Umfrage zu Klimawandel und Gesundheit unter Medizinern

Handlungsbedarf beim Hitzeschutz

Die Stiftung Gesundheit hat rund 20.000 Ärztinnen und Ärzte zu deren Wahrnehmung der gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels befragt. Offenbar ist ihr Bewusstsein für Gesundheitsgefährdungen gering. Beispiel Hitzewelle: Dass Patienten unter hohen Temperaturen leiden, bemerken viele Mediziner – handeln tun aber nur wenige.

Der Weltklimarat IPCC prognostiziert für Deutschland bis 2050 eine massive Zunahme von Extremwetter-Ereignissen wie Hitzewellen. Dabei ist der Gesundheitssektor für rund fünf Prozent der CO2-Emissionen hierzulande verantwortlich. Verschiedene Studien zeigen zudem: Weltweit beobachtet das Gesundheitspersonal bereits heute die gesundheitlichen Folgen der Klimakrise bei den PatientInnen. Im Herbst 2021 fasste der Deutsche Ärztetag daher weitreichende Beschlüsse, die eine Klimaneutralität unseres Gesundheitssystems bis 2030 vorsehen und Subventionen abschaffen wollen, die Klima und Biodiversität schaden.

Zur Umfrage

2021 fasste der 125. Deutsche Ärztetag weitreichende Beschlüsse zu Klima und Gesundheit. Die Stiftung Gesundheit hat nun in einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) mit dem Centre for Planetary Health Policy (CPHP) bei rund 20.000 Ärztinnen und Ärzten den Status quo abgefragt. Die Online-Umfrage lief von April bis Mai 2022.

Vor diesem Hintergrund wurden den Ärzten im Auftrag der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e. V. (KLUG) und dem Centre for Planetary Health Policy (CPHP) vier Fragen gestellt: 

1. Wie nehmen sie die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels wahr?

2. Wie sieht der Hitzeschutz im ärztlichen Alltag aus?

3. Wie beurteilen sie den Stand der Umsetzung der Beschlüsse?

4. Haben sie Unterstützungsbedarf bei der Umsetzung? 

Die Antworten zeigen ein geringes Bewusstsein für eine Gesundheitsgefährdung der Patienten durch die Klimakrise. So bemerken drei Fünftel der Befragten entsprechende Gefährdungen auch bei den eigenen Patienten, aber nur 16 Prozent passen deren Medikation bei Hitzewellen regelmäßig an und lediglich 10 Prozent beraten zum Umgang mit Hitze. 

Die Hitze – für vulnerable Patienten ein Problem

Beide Maßnahmen sind den Autoren zufolge jedoch wichtig, um vor allem besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen wie beispielsweise ältere Menschen mit relevanten Vorerkrankungen zu schützen. Untersuchungen wie der Deutschland-Bericht des Lancet Countdown 2021 belegen demnach, dass Konzepte zum Umgang mit dem Extremwetter in vielen Krankenhäusern und Praxen fehlen.

Die aktuelle Umfrage zeigt außerdem, dass sich nur 17 Prozent der Befragten zu klimasensiblen Erkrankungen fortbilden, wohingegen sich fast 60 Prozent bemühen, Ressourcen in der Klinik oder in der eigenen Praxis einzusparen und Überversorgung zu vermeiden.


Was gilt es jetzt zu tun? Die Autoren sehen einen hohen Handlungsbedarf beim Hitzeschutz – sie empfehlen Fort- und Weiterbildungen für Ärzte und deren Gesundheitsteams anzubieten sowie Aufklärungsmaterialien und Leitlinien zu Hitzeschutzmaßnahmen zu entwickeln.

Da der Einsatz von Medizinprodukten und Medikamenten in der Herstellung und in der Lieferkette enorme Emissionen verursacht, sollte die Ärzteschaft außerdem transparente Informationen zu Klima- und Umweltbilanzen der Medizinprodukte und Arzneimittel von den Herstellern fordern. 

Klimaschutz ist auch hier Chefsache

 Dies stelle die Führungsebene in den Gesundheitseinrichtungen vor die Aufgabe, künftig gleichwertige, aber emissionsarme Produkte zu bevorzugen. Um hier Klimaneutralität zu erreichen, bedarf es demnach einer klaren Anreizstruktur und deutlicher Empfehlungen zum ressourcenschonenden Einsatz von Medikamenten und Medizinprodukten, Leitlinien zur Vereinbarkeit von Hygienevorschriften und Nachhaltigkeit sowie Fort- und Weiterbildungen von Ärztekammern und Fachgesellschaften. Anstatt neue bürokratische Hürden aufzubauen, müsse die Komplexität reduziert werden.


 „Insgesamt sollte es Ärzten möglichst einfach gemacht werden, ihre Arbeit nachhaltig zu gestalten und ihre Patienten in Klimaschutz und -anpassung einzubinden“, rät Maike Voss, Geschäftsführerin bei KLUG/CPHP und Koautorin der Umfrage.

Dorothea Baltruks, Mirjam Jenny, Nikolaus C.S. Mezger, Maike Voss (19.05.2022): Umsetzungen der Beschlüsse des 125. Deutschen Ärztetages zu Klima und Gesundheit.

Fünf Empfehlungen

Aus der Umfrage leiten die Autoren fünf konkrete Empfehlungen ab:

1. Hitzeschutz

Fachgesellschaften und Ärztekammern könnten interdisziplinäre Fort- und Weiterbildungen für Ärzte und das Gesundheitsteam, Aufklärungsmaterialien und Leitlinien zu Hitzeschutzmaßnahmen, insbesondere zur Medikamentenanpassung und zum Umgang mit Riskopatienten bei Hitzewellen entwickeln und anbieten.

2. Klimabilanzierung

Die Ärzteschaft sollte von Medizinprodukte- und Arzneimittelherstellern transparente Informationen zur Klima- und Umweltbilanz von Gesundheitsprodukten fordern.

3. Agenda-Setting

Die Führungsebene in Gesundheitseinrichtungen sollte strategische Ziele zur Klimaneutralität einführen. Der Deutsche Ärztetag, Ärztekammern und Fachgesellschaften können dies als übergreifendes Ziel für den Sektor einfordern.

4. Einsatz von Ressourcen

Für Klima- und Umweltmanagement in Gesundheitseinrichtungen werden personelle und finanzielle Ressourcen benötigt. Deswegen muss man auch den politischen Regelungsrahmen anpassen.

5. Leitplanken

Um Ärzte in ihrem ärztlichen Alltag zu unterstützen, sollten Fachgesellschaften klare Leitlinien zur Vereinbarkeit von Hygienevorschriften und Nachhaltigkeit sowie insbesondere beim ressourcenschonendem Einsatz von Medikamenten erstellen.

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