Resolution der KZBV-Vertreterversammlung

„Das ist Politik aus der Mottenkiste!“

„Hier sollen Vergütungen gekürzt, hier soll strikt budgetiert werden. Das ist nichts anderes als ein Frontalangriff auf unseren Versorgungsbereich!“ Die Vertreterversammlung (VV) der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) hat den Entwurf eines GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes in einer Resolution strikt abgelehnt.

Eigentlich sollte die VV der KZBV in Dresden am 6. Juli mit dem Bericht des Vorstandsvorsitzenden Dr. Wolfgang Eßer zur allgemeinen gesundheitspolitischen Lage beginnen. Eigentlich. Denn völlig unvermittelt hatte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) kurz zuvor den Entwurf eines GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes veröffentlicht, der die dentale Welt regelrecht erschütterte – und in der Folge die Tagesordnung der wichtigsten Versammlung der Vertragszahnärzte komplett umwarf.

Wut, Fassungslosigkeit und maßlose Enttäuschung – die Delegierten rangen sichtlich um Fassung. „Dieser Entwurf ist unverantwortlich!“, „Das ist eine einzige Katastrophe!“, „PAR wäre dann Makulatur!“ und: „Das ist Verrat an den Generationen, die nach uns kommen!“, hieß es aus dem Plenum.

Die Resolution im Wortlaut

„Die Vertreterversammlung der KZBV lehnt den Entwurf eines GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (Stand: 30.06.2022) strikt ab und fordert den Bundesgesundheitsminister auf, die geplanten Regelungen, die faktisch einer drastischen Vergütungskürzung für die Zahnärzteschaft gleichkommen, zu streichen. Die im Entwurf vorgesehenen Regelungen sind weder verhältnismäßig noch angemessen und bedeuten einen Rückfall in die strikte Budgetierung. Sie werden zwangsläufig erhebliche Leistungskürzungen für die Versicherten nach sich ziehen.

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass von der vertragszahnärztlichen Versorgung keine Gefahr für die Stabilität der GKV-Finanzen ausgeht, obwohl der Gesetzgeber mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) bereits ab dem Jahr 2012 die strikte Budgetierung aufgehoben hat. Vielmehr ist der Anteil der zahnärztlichen Ausgaben an den GKV-Gesamtausgaben kontinuierlich von 8,92 Prozent im Jahr 2000 auf mittlerweile 6,25 Prozent gesunken. Gleichzeitig wurde der vertragszahnärztliche Leistungskatalog präventionsorientiert ausgebaut und auf die Bedürfnisse vulnerabler Gruppen hin ausgerichtet. Das ist das Ergebnis einer von der Zahnärzteschaft verfolgten, langjährigen, erfolgreichen präventionsorientierten Ausrichtung der Versorgung.

Ein Rückfall in die strikte Budgetierung wird langfristig erhebliche Folgen für die zahnärztliche Patientenversorgung haben. Sie wird die im letzten Jahr in die Versorgung gebrachte, neue, förderungswürdige und präventiv wirkende Parodontitistherapie umgehend wieder ausbremsen. Dies wird zulasten der Mundgesundheit der Bevölkerung gehen.

Angesichts dieses katastrophalen Gesetzes wird sich keine Zahnärztin und kein Zahnarzt mehr für die eigene Niederlassung entscheiden. Der finanziellen Planungssicherheit wird mit diesem Gesetzentwurf vollständig der Boden entzogen. Das wird in gleichem Maße für die älteren Kolleginnen und Kollegen gelten, die seit Jahren immer wieder ihren Ruhestand aufschieben. Der drohenden Unterversorgung in der vertragszahnärztlichen Versorgung wird damit Vorschub geleistet. Mit der strikten Budgetierung werden de facto Leistungen durch die Hintertür gekürzt, die der Minister immer wieder vehement ausgeschlossen hat. Für begrenzte Mittel wird es jedoch auch nur begrenzte Leistungen geben!“

„Reserven abbauen, Beiträge erhöhen und Kosten dämpfen!“ So lassen sich Eßer zufolge die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zusammenfassen. „Damit soll das Finanzdefizit der Kassen Stand heute von mindestens 17 Milliarden Euro in 2023 gestopft werden. Wir sind hier mit einer massiven Bedrohung für die zahnärztliche Versorgung konfrontiert“, stellte Eßer klar. Wenn so ein Gesetz käme, wäre das der Todesstoß für die präventionsorientierte Versorgung, insbesondere mit Blick auf die neue PAR-Schiene.

Kommt das Gesetz: PAR wäre Makulatur!

Konkret sieht der Entwurf vor, das Wachstum des Ausgabenvolumens für die Gesamtheit zahnärztlicher Leistungen ohne Zahnersatz auf höchstens die um 0,75 Prozentpunkte verminderte Grundlohnrate im Jahr 2023 und auf maximal die um 1,5 Prozentpunkte verminderte Grundlohnrate in 2024 zu begrenzen. Ausnahmen sind demnach für IP und Früherkennungsuntersuchungen vorgesehen. Eine äquivalente Formulierung bezieht sich auf die Punktwerte in 2023 und 2024, berichtete Eßer. „Mit anderen Worten heißt das: Wiedereinführung der strikten Obergrenze verbunden mit Kürzungen beim Ausgabenwachstum!“

Was für ein Spiel treibt Lauterbach?

Für Ärger sorgte auch der Umstand, dass Lauterbach knapp eine Woche vorher noch in einer Pressekonferenz verkündet hatte, dass es wegen der Inflation keinen Spielraum für Einsparungen bei Honoraren und Einkünften der Ärzteschaft gebe. Im Übrigen wurde der Entwurf der KZBV zufolge – noch – nicht offiziell zugestellt. Dass also die Delegierten vorab überhaupt nicht über die Inhalte informiert wurden, dass im Vorfeld kein einziges Gespräch stattfand – für die Zahnärzte, die immer auf das konstruktive Gespräch mit der Politik gesetzt haben, ein absolutes No-Go.

„Der Entwurf ist geprägt von konzeptioneller Einfallslosigkeit und handwerklicher Flickschusterei. Es fehlt nicht eine Idee, die eigentlich schon vor Jahrzehnten zu den gesundheits-politischen Akten gelegt wurde.“

Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstands der KZBV

Fakt ist laut Eßer: „Aus einem verhältnismäßig kleinen Versorgungsbereich, der über Jahre eine präventionsorientierte Versorgung abliefert, vulnerable Gruppen in den Blick nimmt, wirtschaftlich effizient arbeitet und bedingt durch Pandemie und Lockdown bereits erhebliche Lasten zu tragen hat, sollen jetzt die großen Einsparungen herausgequetscht werden.“ 

Ein Gesetz zulasten der Patienten

Und natürlich leiden auch die Zahnarztpraxen an der Inflation. Auch sie sind mit steigenden Material- und Energiekosten konfrontiert. „Politisch wird darüber diskutiert, wie man die Belastungen für die Bevölkerung abfedern kann. Und parallel dazu sollen die Leistungserbringer im Gesundheitswesen mit Kostendämpfung überzogen werden?“, rügte Eßer und wandte sich an Lauterbach: „Glauben Sie im Ernst, dass sich angesichts dieses katastrophalen Gesetzes überhaupt noch wer für die eigene Niederlassung entscheidet? Der finanziellen Planungssicherheit wird doch damit vollkommen der Boden entzogen.“ I-MVZ würden noch mehr Zulauf bekommen und umgekehrt ältere Kolleginnen und Kollegen, die seit Jahren ihren Ruhestand aufschieben, ihre Praxen schließen. „Das Gesetz wird zulasten der Patientinnen und Patienten, das wird zulasten der Mundgesundheit gehen“, prophezeite der KZBV-Chef.

Die Vertreterversammlung der KZBV lehnt den Entwurf aus dem BMG daher rigoros ab und fordert Lauterbach auf, die geplanten Regelungen zu streichen, denn sie seien weder verhältnismäßig noch angemessen. Der Entwurf bedeute faktisch eine drastische Kürzung der Vergütung für die Zahnärzteschaft und komme einem Rückfall in die Zeit strikter Budgetierung gleich – mit erheblichen Folgen für die zahnärztliche Patientenversorgung.

„Das ist Politik aus der Mottenkiste“, waren sich die Zahnärztinnen und Zahnärzte einig. „Und für eine Politik aus der Mottenkiste gibt es Reaktionen aus der Mottenkiste!“ Mit 55 Stimmen wurde die Resolution einstimmig verabschiedet.

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