Cannabinoide in Nahrungsmitteln

Brownies mit THC? In den USA (k)ein Problem

Die Food and Drug Administration (FDA) in den USA ist besorgt über die – legale – Beimischung des Cannabinoids THC in Vaporizer-Ölen und Süßigkeiten. Die psychoaktive Substanz wird aus Hanf-Cannabidiol (CBD) gewonnen, das schmerzlindernd wirken soll, aber dessen Nebenwirkungen von Erbrechen bis Halluzinationen reichen.

Das bekannteste der mehr als 100 in der Hanfpflanze enthaltenen Cannabinoide ist Delta-9-Tetrahydrocannabinol: kurz THC. Die Verbindung liegt in der Pflanze in der höchsten Konzentration vor – aufgrund ihrer psychoaktiven Wirkung ist sie so beliebt. Das nah verwandte und ebenfalls psychoaktive Delta-8-Tetrahydrocannabinol, häufig nur „Delta-8“ genannt, wird in den USA seit geraumer Zeit ganz legal synthetisch aus CBD hergestellt und etwa Süßigkeiten zugesetzt. Hersteller werben für ihre Produkte sogar gezielt bei Minderjährigen. Doch warnt die FDA jetzt vor möglichen „ernsten Gesundheitsfolgen“.

Über die Effekte von CBD in der Medizin und der Zahnmedizin gibt es widersprüchliche Berichte. So finden sich Aussagen von DentalhygienikerInnen und ZahnärztInnen, die CBD-Öl mit Verweis auf dessen entzündungshemmenden, schmerzlindernden, entspannend-entkrampfenden und antioxidativen Wirkungen bei Parodontitis- und Prophylaxebehandlungen sowie vor und nach Operationen zur besseren Wundheilung einsetzen.

Quelle der Entspannung oder Gesundheitsrisiko?

Gleichzeitig gibt es eine Vielzahl von Studien sowie mindestens eine Analyse von 79 Untersuchungen, die CBD mit einem nur geringen medizinischen Nutzen, dafür aber einem erhöhten Risiko für Nebenwirkungen in Verbindung bringen. Dazu gehören Schwindel, Mundtrockenheit, Übelkeit, Müdigkeit, Schläfrigkeit, Erbrechen, Desorientierung, Schläfrigkeit, Verwirrung, Gleichgewichtsverlust und Halluzination [Whiting et al., 2015].

Strittig ist auch die juristische Bewertung: Nachdem die EU-Kommission alle laufenden Anträge auf Zulassung von CBD-Produkten nach deren Erscheinen als sogenanntes Novel Food mit der Begründung gestoppt hatte, natürlich gewonnenes CBD sei als Betäubungsmittel zu behandeln, kam der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 19. November 2020 (Az.: C-663/18) zur gegenteiligen Meinung. Knapp zwei Wochen später folgte die Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation und stufte Cannabis und Cannabisharz von der höchsten Gefahrenklasse von Suchtstoffen in die niedrigste Klasse herab. Die nationalen Regelungen zur Legalität von CBD sind in der EU aber uneinheitlich, häufig ist der THC-Gehalt der Produkte entscheidend. 

Die Anbieter nutzen eine juristische Grauzone

Gleiches gilt für die USA, wo der im Dezember 2018 vom damaligen Präsidenten Donald Trump unterzeichnete „Agriculture Improvement Act“ Cannabis, das weniger als 0,3 Prozent Delta-9-THC enthält, als „Hanf“ und nicht als kontrollierte Substanz einstuft. Mit der Verabschiedung entstand jedoch eine juristische Grauzone, die Anbieter nutzen, um Delta-8-Produkte zu produzieren und zu vermarkten. Deren Argumentation: Sobald das halluzinogene Cannabinoid aus rechtskonformem Hanf synthetisiert wird, ist es ebenfalls legal.

Im Anschluss sahen viele Cannabis-Konsumenten in den USA in Delta-8, das über Verdampfer oder angereicherte Süßigkeiten konsumiert werden kann, eine Alternative zu Marihuana – gerade dort, wo Marihuana illegal ist.

Nachdem bei der FDA bis Ende Februar 2022 rund 100 Berichte über „unerwünschte Ereignisse“ bis hin zu letalen Verläufen eingegangen waren, warnte sie im April diesen Jahres vor dem Konsum von Delta-8-Produkten: Diese seien nicht für die sichere Verwendung bewertet oder zugelassen und könnten „auf eine Weise vermarktet werden, die die öffentliche Gesundheit gefährdet“.

Neben der Gefahr von im Produktionsprozess auftretenden Verunreinigungen sorgt sich die FDA um Schwankungen der Delta-8-Konzentrationen. Zurecht, wie eine jüngst vom US-Hersteller CBD Oracle in Auftrag gegebene Laborstudie zeigt. Untersucht wurden 53 Produkte von 48 verschiedenen Herstellern. Ergebnis: Fast die Hälfte der Produkte war falsch gekennzeichnet, wobei der THC-Gehalt um mehr als 15 Prozent höher oder niedriger war als angegeben. „Einige Produkte waren extrem stark, mit bis zu 40 Milligramm THC pro individueller Portion – viermal stärker als die 10 mg THC-Portionsgrenzen, die für staatlich regulierte Cannabis-Esswaren gelten“, heißt es im Bericht. Fast jedes Produkt wurde zudem verkauft, ohne dass das Alter der Käufer überprüft wurde.

So kommt es auch bei Minderjährigen zu unerwünschten Ereignissen mit diesen Produkten, berichtet die FDA. Danach betrafen 77 Prozent der gemeldeten Fälle Erwachsene, 8 Prozent Jugendliche und 15 Prozent der Meldungen enthielten keine Altersangabe. Mehr als die Hälfte (55 Prozent) erforderten eine Intervention von Rettungsdiensten oder eine Hospitalisierung, teilt die FDA weiter mit. Zwei Drittel der beschriebenen unerwünschten Ereignisse traten nach dem Verzehr von Delta-8-haltigen Brownies oder Fruchtgummis auf.

Ungleich mehr Meldungen gingen bei den US-Giftkontrollzentren ein: Sie dokumentierten seit der Einführung der Produktgruppe Delta-8 von Anfang 2021 bis März 2022 mehr als 2.300 Fälle. Davon betrafen 58 Prozent Erwachsene und 41 Prozent Jugendliche. Insgesamt 82 Prozent der unbeabsichtigten Expositionen betrafen Minderjährige, davon erforderten 70 Prozent einen Krankenhausaufenthalt, 8 Prozent eine intensivmedizinische Betreuung – ein Jugendlicher starb.

Laut FDA verpacken und kennzeichnen Hersteller ihre Produkte auf eine Weise, die Kinder anspricht. Die THC-Fruchtgummis, -Pralinen, -Kekse und -Süßigkeiten können sowohl online sowie bei Einzelhändlern gekauft werden, einschließlich Convenience-Stores und Tankstellen, „bei denen es möglicherweise keine Altersgrenzen dafür gibt, wer diese Produkte kaufen kann“.

Beim Verkauf gibt es keine Altersgrenzen

 Inzwischen ist der Ton der Behörde schärfer geworden: Fünf Hersteller habe sie bereits abgemahnt, denn CBD und Delta-8 seien nicht zugelassene Lebensmittelzusatzstoffe. Zum Teil beanstandet die FDA auch die bei der Vermarktung von CBD-Produkten gemachten Gesundheitsversprechen. Dabei hat die FDA nicht nur Menschen, sondern auch Nutztiere im Blick – sie äußert Bedenken zu CBD-Produkten, die sie hergetellt werden. Daraus ergäben sich potenzielle Sicherheitsbedenken „im Zusammenhang mit Lebensmitteln (zum Beispiel Fleisch, Milch, Eier) von Tieren, die CBD konsumieren“.

Die FDA weist darauf hin, sie habe keine anderen CBD-Produkte als ein verschreibungspflichtiges Humanarzneimittel zur Behandlung seltener, schwerer Formen der Epilepsie zugelassen.

Whiting PF et al.: „Cannabinoids for Medical Use: A Systematic Review and Meta-analysis.“ JAMA. 2015; 313 (24): 2456–2473. doi:10.1001/jama.2015.6358

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