Interview mit Dr. Michael Frank zum Abschluss seiner ERO-Präsidentschaft

„Das internationale Engagement ist oftmals auch ein Frühwarnsystem!“

Drei Jahre war Dr. Michael Frank Präsident der European Regional Organization (ERO) des Weltzahnärzteverbands FDI. Jetzt hat er den Staffelstab weiter an die Slowakin Simona Dianišková weitergegeben. Wie die europäische Gesundheitspolitik direkt auf die deutsche Zahnarztpraxis durchschlägt, erzählt er hier.

Wie sehen Sie im Rückblick Ihre drei Jahre ERO-Präsidentschaft? Was waren die größten Herausforderungen und prägendsten Themen in dieser Zeit?

Dr. Michael Frank: Die Übernahme der ERO-Präsidentschaft habe ich als bereichernd empfunden. Die Arbeit im internationalen Umfeld war vielfältig. Und wir konnten als Vorstand wichtige Projekte anstoßen: So haben wir mit dem für Europa zuständigen Büro der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Kopenhagen Kontakt aufgenommen, um die Vorhaben in der Mundgesundheit zu koordinieren, wir haben die ERO-Arbeitsgruppen neu strukturiert und wir haben im Bereich Digitalisierung und Künstliche Intelligenz in der Zahnmedizin einen neuen Schwerpunkt gesetzt.

Allerdings war meine Präsidentschaft zu einem guten Teil von der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen geprägt. Vollversammlungen des ERO-Plenums mussten ausfallen oder ausschließlich digital stattfinden, die Vorstandsarbeit musste über Videoschalten laufen und auch sonstiger fachlicher Austausch beschränkte sich auf Online-Konferenzen. Aber, und das ist das Wichtige aus dieser Zeit, die Zusammenarbeit hat digital sehr gut funktioniert – sogar eine ganze Vollversammlung mit Verdolmetschung und Abstimmungen konnten wir erfolgreich digital durchführen. Aber natürlich fehlt der persönliche Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus den ERO-Ländern.

In den letzten Wochen ist der Ukraine-Krieg bestimmend. Hier hat sich die ERO, zusammen mit dem Council of European Dentists, in einer Resolution klar solidarisch mit der Ukraine gezeigt und den Angriffskrieg Russlands aufs Schärfste verurteilt. Darüber hinaus gab es viele Solidaritäts- und Hilfsaktionen für die ukrainische Kollegenschaft aus den nationalen Verbänden, was mich sehr beeindruckt hat.

Welche Folgen hat die internationale Gesundheitspolitik auf die Zahnarztpraxen in Deutschland? Ist das nicht zu weit weg?

Die internationale Gesundheitspolitik und die dort getroffenen Entscheidungen haben deutliche Auswirkungen bis hinein in die deutsche zahnärztliche Praxis. Das beste Beispiel dafür ist die aktuell laufende Diskussion über Phase-Down versus Phase-Out von Amalgam. Dies wird international auf Ebene der Vereinten Nationen in den nächsten Monaten entschieden und über die europäische Gesetzgebung dann unmittelbar im deutschen Versorgungsalltag ankommen. Auch die Bekämpfung von antimikrobiellen Resistenzen oder der Pandemie kann nicht national geschehen, sondern muss länderübergreifend gedacht werden.

Ebenso profitieren die deutschen Praxen vom internationalen Austausch der Zahnmedizin und der Gesundheitspolitik. Dies zu fördern war mir als ERO-Präsident immer ein großes Anliegen. Wir können nur gemeinsam stark sein. Eine gute internationale Vernetzung hilft auch im nationalen politischen Kontext Herausforderungen anzugehen und Entwicklungen einzuschätzen. So sehen wir in Italien und Spanien bereits, welche negativen Auswirkungen investorenbetriebene Praxisketten auf die Patientenversorgung haben können. Etwas, das wir in Deutschland unbedingt verhindern müssen.

Welchen Mehrwert hat ein Engagement der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) in internationalen Verbänden?

Die deutschen Zahnärztinnen und Zahnärzte gewinnen durch die europäische und internationale Vernetzung der BZÄK, denn die wenigsten Entwicklungen sind ein rein nationales Phänomen, sondern haben sowohl ihre Ursachen wie auch ihre Lösungsansätze auf europäischer wie internationaler Ebene. Daher ist es von Vorteil, auf allen Ebenen in den relevanten Verbänden organisiert und vertreten zu sein. Man ist deutlich näher dran an den Entscheidungen und kann Positionierungen der europäischen und internationalen Zahnärzteschaft mit gestalten. Am Ende profitiert auch der deutsche Praxisalltag von diesem Engagement, da Entscheidungen dort frühzeitig ankommen und so manche Fehlentwicklung auch abgewendet oder „entschärft“ werden kann. Das internationale Engagement ist oftmals auch ein „Frühwarnsystem“, welche nationalen Diskussionen auf uns zukommen könnten.

Wohin geht die „Reise“ der Zahnärzteschaft auf internationaler Ebene?

International werden die Mundgesundheit und die Prävention oraler Erkrankungen als immer wichtiger eingeschätzt und gewinnen global an Bedeutung. Dies zeigt sich an der Verabschiedung der WHO-Resolution zu Mundgesundheit im vergangenen Jahr. Eine zentrale Forderung darin ist, dass die Mundgesundheit als essenzieller Bestandteil der allgemeinen Gesundheit verstanden wird und dementsprechend „oral health in all health policies“ von der World Dental Federation, und somit auch von der ERO, verlangt wird. Diese Forderung national und international umzusetzen und zu begleiten, wird eine Aufgabe für die Länder wie auch für die ERO und den Weltzahnärzteverband FDI sein.

Was wünschen Sie der ERO für die Zukunft?

Weiterhin eine so gute Kooperation der Mitgliedsverbände untereinander und in der ERO selbst. Viele Herausforderungen der globalisierten Welt und internationalen Gesundheitspolitik lassen sich nur gemeinschaftlich lösen, davon bin ich fest überzeugt. Ein starker Berufsstand kann hier viel bewegen, nur zusammen als ERO oder FDI können wir auf internationaler Ebene Gehör finden. 

Das Gespräch führte Roxana Dürsch, Referentin Europa/Internationales der Bundeszahnärztekammer in Brüssel.

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