktopf und entsprechende Hygienebäder. Fehlendes Equipment wurde durch Spenden aus Deutschland ergänzt. Eine Röntgendiagnostik entfiel aufgrund der Gegebenheiten leider komplett. 

Trockenlegung gelang mit Blasebalg und Watte

Bei den Behandlungen mussten wir uns also oftmals anders behelfen. Die Trockenlegung gelang beispielsweise mithilfe eines handbetriebenen Blasebalgs und ausreichend Watterollen.

So konnten wir Zahnärzte mit einer mobilen Polymerisationslampe etliche Kompositfüllungen legen und sogar endodontische Maßnahmen durchführen. Ansonsten wichen wir auf Glasionomerzement-Füllungen aus. Dennoch blieb aufgrund der desaströsen Mundgesundheit der Bevölkerung die Extraktion die häufigste Behandlung. Milch- oder bleibende Zähne, die aufgrund von Fisteln, Lockerungsgrad 3 oder tiefer kariöser Zerstörung klinisch als nicht mehr erhaltungswürdig eingestuft werden konnten, mussten wir ziehen. 

Überraschung: Die Älteren haben keine Parodontitis

Wissen über die Mundgesundheit war bei der Dorfbevölkerung nahezu nicht vorhanden. Wir staunten allerdings, dass viele Patienten mit nur vereinzelt tiefzerstörten Molaren vorstellig wurden. Stark abradierte Zähne, vermutlich ernährungsbedingt durch grobkörnige Getreidearten, waren keine Seltenheit.

Und obwohl die älteren Patienten mit mehr Zahnverlust vorstellig wurden und Studien, wie etwa „Ageing, dental caries and periodontal diseases“ 2017, belegen, dass zumindest in Industriestaaten eine Vielzahl der Menschen an Parodontitis erkrankt, stellte unser Team bei diesen Patienten gesundes Zahnfleisch und keinerlei Anzeichen einer Parodontitis fest.

Aufgrund unserer unterschiedlichen Berufserfahrung und Spezialisierung konnten wir glücklicherweise alle Behandlungen vor Ort erfolgreich durchführen. Aus unseren Erfahrungen und Eindrücken nehmen wir mit, dass im Bereich Prävention und Aufklärung noch viel geleistet werden muss, da die meisten Menschen wenig bis gar keine Kenntnisse über die Mundgesundheit besitzen. 

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